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9. Dubiose Einflüsse

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Gerade mal ein Jahr der Blumen war vorübergeblüht, seit Manson aus Terminal Island entlassen worden war. Doch irgendwann zwischen Ende 1967 und dem Frühjahr oder Sommer des Jahres 1968 kam es in der Family zu einer Veränderung. Zu der Mixtur aus Blumen, Sex, Nomaden- und Kommuneleben gesellten sich Satan, Teufelsanbetung und Gewalt. Vielleicht war es der Wille zur Veränderung – die Notwendigkeit, jene magnetische Kraft zu erhalten – die Charlie auf den Gruseltrip gebracht hatte.

Irgendetwas muss da passiert sein – es kann nicht einfach nur Sex, Drogen und das Kommuneleben gewesen sein, das Patricia Krenwinkel, eben aus dem Schlaf geweckt, auf Kommando einfach so auf die Beine springen und zum Haus von Polanski fahren ließ, auch wenn sich das manche gerne einreden würden.

Manson hatte wiederholt darauf verwiesen, dass er lediglich eine Spiegelung derer sei, die ihn umgaben, dass er »tot im Kopf« sei und deshalb aus der Seele heraus handle. Zweifelsohne entnahm er seine Ideen vielen verschiedenen Quellen. Er war stets ein begieriger Zuhörer und brüstete sich mit seiner weitreichenden Kenntnis abseitiger Dinge.

Aber was hat nun wirklich zu Mansons Todestrip geführt? Die Faktoren, die zu jenem gewaltsamen Ausbruch aus der Wirklichkeit beigetragen haben, sollen hier als dubiose Einflüsse aufgezählt werden.

Wenn man sich in Los Angeles umsieht, stößt man auf so manche Todestrip-Gruppe, die auf Manson und seine Family einen starken Eindruck gemacht haben dürften. In dieser Gegend gibt es Gruppen, deren Spezialität es ist, ihre Anhänger in willenlose Zombies zu verwandeln. Sie haben Stufensysteme der Initiation und Jüngerschaft. Sie wenden indoktrinäre Methoden an, die zuweilen stark an Hypnose erinnern. Sie verstärken okkulte Paranoia im Geiste ihrer Adepten und greifen manchmal während des Indoktrinationsprozesses zu bestimmten Drogen, um so ein Netz absonderlicher Überzeugungen zu weben, in dem der Okkultismusgläubige sich verfangen soll.

Die Struktur dieser Gruppen ist faschistoid, die gesamte Macht konzentriert sich auf die Kultführer – gewöhnlich sind dies ein oder zwei autokratische und machthungrige Burschen, denen es nur auf Respekt und Gehorsam ankommt.

Von solch einer überspannt-okkulten Gruppe, die ganz gewiss einen fragwürdigen Einfluss auf die Family hatte und deren Anführer kalifornischen Polizeiakten zufolge Kontakt zu Mitgliedern der Manson-Family gehabt haben soll, von dieser Gruppe heißt es in einem von der Anglikanischen Kirche vorgelegten Bericht, sie präsentiere »der Welt zwei Gesichter: das Gesicht frommer Ehrbarkeit und das Gesicht hemmungsloser Verderbtheit«. Diese Gruppe verehrt die verschiedensten Götter, darunter Satan und Christus. Sie repräsentiert die Essenz des Uhh-iih-uhh. Manson und seine Anhänger trafen die Führer dieser satanischen Gemeinschaft Ende 1967 im Wendeltreppenhaus im Topanga-Canyon.

In einem Interview, das sie viele Jahre später im Gefängnis gab, identifizierte Patricia Krenwinkle besagte Gruppe als eine jener, die sie im Wendeltreppenhaus kennengelernt hatte. Ein anderer Informant berichtete uns, dass Manson diese aus England stammende Geheimgesellschaft bei einer Zusammenkunft im Haus des Eigentümers des Straight Theater in San Francisco getroffen habe. »Oh, der Teufel!«, platzte es spontan aus Manson heraus, als ein Verteidiger ihn erstmals fragte, ob die englische Satanistengruppe jemals getroffen habe.

Später schrieb Manson über die verschiedenen Gruppen, die er im Wendeltreppenhaus angetroffen hatte: »Jedes Mal, wenn ich dort war, hörte und sah ich mir alle Praktiken und Rituale der verschiedenen Gruppen an, die dort hinkamen. Ich stehe nicht drauf, Tiere zu opfern oder ihr Blut zu trinken, um mehr Spaß am Sex zu haben, und es bringt mich auch nicht – wie einige dieser Leute – auf Touren, jemanden in Ketten zu legen und auszupeitschen. ...

