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Weniger Fokus

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Dass ein mentaler Fokus nichts ist, was man je nach Bedarf einschalten kann und dann sofort parat hat, dürfte jedem klar sein. Man ist nicht immer konzentriert und voll bei der Sache bei dem, was man gerade tut. Die größte Stärke des präfrontalen Kortex, die Aufmerksamkeit, kann daher auch seine größte Schwäche sein.

Das beginnt schon damit, dass dieser Bereich bei der Geburt noch längst nicht optimal funktioniert. Babys können nicht sprechen und kleine Kinder können keine Zukunftspläne machen. Wir wissen, dass sich diese Fähigkeiten erst später, Schritt für Schritt, entwickeln. Und auch bei Jugendlichen in der Pubertät sieht man, dass noch nicht alle Denkprozesse mustergültig funktionieren. Von ihnen wird jedoch viel erwartet: Hausaufgaben machen, lernen, Jobs erledigen und sozial interagieren. Darüber, wie sich das Gehirn in den Teenagerjahren noch entwickelt, bis es mit etwa zwanzig ausgereift ist, sind schöne Bücher verfasst worden. In diesen Büchern wird beschrieben, wie sehr das noch unfertige Gehirn mit Dingen wie Übersicht und Planung zu kämpfen hat. Aber auch mit der Entscheidung zwischen risikoreichem oder vernünftigem Verhalten. Jeder, der sich an seine eigene Jugendzeit erinnert oder regelmäßig mit Heranwachsenden zu tun hat, weiß nur zu gut, dass die Entwicklung sowohl dieser Fähigkeiten als auch des Gehirns ein Prozess ist, der noch lange nach der Geburt andauert.

Auch Menschen, die schon einmal viel Alkohol getrunken haben, kennen das Phänomen, dass ihnen Aufgaben, die sie normalerweise problemlos bewältigen, angetrunken viel schwerer fallen. Ihre Nervenzellen funktionieren in diesem Zustand weniger gut. Die komplexesten Netzwerke – wie der präfrontale Kortex – fallen dann als Erste aus. Das Lösen von Rechenaufgaben, das logische Denken und sogar das Sprechen werden mit jedem weiteren Glas mühsamer. Das hat manchmal gravierende Konsequenzen, die einem erst später bewusst werden, wenn man wieder ausgenüchtert ist und darüber nachdenken kann.

Auch bei Menschen, die begonnen haben abzunehmen, sieht man regelmäßig, dass sich ihre Fokussierung verringert oder ganz verloren geht. Nicht am Anfang, da ist die Zielstrebigkeit gerade besonders stark. Dann denken sie an ihr Ziel: abnehmen, und an das Mittel dazu: weniger essen oder anders essen und mehr Sport treiben. Manchmal sprechen sie darüber auch mit anderen, was ihren Fokus zusätzlich stärkt. Vor allem, wenn das Umfeld positiv und ermutigend reagiert. So weit, so gut.

Doch wenn andere Dinge in ihrem Leben Aufmerksamkeit verlangen, verändert sich das Bild. Das kann alles Mögliche sein: die Arbeit, Aufträge, Beziehungen, Geldsorgen, Kinder, was auch immer. In dem Moment, in dem diese Themen wieder mehr Aufmerksamkeit fordern, tritt oft eine Wende ein.

Die Fokussierung des präfrontalen Kortex ist nämlich notwendig, um den natürlichen Wunsch des Hypothalamus, im Körper Vorräte anzulegen, zu unterdrücken. Der präfrontale Kortex muss sein Veto gegen den inneren Hamster einlegen, der gegen das Abnehmen aufbegehrt. Das Problem dabei ist: Während der Kortex abgelenkt werden kann, lässt der Hypothalamus keine Ablenkung zu. Der präfrontale Kortex ist so etwas wie ein Finger, den man in ein Loch im Deich steckt. In dem Moment, in dem man ihn herausnimmt, beginnt das Wasser sofort wieder zu strömen. Oder so etwas wie ein Lehrer vor einer schwierigen Klasse. Sobald er für kurze Zeit den Raum verlässt, machen die Schüler Rabatz. Genauso beginnt der Hypothalamus den Körper und das Gehirn in Richtung Essen zu lenken, wenn der präfrontale Kortex einmal nicht aufpasst. Das ist der Moment, in dem man sich, ohne groß nachzudenken, ein Schüsselchen Erdnüsse einverleibt, obwohl man gerade vorhat abzunehmen.

