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13. Der Hunger nach Ruhm
ОглавлениеManson war im Gefängnis von dem berühmten Gangster Alvin Karpis an der Slide-Gitarre unterrichtet worden und hungerte nach irgendeiner Art von Ruhm. Er konnte eine Melodie halten und, wenn er seine Songs vortrug, brachte er es annähernd auf Popniveau. Sehnte er sich nach dem Jubel der Massen in vollgepackten Stadien? Vielleicht, aber zumindest für den Anfang wäre er wahrscheinlich schon mit ein paar bezahlten Gigs im Umkreis der floriererenden Folk-Rock-Clubs von 1967 und '68 gewesen. Ein Teil der Verlockung für seine junge Anhängerschaft war sein Hunger, seine Musik zu den Massen zu bringen. Ein Teil seiner wandelbaren Psyche wollte also Plattenverträge, Massenverkäufe, Filmdeals und die Bekanntschaft wichtiger Plattenproduzenten und einflussreicher Musikgrößen. Gleichzeitig hatte er den hochgradigen Willen zu versagen, so wie es wohl jemandem anstand, der aus dem verarmten Hügeln West Virginias stammte und sich sein Grundwissen im Knast zugelegt hatte.
Kaum jemand – eigentlich niemand – gab in den Jahren danach offen zu, dass er 1967 bis 1969, in jener Phase von Flower-Power, Folk, Acid-Rock, Kommunen und »freier Liebe«, etwas mit Manson und seiner Family zu tun gehabt hätte. Doch er war dabei, vor allem zwischen Ende 1967 und dem Frühjahr 1969, in den anderthalb Jahren, in denen er herumhing, seinen Willen voranschob, seine Songs sang und nach seinem Anteil der Herrlichkeit hungerte.
Ruhm zieht es zu Ruhm, und indem sich Manson an den Schlagzeuger einer der weltberühmtesten Popbands hängte, erlangte er zugleich Zugang zu anderen Stars jener Ära. Wie jede andere Szene auch, wirkte auch diese von außen her betrachtet viel organisierter, magischer und effizienter als es sich darstellte, wenn man sie von innen mitbekam. Manson hatte ein Auge für verborgene Defizite und machte sich die Schwäche und Unentschiedenheit zunutze, die er bei den Beach Boys feststellte, einer Band, die genau zu der Zeit in der Krise steckte, ganz oben an der Spitze einer wankenden Leiter stand, deren Sprossen mit empordrängenden jungen Männern vollgepackt war, die alle im Radio gespielt werden wollten.
Die Popmusik der Jahre 1967 und 1968 war auf jeden Fall von bemerkenswerter Genialität, vor allem in Genres wie Folk-Rock und Psychedelic-Rock. Es war eine Epoche, in der amerikanische und englische elektrische Musik die qualitative Höhe des Kunst-Liedes erklommen. Ein Popsong wie »Surf's Up« von Brian Wilson zum Beispiel wurde von dem Komponisten Leonard Bernstein für eines der besten Lieder des Jahrzehnts gehalten.
Es war eine verwickelte Angelegenheit, aber Manson und seine Family waren, für ein paar Monate, ganz nahe am Zentrum des Geschehens. Es war eine hektische Szenerie, in der Bands auftauchten, ein Stück vom Ruhm und Erfolg schnupperten, und dann schnell auseinanderbrachen, indem die einzelnen Mitglieder sich zu neuen Gruppen zusammentaten.
Manson hatte sogar ein wenig Zugang zu dem eingezäunten und bewachten Viertel von Bel Air, Heimat des ultrarechten Ex-Generals Curtis LeMay und des prominenten Erfinders Jack Ryan und seiner Frau Zsa Zsa Gabor. Bel Air wurde auch Heimat für eine kleine Schar sehr erfolgreicher Rockstars, die in die Villen ehemaliger Filmstars zogen oder – in einem Fall – in die vormalige Villa eines berühmten Schriftstellers.
Brian Wilson bezog mit Frau und Familie die ehemalige Villa von Edgar Rice Burroughs, dem Schöpfer von Tarzan. Das Anwesen verfügte über ein Tonstudio, in dem die Beach Boys 1968 ein Album aufnahmen, und einen Pool, in dem – Candice Bergen zufolge – später Delphine gehalten werden sollten.
