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Begegnungen
ОглавлениеIch mag die Menschen. Was nicht heißen soll, dass ich ihnen auch vertraue. Ich vertraue viel mehr dem Prozess der Menschheit. Menschen sind interessante Wesen. Ich mag ihre Geschichten, ihre Hintergründe, die sie zu dem haben werden lassen, wer oder was sie heute sind. Die Tiefgründigen mag ich am liebsten. Die Philosophen, die alles hinterfragen und neue Antworten finden für die längst ausgedienten alten. Ich mag solche, die experimentieren, sich den Stock-im-Arsch nicht geben, für kein Geld der Welt. Das sind meine ganz geheimen Helden. Ronda ist so eine Heldin für mich. Und ihre Wirkung auf mich hat etwas Magisches, Einzigartiges. Ronda steckt voller Ängste und Zweifel, aber trotzdem lässt sie sich ein auf mich, und das soll schon was heißen. Irgendwann werde ich Ronda sagen, das es mich stolz macht, unter den aber Millionen Individuen ausgerechnet ihr begegnet zu sein. Wenn ich es ihr jetzt schon sagen würde, dann glaube ich, würde sie es nicht mehr all zu lange auf ihrem bequemen Stuhl halten, und das sollte es aber noch eine ganze Weile. Trotz allem aber muss ich den Gefühlen in mir Luft machen. Und Ronda sagt mir ja, dass ich hier bei ihr alles, einfach alles sein und tun darf. Das nenne ich authentisch leben.
„Ronda“, sage ich nur, und Ronda ist wie immer ganz bei mir. „Ich habe nur zwei Möglichkeiten. Ich fühle mich dir geistig und seelisch so nah, und ich weiß dass es Liebe ist. Entweder muss ich dich ein Leben lang als Therapeutin vertraglich an mich binden oder ich muss dich heiraten.“ Ronda ist ganz still. Kein einziges Wort will ihr über die Lippen huschen. Dafür erkenne ich in ihrem gesenkten Blick, ihrem hochrot gewordenen Gesicht, dass es ihr nahe geht, das ihr gefällt, was sie soeben gehört hat. Ich finde es spannend, wie Ronda darauf reagiert. Frauen im Allgemeinen sind gerne subtil. Aber ich bin es nicht. Zumindest versuche ich Klartext zu reden, damit der andere immer weiß, woran er bei mir ist. Ich finde das wichtig, denn auf diese Weise entferne ich mögliche Ungereimtheiten schon an der Wurzel. Ich nehme den Wind aus den Segeln, noch bevor ein Sturm mir meinen Mast knicken und mir das Genick brechen kann. Diese Vorsichtsmaßnahme, die ich mir beizeiten habe angedeihen lassen müssen, kann die Menschen schon erschrecken, weil sie mit der Wahrheit oft nicht umzugehen verstehen. „Ronda“, sage ich, um sie ein wenig aus ihrer inneren Verklemmtheit herauszuholen, in die sie ganz plötzlich geraten ist. „Das was ich jetzt sagte, ist was Schönes. Es ist und liegt keine Gefahr darin. Liebe ist einfach.“ Und Ronda stimmt mir leise zu. „Ja, Liebe ist etwas sehr Schönes. Liebe ist nicht gefährlich.“ Und so wie sie es sagt, ist mir klar, dass sich Ronda wie ohnmächtig vor der Liebe fürchtet.
Ronda fasziniert mich immer mehr. Sie hat so viele Fragezeichen, und ich beginne ernsthaft großes Interesse für sie zu entwickeln. Ronda wird nach und nach meinen Wissensdurst stillen müssen. Ich brauche Antworten, um meine Unsicherheiten, die sie mir zu spüren gibt, in Klarheit verwandeln zu können, damit wir uns eines Tages nicht doch verloren gehen. Und davor fürchte ich mich jetzt schon. Denn ich spüre, dass es passieren wird. Und wie ich so dasitze und über Ronda nachdenke, schickt mir Ronda Bilder. Rege bunte Bilder, die mich telepathisch erreichen und mir ist klar, dass mich Ronda scheinbar hören, in irgendeiner Form wahrnehmen kann. Gerade eben beginnt sie sich mir mittzuteilen und sie tut es auf die ihr einzig mögliche Weise, sie beginnt, über ihr Leben zu berichten. Ob Ronda das bewusst ist? Ich glaube nicht, dass sie weiß, welchen Draht wir zueinander haben. Aber irgendwann wird auch ihr das bewusst werden. Dafür werde ich schon sorgen.