Die Fokussierung des präfrontalen Kortex ist daher wesentlich, zugleich aber extrem schwierig. Wie kann der Fokus also möglichst gut beibehalten werden? Durch Unterstützung und Training.

Unterstützung ist auf vielerlei Arten möglich. Dabei sollte man nicht nur den präfrontalen Kortex, sondern auch die anderen beteiligten Bereiche des Gehirns, wie den Hypothalamus und das limbische System, beeinflussen. Hilfreich sind hier Menschen im eigenen Umfeld, die einem beim Erreichen des gesetzten Ziels unterstützen. Aber auch eine App oder unser digitales Begleitprogramm kann helfen. Der präfrontale Kortex lässt sich durch eine Schulung des Denkens und der Aufmerksamkeit aber auch trainieren. Das tut fast jeder von uns schon die meiste Zeit seines Lebens; nicht nur während der Schulzeit und vielleicht in einer weiteren Ausbildung, sondern auch durch Hobbys, Rätseln, Spielen und Lesen. Seinen Kortex oft und viel zu nutzen, kann also beim Abnehmen helfen. Das ist in Studien bereits nachgewiesen worden. Man konnte zeigen, dass Menschen mit einem höheren Bildungsniveau, die mehr aktiv gelernt haben und im Planen geübter waren, bei dem Versuch abzunehmen größere Erfolgschancen hatten. Und zwar unabhängig von ihrer Intelligenz, die sich im IQ ausdrückt. Es geht nicht in erster Linie darum, wie schlau man ist, sondern in welchem Maße man in Planungsdingen geübt ist. Denn bei einem »heiß gelaufenen« Hypothalamus braucht man ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Planung.

Danny der Weltmeister und der präfrontale Kortex

Am Anfang sieht alles gut aus: Es gibt eine sehr starke innere Motivation. Die Teilnehmer von The Biggest Loser treffen sehr überzeugt eine Entscheidung. Sie sind mit ihrer Gewichtssituation unzufrieden und wägen ab. Diese Abwägung führt letztlich zu dem Vorhaben abzunehmen, sie beschließen, sich bei der Show anzumelden. Sowohl das Nachdenken über ihr Gewicht als auch die getroffene Entscheidung, abzunehmen und sich anzumelden, sind zu einem großen Teil das Werk ihres präfrontalen Kortex. Er ist dafür zuständig, rationale Überlegungen anzustellen, eine Entscheidung zu treffen und sich dann zu fokussieren. Diese Fokussierung hält eine Weile an, denn sie setzen mit ihrer Arbeit aus und brauchen sich dementsprechend gerade nicht darauf zu konzentrieren. Zudem erhält der Kortex noch Unterstützung von ihrer gesamten Umgebung. Und auch von der Familie und den Freunden in ihrem Umfeld, den sozialen Medien und der Öffentlichkeit. Alle helfen den Teilnehmern, sich zu fokussieren und ihr Ziel nicht aus dem Blick zu verlieren. Ein größerer Ansporn, die eigene Entscheidung umzusetzen, lässt sich wahrscheinlich nicht so schnell finden.

Was an der Geschichte jedoch auffällt, ist, dass die Teilnehmer nach dem Ende der Sendereihe nicht mehr in der Lage sind, das intensive Konzept, dem sie sich zur Zeit der Aufnahmen unterzogen haben, weiter durchzuhalten. Der Hypothalamus ist wütend und schlägt mit ungeahnter Wucht zurück. Danny muss beispielsweise wieder zur Arbeit gehen. Und die verlangt Aufmerksamkeit. Ebenso wie wahrscheinlich auch die Menschen in seinem Umfeld. Die Aufmerksamkeit, die er darauf richtet, geht auf Kosten seiner Aufmerksamkeit, die er für sein Gewicht und für das Bändigen des Hamsters aufbringen kann.

Der Hamster im Kopf

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