Ein eigenes Tonstudio kann dich vor riesigen Studiokosten bewahren. So manche Band, hat niemals Tantiemen für ihre Platten gesehen, selbst wenn sie einen Hit gelandet hatten, weil alles mit den Studiokosten verrechnet wurden.
Für Brian Wilson – wie auch beispielsweise für Frank Zappa – war es deshalb also nicht nur musikalisch, sondern auch ökonomisch überaus sinnvoll, ein eigenes Studio zu haben.
John Phillips und seine Frau Michelle von der Gruppe The Mamas & The Papas hatten im Frühjahr 1967 ein Haus im englischen Tudor-Stil an der Adresse 783 Bel Air Road erworben, das früher der Schauspielerin und Sängerin Jeanette MacDonald und ihren Mann Gene Raymond gehört hatte. Zsa Zsa Gabor lebte ein wenig weiter an derselben Straße. The Mamas & The Papas hatten eine Serie von sieben aufeinanderfolgenden Hitsingles. Auch John richtete im neuen Haus eine Tonstudio ein.
Terry Melcher, den Manson bei Dennis Wilson kennengelernt hatte, war sowohl mit Brian Wilson und seiner Frau, wie auch mit Michelle und John Phillips gut bekannt. Melcher war musikalischer Direktor des Monterey Pop Festivals von 1967 gewesen, dessen Filmfassung ein beeindruckendes Zeugnis für die Kraft der neuen Musik, insbesondere des jungen Gitarrengenies Jimi Hendix, ablegte.
John Phillips und Melcher wollten gemeinsam eine Produktionsfirma auf die Beine stellen. Michelle Phillips erinnert sich in ihrer Autobiografie an ein Treffen von John Phillips, Terry Melcher und Lou Adler, dem eine Plattengesellschaft gehörte, bei dem »sie planten, eine Gesellschaft namens MAP – Melcher, Adams, Phillips – zu gründen«. Offensichtlich handelte es sich um ein Projekt zur Musikproduktion.
In der Zwischenzeit bedrohte ein Mangel an Songs den Fluss des Geldes.
Ein Rockstar zu sein ist ein bisschen wie am Rand einer Klippe zu stehen. Keine neuen Songs zu bringen, nicht gut genug auf der Bühne spielen zu können, keine Hits einzuspielen, nicht einmal für eine Single – all das kann die grausame Laune des Rockschicksals dazu verleiten, den Star in den Abgrund zu schubsen. In welchen Abgrund? In den Abgrund, der zu den verborgenen Felszacken der Null-Verkaufs-Bucht führt. Andere Felsen unterhalb der Klippe des Rockstars heißen Null-Songs.
Michelle Phillips erinnert sich, wie The Mamas & The Papas am Ende ihrer zasterspendenden Serie von sieben aufeinanderfolgenden Hits auf der Sandbank zwischen den Riffen der Null-Songs strandeten. »Uns waren die Ideen ausgegangen«, schreibt sie in ihrer Autobiografie, und während die Beatles, Mia Farrow, Mike Love usw. das Frühjahr 1968 beim Maharishi verbrachten, spielten The Mamas & The Papas in John Phillips Heimstudio im Tarzan-Anwesen von Bel Air ihr viertes und letztes Album ein. Danach lösten sie sich auf.
Die Beach Boys hatten bei Capitol ihr eigenes Sublabel Brothers Records aufgemacht und eine ihrer Bedingungen war, dass jedes einzelne Bandmitglied neue Künstler anwerben und aufnehmen lassen konnte. So kam es schließlich, dass Dennis Wilson mit Charles Manson im Büro der Beach Boys im New-Ivar-Viertel von L.A. auftauchte und ihn jedermann vorstellte.
Auch die Beach Boys litten an einem Mangel an Songs, ein Umstand, der in späteren Jahren Gegenstand vieler Spekulationen sein sollte. Was immer die Ursache war, sie hatten jedenfalls keinen einzigen aufnahmefähigen Song mehr auf Lager, der sich mit »Sloop John B« oder »Good Vibrations« hätte messen lassen können. Infolgedessen hatte selbst ein unterklassiger Musiker wie Charlie Manson die Chance, auf dem Album einer Band zu enden, die unter der Null-Songs-Seuche litt.
Es war irgendwann im Sommer 1968, dass Manson seine Songs in dem Tonstudio von Beach Boys-Chef Brian Wilson in der Bellagio Road aufnehmen ließ. Man hatte vereinbarte, dass Manson seine Songs nachts aufnehmen sollte und offenbar brachte er dann ein halbes Dutzend Mädchen mit zu den Sessions, die sich über zwei oder drei Nächte erstreckten, und bei denen sechs oder acht Songs eingespielt wurden.
