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7. Bekanntschaft mit Dennis Wilson

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Etwa um diese Zeit entdeckte die Family den ganz großen Rock 'n' Roll. Ein Teil der Gruppe zog in ein luxuriöses Anwesen am Sunset-Boulevard, das dem Beach Boy Dennis Wilson gehörte. Die zu jener Zeit ungeheuer erfolgreiche Gesangsgruppe hatte weltweit bereits zehn Millionen Platten verkauft. Ihr wunderschöner Song »Good Vibrations« von 1967 hatte die Stimmung jener Zeit mitgeprägt.

Wilson, Schlagzeuger und Sänger der Beach Boys, lebte auf einem 12.000 Quadratmeter großen Anwesen unter der Anschrift 14400 Sunset-Boulevard. Der Swimmingpool inmitten der gepflegten Grünanlagen soll die Umrisse des Staates Kalifornien gehabt haben. Das holzgetäfelte Haus diente einst Will Rogers als Jagdhütte.

Wilson hatte zwei Manson-Jüngerinnen beim Trampen aufgelesen: Patricia Krenwinkel und Yeller alias Ella Bailey, jene Garbo-Schönheit, die im vergangenen Herbst zusammen mit Susan Atkins im schwarzen Bus San Francisco verlassen hatte. Für ein paar Stunden nahm er die beiden Mädchen mit in sein Haus und als er gegen drei Uhr morgens von einer Aufnahmesession heimkam, stellte er fest, dass draußen der schwarze Bus der Holywood Productions parkte. Drinnen, in seinem Wohnzimmer, fand er Manson und etwa zwanzig halbwüchsige, einander liebkosende Mädchen vor. Es entwickelte sich eine Freundschaft, und Mansons Gruppe schnorrte sich über viele Monate auf Wilsons Kosten durch und machte ihn um etwa 100.000 Dollar ärmer.

Am Sunset-Boulevard knüpfte Manson Kontakte in der ruhelosen Welt erfolgreicher Rockmusiker und setzte seine Abenteuer in den eng verzahnten Kreisen heranwachsender Söhne und Töchter von Prominenten der Film- und Musikindustrie fort. Für Soziopathen war es das Paradies. Wie eine Wünschelrute steuerte der kleine Hypnose-Besessene zwei amerikanische Symbole an:

A) die Beach Boys – Amerikas perfekte Vokalgruppe mit ihren klaren, hervorragenden, hohen Harmonien und ihren ungeheuer populären Liedern über Wellenreiten, frisierte Autos, positive Vibrationen und Spaß – und

B) Terry Melcher – Sohn der ausgezeichneten Sängerin (»Que Sera Sera«) und begnadeten Schauspielerin Doris Day, die in der Öffentlichkeit das Bild der koketten Jungfrau verkörperte.

Terry Melcher wurde am 8. Februar 1942 als Terry Jordan geboren. Doris Day sang zu jener Zeit mit Les Brown und seiner Band Renown und war mit dem Musiker Al Jordan verheiratet. Nachdem sich Terrys Eltern hatten scheiden lassen, wurde Terry von seiner Großmutter mütterlicherseits in Cincinnati großgezogen.

Doris Days dritter Mann, Marty Melcher, adoptierte den Jungen. Terry besuchte die Beverly Hills School und ging dann für ein Jahr auf die Preparatory School in Clayton, Missouri. Er versuchte sich selbst als Sänger, doch gab er nach kurzer Zeit auf und wurde stattdessen Produzent für Columbia Records. Melcher produzierte die ersten zwei Alben der Byrds, auf denen sich klassische Songs der Sechziger wie Pete Seegers »Turn, Turn, Turn« und eine ausgezeichnete, klar fließende Version von Bob Dylans »Tambourine Man« finden. Später machte Melcher Aufnahmen mit dem hochgejubelten Paul Revere und den Raiders, einer Gruppe aus Washington, die gegen Ende des Jahrzents recht erfolgreich war.

