Читать книгу ABSTINENZ - E. W. Schreiber - Страница 9
Orale Phase
ОглавлениеIch stehe zu meinen Eigenheiten. Und eine davon ist die, dass wann immer ich etwas Wunderbares rieche, ich es danach sogleich in den Mund stecken muss. Ich muss wissen ob das Objekt meiner Begierde auch so schmeckt wie es riecht. Und dabei ist es mir völlig egal wie groß oder klein die Sache ist, die ich mir in meine Mundhöhle schiebe. Ich habe schon fast alles gekostet. Zumindest alles was mich irgendwie geruchlich antörnte. Abtörnende Dinge nehme ich nicht in den Mund, ich will nichts Abtörnendes in mir haben. Das wäre als würde ich mir freiwillig den nächsten Stock in den Arsch stecken. Und ich will mich ja bewegen, möchte rund sein. In meiner Experimentierfreude beim Kosten und Schmecken kann es aber schon mal vorkommen, dass mich mein Geruchssinn in die falsche Richtung drängt und mir dabei speiübel wird.
Seife essen war ein Unternehmen, das ich mir so schnell nicht abgewöhnen konnte, denn Seife riecht nun mal unterschiedlich gut. Die überschäumende Angelegenheit, welche nach genüsslichem Kauen wie eine gefährlich anmutende Krankheit aus meinem Mund quoll, hielt mich niemals davon ab, bei der nächsten erneut ein Stück abzubeißen. Irgendwann bemerkte ich jedoch, dass ich mit dem Lecken mehr erreichen konnte und verbrachte meine Seifenexperimente weniger schmatzend als genussvoll leckend.
Genauso gestaltete sich dann meine heiße Affäre mit dem schmiedeeisernen Verandagitter, das vor unserer Haustüre angebracht war. Im Winter lag immerzu eine glänzende Schicht Frost darauf, was sehr schön und manierlich aussah. Und da der beginnende Winter, der ins Land zog, auch immer eine gewisse Andersartigkeit an Gerüchen mitbrachte, musste ich ihn kosten, den Frost auf dem Stiegengeländer. Genüsslich also versuchte ich von ganz oben bis nach ganz unten zu lecken. Und als schließlich meines heißen Atems wegen meine Zunge an dem Geländer festklebte, wusste ich, dass leckende Bewegungen gefährlich sein konnten. Und wenn ich nicht solches Glück dabei gehabt hätte, und mich einer meiner Brüder, und ich hatte über fünfzehn davon, Mama mit einem heißen Schwamm, mit dem sie meine Zunge betupfte, damit sie sich endlich wieder löste, zu Hilfe gerufen hätte, würde ich heute ohne Schlecker dastehen, des Geländers wegen, das mir mein bestes Stück beinahe aus der Mundhöhle gerissen hätte.
Ich weiß nicht wie viel Haushaltsgeld meine Mama alleine für Labello und Cremen ausgeben musste, nur um irgendwann händeringend zu entdecken, dass ich der Vielfraß war, der sich an ihren Toiletteartikel vergriffen und sie für meinen Leckzwang zweckentfremdet hatte. Von diesem Tag an war ich vorsichtiger damit, keine Zahnabdrucke mehr auf ihren teuren Sachen zu hinterlassen, um mich nicht wieder zu verraten.
Etwas schwieriger wird es nur, meinen Leckzwang zu zügeln, wenn meine feine Nase die Fährte eines Menschen aufnimmt.
Mein Exmann hatte keine so rechte Freude mit mir, wenn ich ihn ableckte, überall dort wo er gut roch. Männer, so fand ich sehr bald heraus, wollen geknabbert, der eine oder andere sogar gebissen, aber vor allem wollen allesamt geblasen werden.
Also mein Ding war das ja nicht gerade, aber wie ich schon sagte, ich hatte mich wie so viele andere Frauen auch hierbei den Wünschen und Anliegen der Männer angepasst.
Was mich immer schon besonders beschäftigte und mir nach wie vor immens wichtig ist, ist meine Eigenheiten, mir meinen Arsch von weiteren Stöcken freizuhalten, und dazu musste ich experimentieren, um herauszufinden was mir gut tut.
Mit den Frauen tat ich mir da viel leichter. Und ich glaube, nein ich weiß, dass ich mit ihnen, aber auch sie mit mir, regelrecht den Jackpot abgeschossen haben. Und das machte meine Eigenheit, alles zu lecken, was gut war, zu etwas Rundem und zu etwas ganz Besonderem.
Und nachdem Rondas Duft das erste Mal durch meine Nasenhöhle kroch, mich betörte, wie mich nur selten zuvor etwas betörte, war mir die Unvermeidbarkeit, meiner Sehnsucht Einhalt zu gebieten, nur all zu bewusst, Ronda meine Geschmackspapillen vorenthalten zu müssen. Und mein Gott, ich wüsste nur zu gerne wie Ronda schmeckt, um herauszufinden ob ihr Duft nur ein Fake ist. Aber ich kann verstehen, dass ich nicht alles haben kann.
Und wenn Ronda meint, Zwänge wären ungesund, so muss ich doch zufrieden feststellen, dass dies immer im Auge des Betrachters liegt.
Ronda provoziert mich, genau diese animalischen Anteile in mir hervortreten zu lassen. Was heißt lassen? Sie zieht sie mit dicken Seilen geradezu aus mir heraus. Ich glaube, dass Ronda genau das in mir sehen will. Sicher aus therapeutischem Interesse, aber viel mehr noch, so glaube ich zu fühlen, treibt sie ein persönlich gesteuerter Impuls, ihre eigenen, sich aufdrängenden Anteile zu finden. Direkt durch mich hindurch. Und wenn Therapie bis zu einem gewissen Grad zwischen Klientin und Therapeutin befruchtend sein kann … Oh Mann, wie sich das schon anhört … die Therapeutensprache ist wirklich gewöhnungsbedürftig, so muss ich feststellen, dass ich es gerne sehen würde, wenn Ronda und ich uns gegenseitig befruchten und dadurch gemeinsam runder werden.