Brians Frau Marilyn war von Manson und seinen Femmes Fatales wenig begeistert. Sie befürchtete, ihre Kinder könnten sich mit irgendwelchen Krankheiten anstecken und desinfizierte jedes Mal, nachdem der Tross wieder abgefahren war, gründlich das Badezimmer.
Um diese Zeit machte Manson Hollywood mit seinem Messertick bekannt. Gregg Jakobson erinnert sich daran, wie Manson ein Messer gegen Wilson richtete, ihm die Klinge an die Kehle setzte und sagte: »Was würdest du tun, wenn ich dich jetzt töte?« Wilson soll achselzuckend geantwortet haben: »Tu's doch!«, woraufhin Manson das Messer sinken ließ.
Stephen Despar, ein Elektronikbastler, hatte das mit allem Drum und Dran ausgestattete Studio der Beach Boys in Brian Wilsons Haus eingerichtet. Auf dem Album 20/20, das die Beach Boys im Sommer und Herbst 1968 aufnahmen, wird er als Produzent aufgeführt. Bei den Aufnahmen mit Manson arbeitete er als Techniker mit und wurde ebenfalls Zeuge von dessen Messertick. Ständig ließ Manson eine Klinge aufblitzen und fuchtelte beim Reden damit herum. Despar setzte sich mit dem Manager der Beach Boys in Verbindung, und weitere Sessions wurden abgesagt.
Eine Freundin von Dennis Wilson, ein sehr junges Mädchen namens gerade, erzählte, dass Manson einmal in dem Will-Rogers-Haus am Sunset-Boulevard 14400 auftauchte, nach Dennis fragte und sich dann an sie heranmachte. Sie lehnte ab, worauf er ein Messer herausholte und sagte: »Du weißt, dass ich dich in kleine Stücke hacken könnte.« Sie rannte aus dem Haus, lief die Straße hinunter bis zum Coast Highway und kehrte dann zurück, um sich ihm mutig entgegenzustellen. Manson steckte das Messer ein und verschwand. Erst später wurde ihr klar, wie nahe die Schicksalsgöttinnen Clotho, Lachesis und Atropos an diesem Tag daran gewesen sein müssen, ihren Schicksalsfaden zu kappen.
Der Ausdruck »Problem bei der Aggressionsbewältigung« lag da noch Jahrzehnte weit entfernt in einer Zukunft psychotherapeutische Schwatzhaftigkeit.
Die Beach Boys litten, wie das bei vielen Rockgruppen vorkommt, unter internen Streitigkeiten, und Manson behauptet, er habe einen philosophischen Song für sie geschrieben, um die Zerwürfnisse zu heilen. Dieser Song erhielt, man glaube es oder nicht, den Titel »Cease to Exist« (Hör auf zu sein) und kam in einer bearbeiteten Version auf das Album 20/20, an dem die Beach Boys damals arbeiteten. Bezeichnenderweise wurde dieser Song später zu einem Lieblingslied der Family und als der Autor dieses Buches der Family 1970 zum ersten Mal begegnete, sang Gipsy dieses Lied.
Tex Watson scheint derjenige gewesen zu sein, der im Sommer 1968 in Terry Melchers Haus herumlungerte. Tex und der Ex-Pfarrer Dean Morehouse, der auf den Partys in Melchers Haus als »Dirty Old Man« eine bekannte Figur war.
Manson sagt, er sei ungefähr fünfmal in dem Haus am Cielo-Drive gewesen und häufig mit Melchers Jaguar durch die Gegend gefahren.
Rudy Altobelli, Besitzer von Melchers Haus am Cielo-Drive Nr. 10050, war ein erfolgreicher Manager im Showgeschäft. Im Manson-Prozess sagte er später aus, dass sich Terry und Gregg Jakobson immer wieder über Manson und seine Philosophie unterhalten hätten. Die beiden wollten Manson gern mit Altobelli bekannt machen, vielleicht weil sie glaubten, Altobelli könnte Charlie zu einer Karriere verhelfen. Im Sommer lernte Altobelli Manson schließlich auf einer Party in Wilsons Residenz am Sunset-Boulevard kennen und hörte sich ein Band mit Gesangsaufnahmen von Charlie an.
