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Angst

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Mein Stock-im-Arsch, der meine Bewegungsfreiheit in der Welt da draußen massiv einschränkt, wird mir um ein Stück plausibler.

Die Leute schätzen mich als sehr liebevollen, mutigen, kraftvollen, sehr präsenten Menschen ein. Ronda sagt, das ich so präsent wäre, in allem was ich tue. Das erste, was mir Ronda sagte, als wir uns kennenlernten war, dass ich so voller Liebe wäre. Und ich kann mich an mehrere Momente erinnern, an denen ich gefragt wurde: „Isa, woher hast du nur so viel Liebe?“

Ronda meint, wenn ich einen Raum betrete, bin ich da. Voll und ganz. Es ist interessant wie mich die Leute einschätzen, denn immer wenn sie meine Präsenz sehr stark fühlen können, bin ich aus meinem Körper getreten. Irgendwie finde ich das lustig. Und ich trete nur aus meinem Körper, wenn ich Menschen begegne, die Macht über mich haben, und damit nicht recht umzugehen verstehen. Also jene, die irgendwie in Funktion zu mir stehen, starke Gefühle für mich entwickeln, und diese sehr menschliche Zuneigung allerdings nicht in ihrer Kraft und Stärke zulassen, so wie sie es tatsächlich fühlen und ich es bräuchte. Ronda glaubt ja, dass ich alles kontrollieren muss und auch sie kontrollieren will. Doch Ronda irrt sich gewaltig, wenn sie das glaubt. Sobald ich aus meinem Körper gleite, der mich ja nur eingeschränkt erleben lässt, erfasse ich die Gegebenheiten aus einer größeren Perspektive. Ich erlange sozusagen mehr Klarheit, das macht mich schnell und wendig im Erkennen und Bearbeiten der Dinge. Ich bin dann überaus effektiv in meinen anschließenden Handlungen. Andere Sinne, als die rein körperlichen, zu nützen ist für mich lebensnotwendig. Es ist eine Sprache, die nur wenige Menschen, die ich kenne, beherrschen. Aber ich bin dabei, es anderen zu lernen und das macht riesen Spaß. Während ich also meinen Körper zurücklasse in jenen Momenten, was für Therapeuten mit Sicherheit eine arge Form der Dissoziation und daher Krankheitsbild und Störung darstellt, erlebe ich die Welt neu. Ich erlebe sie ehrlich und freundlich. Ich erkenne die Dinge hinter den Dingen, und die sind nicht immer leicht zu finden und zu verstehen. Ich erlebe Liebe in so hohen Maßen, wie man sie wahrscheinlich in rein körperlicher Form gar nicht oder nur kaum fassen kann. Ich bin also tatsächlich präsenter, liebevoller und aufnahmefähiger, als wenn ich wie von außen gewünscht, ganz und gar in meinem Körper festsitze. Auf diese Weise kontrolliere ich nicht Ronda, sondern ich kontrolliere mich selbst, um meine eigenen Grenzen halten zu können. Ich kontrolliere mich selbst, weil ich Ronda in Momenten, in denen ich ihre tiefe Zuneigung zu mir fühlen kann, nicht mehr vertraue. Weil sie in ihrer Funktion zwiegespalten ist, mitsamt ihren schönen Gefühlen, und genau diese Zwiegespaltenheit, der Zwang, immerzu außerhalb der menschlichen Regung, Funktion ohne Wenn und Aber ausführen zu müssen, lässt mich, mich selbst kontrollieren. Sie würde mich dabei zerstören, endlich natürliche, menschliche Gefühle für mich gänzlich zuzulassen, nur um sie danach der Funktion wegen, den Wölfen zum Fraß vor zu werfen. Denn genau das würde Ronda tun. Und ich weiß das.

Und so komme ich unweigerlich zum Thema Angst.

Ich habe vor nichts Angst. Okay nicht ganz. Ich habe Angst vor Machtmissbrauch bei eingeschränkter Intelligenz und Bewusstheit. Aber das erwähnte ich ja bereits. Und sobald ich Rondas starke Gefühlsregungen spüre, die in Wellen an meine offene Seele schwappen, ziehe ich mich zurück. Derartige Gefühle, nicht ausgesprochene Gefühle zwischen Funktion und Mensch ängstigen mich. Zuordnen lassen sie sich also nur außerhalb meines Körpers und das muss ich seit geraumer Zeit immer wieder bei Ronda tun. Mich ausklinken, um präsent, klar, schnell und liebevoll zu sein.