Im Jahre 1966 mietete er ein abgelegenes Haus in Los Angeles, 10050 Cielo Drive, wo er mit der Schauspielerin Candice Bergen lebte, als er im Sommer 1968 Manson in Dennis Wilsons Haus kennenlernte. Melchers Stiefvater Martin war im April 1968 gestorben, und Terry war als Miterbe des Vermögens eingesetzt worden; er befand sich plötzlich im Besitz von Hotels, Erdölfirmen und Grundstücken, die auf dem Papier zwar eine Menge wert waren, sich geschäftlich aber in einem chaotischen Zustand befanden. Hinzu kamen die Einnahmen aus den damals anlaufenden Comedy-Serien seiner Mutter für CBS sowie aus mehreren Musikverlagen und TV-Unternehmungen. Während also Melcher monatelang den größten Teil seiner Zeit damit zubrachte, Ordnung in die geschäftlichen Angelegenheiten seines Stiefvaters zu bringen, bemühte sich zugleich Manson hartnäckig um seine Unterstützung bei dem Versuch, ein Star zu werden.

Manson lernte auch Gregg Jakobson kennen, einen bei Melcher angestellten Songschreiber und Talentsucher. Jakobson sollte sich mit der Family eng befreunden. Mehrere Male machte er Gesangsaufnahmen mit Manson, und er war über lange Zeit hin in alle Angelegenheiten der Family eingeweiht, zumindest in die nicht-mörderischen ...

Manson sang, als Melcher ihm und den Mädchen zum ersten Mal begegnete. Manson besuchte ihn mehrmals und gelegentlich borgte er sich auch seinen Jaguar. Bei einer Gelegenheit, als Melcher Dennis Wilson besuchte, fuhren Dennis und Gregg ihn heim zum Cielo Drive, und Manson saß hinten im Rolls-Royce und sang zur Gitarre.

Dean Morehouse traf in Los Angeles ein – offenbar war der weißhaarige Ex-Geistliche immer noch bemüht, seine vierzehnjährige Blumentochter Ruth Ann zurückzugewinnen. Er suchte Hilfe bei Leuten in Wilsons Residenz, doch ohne Erfolg. Irgendwie endete es damit, dass er schließlich mit der Family auf Wilsons Besitz zusammenlebte. Morehouse wohnte im Gästehaus und ließ sich offenbar von Manson und Dennis Wilson als Gärtner und als Hausmeister beschäftigen.

Der Rest der Morehouse-Story ist LSD: Dean wurde der Ergebenste von Charlies okkulten Wechselbälgern. Und dennoch wurde er für Manson zu kriecherischen Quelle der Peinlichkeit, denn unter LSD kam Morehouse selbst auf den Ich-bin-Jesus-Trip. Und wie viele Heilande kann ein Kult vertragen? Morehouse ging dazu über, täglich Stoff zu schlucken; er ließ sein schütteres weißes Haar lang wachsen und erklärte, Christus und der Teufel in einer Person zu sein, während er sich auf den Partys dieses Sommers, die bei Melcher und Wilson gefeiert wurde, zudröhnte.

Ein solcher Lysergsäure-Apostel war Dean, dass er einmal seiner Frau (es war in den Bergen, bevor er sich von ihr trennte) heimlich ein paar Tabletten in den Orangensaft tat und sie dann in der Wildnis ihrem Trip überließ. Danke schön, Dean!

Morehouse brachte einen jungen Mann aus Texas mit, Brooks Posten, einen Musiker, der später zur Family-Legende beitragen sollte, weil er sich auf Kommando in Trance versetzen konnte. Er verehrte Manson die Kreditkarte seiner Mutter, die auf den Reisen der Family im Jahre 1968 ausgiebig benutzt werden sollte.

Auch Posten verfiel ziemlich schnell dem Glauben, Manson sei Jesus. Er blieb den größten Teil des Sommers über in Wilsons Haus bei der Family und half Dean Morehouse beim »Gärtnern«.

Mansons größtes Wunderwerk war jedoch die Verwandlung des Charles Denton »Tex« Watson.

Als die Family Watson im Frühling 1968 in Dennis Wilsons Haus kennengelernt hatte, war er eine Art Playboy, der mit einer Stewardess aus Chicago zusammen war. Die Family war stolz darauf, dass sie Tex Watson, der bis heute in Texas einen Rekord im Hürdenlauf hält, verändern konnte: er kleidete sich scharf, er sah scharf aus, er hatte einen Perückenladen, er lebte im Jetzt. Bald schon sollte er Charlies »Jetzt« werden.

Tex Watson wurde am 2. Dezember 1946 im texanischen Copeville geboren. Er führte das normale Leben eines Jungen, der im Baumwollgebiet des tiefen Texas aufwuchs. Leute in Copeville erinnern sich daran, wie er auf seinem Fahrrad herumfuhr, wie er auf den Baumwollfeldern arbeitete, wie er seinem Vater in dem Geschäft der Familie, einer Lebensmittelhandlung und einer Tankstelle half. Sie konnten nicht glauben, dass aus ihm ein Mörder geworden war.