»Sie haben mich bei vielen Gelegenheiten auf Manson aufmerksam gemacht. Sie wollten, dass Dean zu mir kam und mit mir redete.« Aber Altobelli erklärte Gregg, Dennis und Terry, er habe nicht die Absicht, sich von Manson und seiner Gruppe Philosophieunterricht geben zu lassen. »Immer wieder erzählten sie mir von seiner Philosophie und seiner Lebensweise und wie fabelhaft das doch sei.« Aber Altobelli ging nicht darauf ein, und er legte keinen Wert darauf, Manson und seine Horde zu managen.
Auch an John Phillips von The Mamas & The Papas wandte man sich. Er berichtet: »Terry Melcher und Dennis Wilson und die Leute, die mit Manson in Dennis Wilsons Haus lebten, riefen mich ständig an und sagten, komm rüber, es ist einfach unglaublich. Mich schauderte jedes Mal bei dem Gedanken. Ich sagte immer nur nein, ich glaube, da passe ich.«
Andere Stimmen behaupten, Manson und einige von der Family wären tatsächlich mit Phillips zusammengekommen, was ja nicht sehr schwierig gewesen wäre, und ein Zeuge behauptete, Mansons Bus hätte im Herbst 1968 eine Zeitlang bei Phillips' Haus in der Bel Air Road geparkt.
Sogar die Beatles gerieten – zumindest theoretisch – für eine Weile in die Reichweite Mansons, als nämlich John Lennon und Paul McCartney am 12. Mai 1968 nach New York flogen, um offiziell die Gründung von Apple Records bekanntzugeben. Im Anschluss waren die beiden Gäste der Tonight Show mit 25 Millionen Zuschauern und forderten dort Künstler, Musiker und Songwriter auf, sich bei ihrem neuen Label zu bewerben. Der Aufruf verbreitete sich in ganz Amerika und setzte eine wahre Sturmflut von Demobändern, Konzepten, Exposés, Vorschlägen, Anfragen, Forderungen und Bettelbriefen frei. Nach ihren brillianten Alben wie Rubber Soul und Sgt. Pepper, ganz zu schweigen von ihren Filmen, waren die Beatles außerordentlich wohlhabend, und deshalb konnte die Lockung von Apple Records wohl kein hohles Windei sein.
Als Produzent arbeitete Terry Melcher in jenem Sommer mit Apple zusammen, eine dicker karmischer Knotenpunkt in den knotenreichen Monaten, die noch folgen sollten.
Es gibt die nicht ganz unplausible Story, dass Manson versucht habe, bei den Monkees mitzumachen, einer für das US-Fernsehen gecasteten Gesangsgruppe, die 1967 und 1968 ziemlich bekannt geworden war. Da aber Manson, als im Daily Variety die Ankündigungen der Termine zum Vorsingen für die neuzugründende Boygroup 1965 erschienen, noch im Gefängnis von Terminal Island einsaß, ist es unmöglich, dass er dabei gewesen sein kann. Allerdings ist es zumindest chronologisch möglich gewesen, dass er sich bemüht hat, an dem 1968er Monkee-Film Head, mitzuwirken, der von Jack Nicholson geschrieben wurde. Vielleicht hat er ja, während er sich durch die Melcher-Wilson-Clique von Bel Air schnorrte, etwas von dem Filmprojekt aufgeschnappt und versucht, dabei mitzumischen.
Head wurde von Bob Rafaelson gedreht, der schon die Fernsehshow der Monkees entwickelt und – zusammen mit Bert Schneider – produziert hatte. Der Film kam am 6. November 1968 heraus, eine ausgelassenen und satirische Komödie im Stil der Beatles-Filme, bei der außer den Monkees auch Frank Zappa, Teri Garr, Annette Funicello und andere auftraten – nicht jedoch Charlie Manson.
