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1.1 HIRNAREALE UND FALLSTRICKE DER WELTMEISTER IM ABNEHMEN Was lief da schief?

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Im Staffelfinale der amerikanischen Fernsehshow The Biggest Loser stand ein Mann in T-Shirt und Shorts auf der Bühne. Schlank, athletisch und attraktiv wie ein Model. »I’ve got my life back«, sagte er freudestrahlend.

Dieser Mann war Danny Cahill, ein 46-jähriger Landvermesser, der einen Rekord im Abnehmen aufgestellt hatte. Innerhalb von sieben Monaten hatte er von 195 Kilo auf 86 Kilo abgenommen, insgesamt also 109 Kilo. Oder 3,5 Kilo pro Woche.

Später erschien ein interessanter Artikel über ihn in der New York Times mit dem Titel: That Lost Weight? The Body Finds it.

Was war passiert? Danny Cahill hatte einen großen Teil der verlorenen Pfunde wieder zugenommen. Und nicht nur er. Bei den meisten Teilnehmern der Show, die von einer wissenschaftlichen Studie begleitet wurden, erwies sich, dass der Gewichtsverlust nicht nachhaltig gewesen war. Bei einigen lag das Gewicht nun sogar über dem Gewicht, das sie am Anfang der Show auf die Waage gebracht hatten. Wie konnte es dazu kommen, dass fast alle Teilnehmer wieder bei ihrem alten Gewicht angelangt waren? Mit fehlender Motivation hatte es jedenfalls nichts zu tun. Viele der Teilnehmer hatten diese Sendung als letzte Chance betrachtet, um abzunehmen. Doch wenn selbst dieser Weltmeister es nicht geschafft hat, sein Gewicht zu halten, wie sollen wir »Normalsterblichen« es dann jemals schaffen können?

Schauen wir uns das Ganze mal genauer an: Danny war es gelungen, so viel Gewicht zu verlieren, indem er sich täglich sieben Stunden bewegt hatte. So hatte sich ein Kaloriendefizit ergeben, das heißt, er verbrannte 3500 Kilokalorien mehr, als er zu sich nahm. Um das zu schaffen, hatte er seinen Job gekündigt und fast den ganzen Tag Sport getrieben. Und das alles bei einer Diät aus Eiern, Grapefruit, Toastbrot, Hühnerbrust, Brokkoli und Spargel.

In den Jahren nach dem Finale konnte er dieses ganze Programm nicht mehr durchhalten. Er trieb weniger Sport – er nahm nämlich seinen alten Job wieder auf – und er merkte, dass er ab und an gedankenlos große Mengen falscher Nahrung aß. Langsam, aber sicher nahm er wieder zu.

Ist starkes Abnehmen also zum Scheitern verurteilt? Oder ist das letztendliche Scheitern dieses Landvermessers auf die Art und Weise zurückzuführen, wie er abgenommen hat? Cahills Geschichte zeigt, an welcher Stelle es oft schiefläuft, auch bei Menschen, die nicht an einer Fernsehsendung teilnehmen. Und sie zeigt, warum es für die Teilnehmer nahezu unmöglich war, ihr Wunschgewicht zu erreichen und vor allem zu halten.

Mit anderen Worten: Die Teilnehmer hatten trotz ihrer bewundernswerten Bemühungen von Anfang an keine echte Chance. Denn dieses Muster ist hinlänglich bekannt: Eine Diät machen, abnehmen, und wieder etwas mehr zunehmen. Immer wieder eine Diät machen, abnehmen und wieder etwas mehr zunehmen.

Um sich nicht jedes Mal in den gleichen Fallstricken zu verfangen, ist es nützlich zu wissen, was sich bei Danny und den anderen Teilnehmern abspielte. Ein mächtiger Fallstrick nach einer Crash-Diät ist der Umstand, dass das Zusammenspiel zwischen den unterschiedlichen Hirnregionen, die am Halten und Verlieren von Gewicht beteiligt sind, gestört ist. Eine dieser Regionen ist der Hypothalamus, der Hamster in unserem Kopf.

Hirnregionen oder Netzwerke?

Seit der Mensch zu denken vermag, ist das Gehirn für ihn eine Quelle der Inspiration und ein Gegenstand der Forschung. Nur zu sagen, dass das Gehirn ungemein komplex ist, wäre eine ziemliche Untertreibung. Nicht minder wäre es eine Untertreibung zu behaupten, dass wir noch nicht alles über dieses faszinierende Organ wissen. Einige Hirnforscher gehen sogar davon aus, dass wir das Gehirn niemals ganz verstehen werden. Gerade aus diesem Grund und getrieben von dem Wunsch, mehr von ihm zu verstehen, wird heutzutage so viel geforscht. Was natürlich immer wieder zu neuen Entdeckungen und Erkenntnissen führt.

Zu diesen Erkenntnissen gehört das derzeitige Paradigma, dass sich die Funktionen und Aktivitäten des Gehirns nicht eindeutig bestimmten, abgegrenzten Arealen zuordnen lassen. Zwar übernimmt manchmal ein bestimmtes Hirnareal die Führung oder ist bei einer Handlung sogar dominant, doch findet sich immer ein Netzwerk im Nervensystem, in dem mehrere Hirnregionen und der Rest des Nervensystems zusammenarbeiten. Und das in wechselnder Zusammensetzung. Vor allem das limbische System ist eher ein verbindendes Netzwerk als ein separates Hirnareal. Zudem sind Teile des Hypothalamus und des Kortex im limbischen System eingegliedert und es kommt zu einer funktionalen Überschneidung. Der Verständlichkeit halber werden wir hier die Hirnregionen dennoch in schematischer und abstrahierter Form darstellen. Wir werden also davon reden, dass der präfrontale Kortex das eine tut und der Hypothalamus etwas anderes. Dabei geht es uns nicht darum, die Hirnforschung in vergangene Zeiten zurückzuversetzen, wir wollen lediglich möglichst zweckmäßig vorgehen und einen Einblick in dieses Netzwerk ermöglichen.

Der amerikanische Hirnforscher Robert Sapolsky verwendet in seinem Buch Gewalt und Mitgefühl: Die Biologie des menschlichen Verhaltens ein anschauliches Modell von drei Gehirnschichten. Schicht 1 ist die älteste Region im Gehirn, die nicht nur beim Menschen, sondern beispielsweise auch bei allen Wirbeltieren, sogar den Reptilien vorkommt. Sie ist an vielen grundlegenden Steuerungsfunktionen, aber auch an Stressreaktionen beteiligt. Die nicht ganz so alte Schicht 2 bildet eine Schaltzentrale für Emotionen und Gefühle. Wenn diese unangenehm sind, wird Schicht 2 Schicht 1 dazu anregen, entsprechend zu reagieren. Schicht 3 wird als die jüngste Schicht angesehen, sie ist unter anderem für das Denken, Planen und Philosophieren zuständig. Wenn man beispielsweise ein Buch, das man gerade liest, spannend findet, erklärt Sapolsky, gibt das Schicht 3 an Schicht 2 weiter, jene Schicht, in der Angstgefühle entstehen. Schicht 2 wiederum übermittelt diese an Schicht 1, wo es dann zu einer Schreckreaktion kommt. Sapolsky ist sich sehr wohl der Nachteile bewusst, die damit verbunden sind, etwas, das eigentlich ein zusammenhängendes Netzwerk bildet, vereinfacht als abgegrenzte Bereiche darzustellen. Aber er gibt zu bedenken, dass sich dieses Vorgehen gut dafür eignet, über etwas so Komplexes wie das Gehirn strukturiert nachzudenken.

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