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3.3.1 Der Radikale Konstruktivismus

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Der Radikale Konstruktivismus1 – sein Name ist Programm – wird häufig als Prototyp des konstruktivistischen Denkens bezeichnet, zumal er quasi als Sprungbrett und Quelle der Inspiration für eine Vielzahl von weiteren Ansätzen gilt. Da dieser Ansatz für die Gestaltung von Lernumgebungen eine Reihe äußerst relevanter Erkenntnisse vermittelt, die in der Vergangenheit jedoch teilweise missverstanden und somit zum Streitpunkt wurden, möchte ich hier etwas differenzierter vorgehen als bei den sozial-konstruktivistischen Positionen, die später vorgestellt werden (vgl. Kapitel 3.3.2).

Der Radikale Konstruktivismus ist keine eigene Wissenschaftsdisziplin oder in sich geschlossene Erkenntnistheorie, sondern „eine disziplinübergreifende erkenntnistheoretische Plattform, die dem etablierten Paradigma des Realismus (...) entgegen tritt“ (von Ameln 2004, 187) und zum Teil auf den zuvor erwähnten frühen Forschungsarbeiten aufbaut. Dabei bemühen sich die einzelnen Vertreterinnen und Vertreter um eine „Theorie des Wissens“, und nicht etwa um eine „Theorie des Seins“, wie Ernst von Glasersfeld (1992, 34) immer wieder explizit betont. Den radikalen Konstruktivisten geht es um das Verhältnis, in dem Wissen zur Welt und zur Wirklichkeit steht, also um die Frage, „was Wissen ist und woher es kommt“ (von Glasersfeld 1993, 23, Zit. nach Gerstenmaier/Mandl 2000, 4), oder mit den Worten von Paul Watzlawick, der hier für den Begriff „Wirklichkeitsforschung“ (Watzlawick 2002, 10) plädiert: „Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben?“2.

Zu den Begründern des Radikalen Konstruktivismus zählen insbesondere Heinz von Foerster (1911-2002), Ernst von Glasersfeld (1917-2010) sowie Humberto R. Maturana (1928-) und sein Mitarbeiter Francisco J. Varela (1946-2001). Ein weiterer einflussreicher Vertreter ist zweifelsohne Niklas Luhmann (1927-1998). Paul Watzlawick (1977; 2002) war es schließlich, der den Radikalen Konstruktivismus in Deutschland populär gemacht hat. Als weitere wichtige Konstruktivisten im deutschen Raum gelten vor allem die Hirnforscher Gerhard Roth (1997; 2001; 2003a; 2003b; 2006; 2009) und Wolf Singer (2002; 2006) sowie der Philosoph, Literatur- und Medienwissenschaftler Siegfried J. Schmidt (Hrsg.) (1987; 1992a; 1992b), welcher sich später jedoch vom Radikalen Konstruktivismus etwas distanziert hat.3

Siebert (2005) gelingt es, die diversen Forschungsergebnisse und Strömungen zusammenzufassen und mit wenigen Worten eine aussagekräftige Kernthese des Konstruktivismus zu formulieren, die für unseren Kontext zunächst ausreichen soll:

Menschen sind autopoietische, selbstreferenzielle, operational geschlossene Systeme. Die äußere Realität ist uns sensorisch und kognitiv unzugänglich. Wir sind mit der Welt lediglich strukturell gekoppelt, d.h., wir wandeln Impulse von außen in unserem Nervensystem ‘strukturdeterminiert’, d.h. auf der Grundlage biografisch geprägter psycho-physischer kognitiver und emotionaler Strukturen, um. Die so erzeugte Wirklichkeit ist keine Repräsentation, keine Abbildung der Außenwelt, sondern eine funktionale, viable Konstruktion, die von anderen Menschen geteilt wird und die sich biografisch und gattungsgeschichtlich als lebensdienlich erwiesen hat. Menschen als selbst gesteuerte ‘Systeme’ können von der Umwelt nicht determiniert, sondern allenfalls perturbiert, d.h., ‘gestört’ und angeregt werden (Ebd., 11).

Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Existenz einer „Realität“ von den Konstruktivisten geleugnet wird, sondern lediglich, dass alles, was wir von einer äußeren Realität wissen, unsere eigenen Konstruktionen sind, die in sozialen Kontexten „als Ko-Konstruktionen“ stattfinden (Terhart 1999, 18). Dieser Aspekt ist in der Vergangenheit oft missverstanden worden.

Die Grundideen des Radikalen Konstruktivismus sind nicht neu (vgl. Kapitel 3.2). Neu dagegen sind die Begründungen, die mit der oben aufgeführten Kernthese zusammenhängen. Diese lassen sich auf die drei Argumentationslinien aus Gehirnphysiologie, Kognitionswissenschaften und Systemtheorie zurückführen (Gerstenmaier/Mandl 1995), wobei der Neurobiologie eine besondere Rolle zukommt, da durch sie die Grundthesen des Radikalen Konstruktivismus naturwissenschaftlich bzw. empirisch fundiert werden. Nachfolgend sollen nun einzelne einflussreiche Positionen der „Gründerväter“ erörtert werden, um später entsprechende Ableitungen für förderliche Lernumgebungen formulieren zu können.

Fremdsprachliches Lernen und Gestalten nach dem Storyline Approach in Schule und Hochschule

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