Um einen weiteren mutmaßlichen Flirt Mansons mit Hollywood könnte es sich bei dem Filmexposé oder sogar Drehbuch gehandelt haben, das Manson angeblich bei Steve McQueens Filmgesellschaft Solar Productions eingereicht haben soll. Zu der Zeit, als Manson bei Dennis Wilson herumhing und seine Aufnahmen in Bel Air machte, beendete McQueen gerade die Dreharbeiten für den dann überaus erfolgreichen Film Bullit, der in San Francisco spielte und von McQueens eigener Firma produziert worden war. Es hieß, Solar würde nach neuen Filmideen suchen. Für die Filmwelt war Solar Productions das, was Apple Records für die Musikwelt war: die Hoffnung unbekannter Talente. Die eingereichten Drehbücher stapelten sich offensichtlich vom Boden bis zur Decke. In einer Biografie McQueens heißt es, Manson habe einen Projektvorschlag, vielleicht ein Drehbuch, bei Solar Productions im kalifornischen Studio City eingereicht, das mit dem Vermerk »kein Interesse« an ihn zurückgeschickt worden sei.
Immerhin scheint dieses Bewerbung gerade soviel Eindruck auf McQueen gemacht zu haben, dass er sich daran erinnern konnte. Als ich im Sommer 1970 das erste Mal über die Manson-Family recherchierte, hatte ich einen Assistenten, dessen Bruder in Frankreich an einem Film über das Autorennen von Le Mans mitarbeitete, in dem McQueen die Hauptrolle spielte. Eines Abends im August 1970 sei er auf ein Bier mit McQueen zusammengesessen und das Gespräch kam auf Sharon Tate. McQueen wurde unvermittelt zornig: »Wenn ich jemals die Gelegenheit hätte«, soll er gesagt haben, »würde ich diesen Charlie Manson umlegen. Und wenn ich's nicht wäre, dann würde ich jemanden dafür anheuern.«
Am Sunset-Boulevard spitzte sich die Situation für Manson allmählich zu. Wie die Heuschrecken, die sie später im Buch der Offenbarung so bewundern sollten, hatte die Family Wilsons Besitz reichlich verwüstet. Dennis Wilsons abgefahrene Rock 'n' Roll-Garderobe wurde zum Gemeinschaftsgut und Manson verschenkte Wilsons Goldene Schallplatten, die eine Gruppe zur damaligen Zeit erhielt, wenn ein Album den Verkauf von einer Million Schallplatten überschritten hatte. Eine dieser Goldenen Platten landete bei jener Dame, der die Barker-Ranch im Death Valley gehörte. Eine weitere Goldene Platte geriet offenbar in die Hände von George Spahns Bruder. Für Wilson war dies offenkundig besorgniserregend.
Um den 1. August verließen Dennis Wilson und Gregg Jakobson das sinkende Schiff und wohnten von da an in einem Haus in der Nähe des Pacific Coast Highway. Jakobson zufolge blieb das Haus am Sunset-Boulevard offen für jeden, der dort pennen wollte.
Kurze Zeit später setzte Dennis Wilsons Manager Manson und seine Leute auf die Straße.
Den ganzen Herbst hindurch tauchten immer wieder Leute an ihrem ehemaligen Pennplatz am Sunset-Boulevard auf, um liegengebliebene Sachen abzuholen. Dann wurde das Haus verkauft, und die neuen Besitzer heuerten eine Wache an, um den Besitz nachts vor ungebetenen Gästen zu schützen.
Vielleicht wurden auch Manson und die Family aus dem Haus von Dennis Wilson geworfen, aber dennoch hielt die Verbindung zum Drummer der Beach Boys noch mindestens bis zum Frühjahr 1969 an.
Am 11. September 1968 nahmen die Beach Boys Mansons Song »Cease to Exist« auf. Etwas passierte mit dem Wort »exist« – irgend jemand entschied, ein »R« anzufügen. Wer? Wie so oft, wenn es um Mansons Beziehungen zu den Protagonisten der Massenkultur geht, sind die Aufzeichnungen lückenhaft. Vielleicht war es jemand aus dem Management, der fürchtete, die Worte »Hör auf zu sein«, vorgesungen in perfekter Vokalharmonie von einer der größten Rockbands Amerikas, könnten bei den Teenie-Fans eine Welle von Selbstverletzungen oder Schlimmerem auslösen.
So wurde Mansons Text geändert und sein Name aus den Verfasserangaben entfernt. Für Letzteres bestand eigentlich keine Veranlassung, da der Name Manson im Herbst 1968, als das Beach Boys-Album 20/20 bereit zur Veröffentlichung war, noch kein Synonym für das Böse schlechthin war.