Zu Hause und bei meinen Freunden, die mich außerordentlich gut kennen, aber vor allem aufrichtig funktionslos lieben, muss ich mich nie ausklinken und bleibe in meinem Körper.

So kam es, dass ich eines Tages und das war der Grund weshalb ich Ronda in ihrer Praxis aufsuchte, erkannte, dass in dieser verkörperten Welt, zu viele Machtmissbrauchende, unbewusst vegetierende, funktionsbeladene Zombies umherschwirren. Die Blutsauger und Untoten, wie ich sie nenne, all jene, die sich meiner nur bemächtigen können, solange ich in meinem Körper verbleibe. Und weil die Menschheit sich nur auf das konzentriert, was greifbar vorhanden ist, gibt es zu viele Opfer, die von der Möglichkeit, andere kraftvollere Lebensweisen anzunehmen nichts wissen und in ihren geknickten Körpern verbleiben.

Gut ich sehe ein, dass ein verlassener Körper ohne geschulte, übersinnliche Fähigkeiten, die den Körper steuern, tatsächlich gefährdet und zu nichts mehr gut zu sein scheint. Doch ich steuere meinen Körper. Ich steuere ihn nur anders. Ich steuere meine Gedanken aus einer höheren Ebene aus, wie von oben, um alle Zutaten zu erkennen und wenn ich alle Zutaten erkennen kann, so weiß ich auch, wozu sie gut sind, wozu ich sie vermischen kann und welcher Kuchen danach herauskommen soll. Eine derartige Außerkörperlichkeit befähigt mich, mein Leben kreativ in die eigenen Hände zu nehmen. Sobald ich gezwungen bin, in meinem Körper zu bleiben, geht die ganze Sache bei mir schief. Es sei denn, ich bin unter gleichgesinnten, liebvollen, bewusst authentisch lebenden Menschen, die Ahnung davon haben, wie ich funktioniere und die Welt aus einer anderen Sicht aus betrachten.

Die Funktionen, die die Menschen besetzen, sind wahrlich nicht das Problem, aber der Mensch dahinter in seiner Unbewusstheit entscheidet in der Ausübung seiner Funktion über andere, und kein Mensch, der unbewusst lebt, kann eine vertrauensvolle Funktion ausführen, ohne dabei anderen Menschen zu schaden. Daran denke ich und bin sofort in Alarmbereitschaft, sobald mir ein Mensch in Funktion und Macht begegnet.

Ronda begegnet mir ein bis zwei Mal die Woche.

Ich würde ihr gerne öfter begegnen, weil ich weiß, dass mein Gefühl zu ihr größer ist als die Angst vor ihrer Funktion. Das wäre meine Chance, so glaube ich. Doch dazu müsste ich Ronda privat sehen. Aber Ronda sieht das gar nicht so. Sie sieht es aus der Sicht ihrer Funktion. Würde sie verstehen was Funktionen in mir anrichten, könnte sie verstehen. Aber ich glaube, dass ich Ronda in ihrer Funktion kündigen werde müssen, wenn ich nicht noch mehr Zerstörung erleben möchte. Denn Ronda müsste etwas tun, das Menschen, die in Funktion zu mir stehen nicht gestattet ist. Und das mit Grund. Nur ich ticke anders. Ich brauche Rondas Nein zu herkömmlichen Regeln. Und dieses Nein werde ich nicht kriegen. Rondas Stock-im-Arsch sitzt manches Mal wirklich unglaublich fest. Das finde ich unglaublich schade, denn Rondas Arsch finde ich verdammt sexy.

Und weil die Welt voll ist mit vorgeschobener Funktionalisierung, vor denen ich Angst habe, habe ich vor der Welt Angst. Vor jedem Job mit Chef klinke ich mich weg. Auf und davon. In jeder Behörde bin ich ein wandelndes Gespenst.

ABSTINENZ

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