Auf der High-School in Farmersville, Texas, wo er ein Ass im Hürdenlauf und ein großartiger Läufer war, trug er die Haare glatt nach hinten zum Entenschwanz gekämmt.

Einige Jahre lang besuchte er das North Texas State College, wo er Betriebswirtschaft studierte und einer Studentenverbindung angehörte. Durch und durch ein Amerikaner.

Nach 1966 ließ Watson das College sausen und Anfang 1967 zog er nach Los Angeles, wo er zunächst für etwa ein Semester erneut aufs College ging. Dann flippte er ein zweites Mal aus. Er wohnte am Glendale-Boulevard, in der Wonderland Road, in Dracena und North Larrabee – eine Straße, berühmt für ihre Dealer.

Bevor er Manson begegnete, hatte er angefangen mit Perücken zu handeln und am Ende des Benedict-Canyon einen Laden eröffnet, den er Crown Wig Creations Ltd. nannte und gemeinsam mit einem Freund aus Denton, Texas betrieb. Der Laden lag in der Nähe von Beverly Hills, am Santa Monica-Boulevard Nr. 9499.

Als er Manson kennenlernte, lebte Watson offenbar in einem Strandhaus, 18162 Pacific Coast Highway. Er fuhr einen schicken 1935er Dodge-Pickup.

Unter drei Milliarden Möglichkeiten suchte sich Watson die aus, Charlie zu werden. »Ich bin Charlie und Charlie ist ich«, war eine seiner Losungen. Später sollte Watson aussagen, er habe tatsächlich geglaubt, Charlie zu sein. Er benutzte sogar Mansons Namen. Einmal unterschrieb er die Quittung einer Tankrechnung auf Terry Melchers Kreditkarte mit Charlies Namen.

Tests im Neuropsychiatrischen Institut der University of Southern California haben gezeigt, dass Watsons Intelligenzquotient während seines Trips in Mansons Leere um dreißig Punkte gesunken war – wahrscheinlich die Folge von Drogen wie Stechapfel und Tollkirsche. Wenn das Pentagon oder der Kreml Mansons Geheimnis je auf eine Formel zu bringen verstünde, wäre es um die Welt schlecht bestellt.

Für Manson war Wilsons Haus eine prima Adresse für den Bewährungshelfer. Noch lange, nachdem er dort ausgezogen war, gab Manson für seinen Ausweis die Adresse am Sunset-Boulevard an.

Manson aalte sich geradezu in seinem Jesus-Image – er küsste Füße und verhieß Unsterblichkeit wie noch nie. »Bist du bereit zu sterben?«, pflegte er zu fragen, und wenn die Antwort »Ja« lautete, sagte er: »Dann wirst du ewig leben.«

Immer spürte er irgendwelche Pennplätze auf. So schickte er zum Beispiel Squeaky mit einer Wagenladung müder Penner in den Topanga-Canyon oder zur Spahn-Ranch, damit sie dort übernachten konnten.

Wilson besaß die standesgemäße Ausstattung eines Rockstars: zwei Ferraris, einen Rolls-Royce, ein Haus im Benedict-Canyon, großartige Rockstar-Klamotten, ein mit Radar ausgerüstetes Boot. Er war reich, zumindest auf dem Papier, obwohl das Jahr 1968 beträchtliche Unruhen im vibrierenden Reich der Beach Boys mit sich brachte, die große Schwierigkeiten hatten, weitere Hits wie »Good Vibrations«, »Sloop John B« oder »California Girls« zustande zu bringen.

Die Mädchen machten sich im Rolls-Royce auf dieJagd nach Lebensmittelabfällen. Es muss reichlich schräg ausgesehen haben, wenn sie hinterm Supermarkt die weggeworfenen Lebensmittel aus den Mülltonnen holten und auf dem Rücksitz verstauten.

Aber Wilson ließ es geschehen. Einmal nahm er in jenem Sommer Snake, Lynette und Ouisch mit, als die Beach Boys bei einem Musikfestival in Colorado auftraten. Manson brachte eines Tages Robert Beausoleil zum Schwimmen in Wilsons fürstlichem Swimmingpool mit; sie waren sich im Topanga-Canyon zufällig begegnet.