Die Schlüsselworte des Songs »Cease to Exist« wurden also in »cease to resist« (etwa: »Hör auf, dich zu wehren«) umgewandelt, so als spiele der Song auf sexuelle Unterwerfung an. Der Titel wurde in »Never Learn Not to Love« geändert. Diesen Song brachten die Beach Boys mit ihren hervorragenden Gesangsharmonien glänzend heraus. Trotzdem war Manson sauer, denn nichts hasste er mehr, als wenn jemand in seinen Texten herumpfuschte.
Keine der beiden Fassungen konnte sich mit »Strawberry Fields Forever« vergleichen. Auf der Demoaufnahme, die ich gehört habe, singt Manson seinen Song in einer gefälligen und halbprofessionalen Art, mit einem bluesigen Knistern in der Stimme. Die Band änderte ausser »Cease to Exist« noch weitere Passagen. So sehr sie auch hinter neuem Material her waren, werden die Beach Boys doch auch die potentiellen Probleme bei einem Song für die Massen erkannt haben, der ein gewisses Übermaß an geschwisterlicher Liebe zu propagieren schien.
Beach Boys: | Manson: |
Pretty pretty Girl | |
Cease to resist, come on say you love me | Cease to exist, just come and say you love me |
Give up your world, come on and be with me | Give up your world, come and you can be |
I'm your kind, I'm your kind and see | I'm your kind, oh your kind and I can see |
Come on, come on, ooo I love you pretty girl | Walk on walk on I love you pretty girl |
My life is yours, and you can have my world | My life is yours and you can have my world |
I'm your kind, I'm your kind and see | |
Never had a lesson I ever learned | Never had a lesson I ever learned |
I know I could never learn not to love you | But I know we all get our turn and I love you |
Come in now closer | |
Come in closer closer closer, ahhh | |
Submission is a gift, give it to your lover | Submission is a gift. Go on, give it to your brother |
Love and understanding is for one another | Love and understanding is for one another |
I'm your kind, I'm your kind, and I see | I'm your kind, I'm your kind, I'm your brother |
Never had a lesson I ever learned | Never had a lesson I ever learned |
I know I could never learn not to love you | But I know we all get our turn and I love you |
Come in now closer | Never learn to love you |
Come in closer come in closer ahhh | Never learn to love you |
Ahhh-ahhh-ahhh-ahhh-ahhhhh | Never learn to love you |
Ahhh-ahhh-ahhh-ahhh-ahhhhh | |
Als »Never Learn to Love« auf der B-Seite einer Beach Boys-Single herauskam, stellte sich die Platte nicht gerade als Chartbreaker heraus. Manson war überzeugt, der Song wäre ein Hit geworden, wenn man den Text nicht geändert hätte. Als Honorar erhielt er offenbar etwas Bargeld und ein BSA-Motorrad, das er wiederum Little Paul aka Paul Watkins schenkte.
Währenddessen nahmen im fernen London die Beatles am 18. Juli 1968, einen Tag nach der Weltpremiere ihres Films Yellow Submarine, im Abbey-Road-Studio drei Fassungen eines Paul-McCartney-Songs auf, den dieser nach einer Achterbahn in einem britischen Vergnügungspark betitelt hatte. Die letzte Fassung in dieser Nacht dauerte 27 Minuten, es gab sogar einen Part, in dem das brilliante Quartett für ein paar Takte in den Standard »Blue Moon« wechselte, um dann wieder zu dem Song zurückzukehren. Zu welchem Song? Zu dem Song, der nur wenige Monate später eine mächtige Wirkung auf Charlie Manson haben würde: »Helter Skelter«.
Den Beatles war klar, dass die Originalfassung mit 27 Minuten viel zu lang für eine Single war und so nahmen sie am 9. September in einer wilden Session ganze 21 Fassungen einer drei- bis vierminütigen Version von »Helter Skelter« auf. Nummer 21 wurde der Basistrack auf dem am folgenden Tag weitere Spuren aufgenommen wurden: John Lennon am Saxophon, McCartneys exzellenter Schrei- und Gesangspart, Ringo Starrs Ausruf: »Ich hab Blasen an den Fingern!«, mit dem der Song endet. Der Song an sich war unschuldig genug, aber etwas an der ruhelos-wogenden Instrumentierung erinnerte manchen Zuhörer an universelle, marschierende Insekten, die sich durch die Zeitläufe mampfen – eine machtvolle, fast avantgardistische Musik, die mit ihrer Assoziation an kosmische Heere von außer Kontrolle geratenen Heuschrecken für einen gewissen, verzweifelten Sänger zur persönlichen Bibel werden sollte.