Und es war in jenem Frühling und Sommer ein Herumgeficke in dem Hause Will Rogers, als ob das Ende der Welt bevorstehe (oder ihr Anfang). Dank Empfängnisverhütung und vorher nie gekannter Anwendung ihrer verfassungsgemäßen Bürgerrechte erkundeten die jungen Frauen der sechziger Jahre besonders in Kalifornien mit grimmiger Hingabe die sexversessene und psychedelische Rock 'n' Roll-Szene. Mit einer vergleichbaren Heftigkeit schmiss sich auch die Manson-Familie in die Orgien am Sunset-Boulevard. In seiner Autobiografie beschreibt Family-Mitglied Paul Watkins, wie Manson »Orgienkontingente« zu Dennis Wilsons Haus entsandte. Selbst an den Standards ihrer Zeit gemessen, ging dies perverse Rudel viel zu weit. Watkins schildert, wie er Manson auf dessen Befehl hin vor aller Augen einen blasen musste. Die Frauen der Family – so Watkins – trieben es miteinander und verschreckten Wilsons Gäste mit Bi-Schlabbereien und ungehemmten Liebesspielen. Eine von Mansons unmöglichen Vorgaben war es, dass jeder Teilnehmer einer Orgie zum Höhepunkt kommen müsse. Watkins erinnert sich auch an eine andere Praktik, bei der es die berühmten und weniger berühmten Gäste im Hause Wilson vor Widerwillen und Nicht-mitmachen-wollen geschüttelt haben dürfte. Teil der Prozedur war es, sich vorzubeugen und der Gruppe das eigene Arschloch darzubieten – eher unwahrscheinlich, dass dies großen Anklang unter den sauberen, schick frisierten und schnieke gekleideten Ruhmessüchtigen fand, die sich im Hause des Typen eingefunden hatten, der auf »Little Deuce Coupe« Schlagzeug spielte.

Es war eine regelrechte Heuschreckenszenerie, was Wilsons persönliche Habe betraf, denn die Family schaffte es, einen beträchtlichen Teil von Wilsons damaligem Reichtum innerhalb von zwei bis drei Monaten zu verpulvern. Aber es war das Jahr des Maharishi und der transzendentalen Meditation, und so strebte Wilson es offenbar an, Mansons endzeitlichem Gleichmut gegenüber allem Materiellen nachzufolgen, bis schließlich selbst vorübergehend ein Leben in »Armut« führen sollte, nämlich als er in jenem Herbst in ein armseliges Ein-Zimmer-Kellerapartment in Gregg Jakobsons Haus am North Beverly Glen-Drive zog.

Im Sommer 1968, auf Wilsons Besitz, wurde zum ersten Mal offenbar, dass Manson irgendwelche Schwierigkeiten mit der Prostata hatte. Teil der schon damals von der Family eifrig betriebenen Legendenbildung war die Behauptung, dass Charlie siebenmal am Tag Geschlechtsverkehr habe: einmal vor und nach jeder Mahlzeit und einmal während der Nacht, wenn die Lust ihn überkam und er davon aufwachte. Jedes neue Mädchen erlebte mit Manson eine intensive, mehrstündige Liebes-Session, zu der die Stell-dir-mich-als-deinen-Vater-vor-Masche und eine Menge Perversionen gehörten. Perversion war das, was die Musikszene in Los Angeles sich zum Frühstück servieren ließ. Die Sache muss sich herumgesprochen haben. Man könnte es als ein Erschöpfungsgefummel bezeichnen. Anscheinend hatte Charles das Gefühl, dass der Sex erst nach drei oder vier Stunden richtig gut wurde – wenn die Frau »aufgab«, völlig ihr Ego verlor, dann war es ein Akt der Seele. Und das stimmte. Unter den vielen Aussagen von Frauen im Gebiet Los Angeles gab es nur eine einzige, die behauptete, Manson habe mit der Zeit auf sexuellem Gebiet nachgelassen.

Die meisten Mädchen hielten Manson für sehr jung, vielleicht Anfang Zwanzig. Charlie war das gerade recht, denn im wesentlichen stand er auf präpubertäre Mädchen. Sie konnten gar nicht jung genug sein.

Aber nicht alle täuschte er. Wenn man sein Gesicht von Nahem betrachtete, ließ es den beginnenden Alterungsprozess erkennen. »Sein Gesicht wirkte sehr jung, aber aus der Nähe war es runzlig«, erinnert sich eine seiner Freundin von 1969.

The Family (Deutsche Edition)

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