Als wir zum ersten Mal hinfuhren, waren wir wie unschuldige Kinder, verglichen mit den Leuten, die wir dort sahen. Wenn ich zurückblicke, kann ich wohl sagen, dass unsere Philosophie – Spaß und Spiele, Liebe und Sex, Freundschaft und Frieden für jedermann – in diesem Haus begann, sich in den Wahnsinn zu verwandeln, der uns schließlich verschlang.«

Es gab noch eine andere Gruppe von zweifelhaftem Einfluss auf die Family; ihr stand eine Frau vor, die von der Gruppe verehrt und für eine Reinkarnation der griechischen Göttin Circe gehalten wurde; jene Circe also, die – wie die Leser der Odyssee sich erinnern werden – mit der Schiffsbesatzung des Odysseus eine Metamorphose-Nummer abzog und sie mit Hilfe einer merkwürdigen Droge in Schweine verwandelte. Zu den Anhängern dieser Circe-Gruppe gehörten Mitglieder des Motorradclubs The Satan Slaves, der eine Zeitlang enge Kontakte zu Manson und seiner »Kirche« unterhielt. »Circe« soll eine rothaarige Engländerin gewesen sein.

Praktisch im Gefängnis aufgewachsen und fast ein Analphabet – er war ein extrem langsamer Leser –, ließ sich Manson im Sinne des Guru-Gedankens weiterbilden, das heißt, er bezog einen großen Teil seiner Kenntnisse aus mündlichen Vorträgen seiner Freunde.

Mansons Flower-Power-Guru zum Beispiel war eine von Los Angeles bis San Francisco gut bekannte Gestalt der örtlichen Underground-Gemeinde von 1967. Man konnte Manson in Gesellschaft dieses Mannes durch ganz Kalifornien reisen sehen. Wäre er den Anweisungen dieses Gurus gefolgt, hätten sich die Dinge in Kalifornien später nie so zugespitzt – doch es gab keine Erlösung für dieses Produkt schlechter Gefängnisse und sozialer Krankheit.

Man wird sich erinnern, dass die kaputten Konzepte der Schwarzen Magie in Manson schon Wurzeln geschlagen hatten, noch bevor er aus dem Gefängnis entlassen wurde. Er selbst hat erklärt, er habe im Gefängnis sogenannte Teufelsanbeter kennengelernt, und man weiß, dass er von Freunden Bücher über die sogenannten Schwarzen Künste geschickt bekam.

Dean Morehouse behauptet, dass Manson und seine Crew bereits im Hochsommer 1967 im Norden von Mendocino-County, oberhalb von San Francisco, Kontakte zu einer Gruppe von »Teufelsjüngern« unterhielten. Diese Gruppe hat, wie ein enger Freund der Family zu berichten wusste, ihr Hauptquartier später in der Gegend von San Francisco aufgeschlagen.

Vielleicht gab diese enge Verbindung den Ausschlag dazu, dass sich Manson später der Teufelsszene anschloss.

Jemand, der behauptet hat, 1968 in San Francisco mit demselben Teufelskult wie Manson in Berührung gekommen zu sein, erklärte, dass Mansons Guru in dieser Sekte ein gewisser Father P gewesen sei. »Diesem Todeskult stand ein merkwürdiger, leidenschaftlicher Mann von etwa 45 Jahren vor«, schrieb das ehemalige Mitglied der Sekte. »Sie nannten ihn Father P … den 66ten. Dieser Father P behauptete, dass er unter anderem den Doktor der Medizin und den der Philosophie besitze und dass er ein Magier sei. Im Ashram des Kults erzählte man sich, Father P. sei aus North Carolina vertrieben worden, weil er dort eine Stadtkirche in Brand gesetzt habe, er sei aus dem Vor-Castro-Kuba ausgewiesen worden und erst kürzlich aus dem syrischen Damaskus zurückgekehrt.

Die Leute von Devil House sagten, es handle sich um einen religiösen Orden, und dieser Orden hatte viele alte Namen, ein Name sei The Companions of Life, ein anderer The Final Church of Judgement. The Final Church war auch der Name, den Manson für die Kirche wählte, die er eines Tages gründen wollte.« So weit das frühere Mitglied.

Von Mitte 1968 an behauptete Manson, er sei Christus und Satan bzw. Christus und der Teufel in einer Person. Es wurde bereits gesagt, dass seine Anhänger sich mit den Frühchristen verglichen – oder dem, was sie für die Frühchristen hielten: sexuelle Gemeinschaft und ein Leben außerhalb der Gesellschaft. Dem fügten sie den Glauben an die Reinkarnation, Astralprojektion und verschiedene Blutrituale hinzu. Manson verkörperte in seiner Final-Church-von-was-auch-immer die Christus-Satan-Gestalt. Seine Vision war zum Schaudern. Er wollte mit seinen Anhängern ein Netz religiöser Zellen über mehrere Städte hinweg aufbauen. Und hat es wahrscheinlich auch getan.

Aber es war eine kranke Angelegenheit. In einem langen Interview mit dem Staatsanwalt von Los Angeles berichtete eine von Susan Atkins Zellengenossinnen am 5. Oktober 1970, was ihr Miss Atkins über das Blutschlürfen der Family anvertraut hatte: »Sie erzählte mir, dass sich Charlie bei mehreren Gelegenheiten an ein Kreuz heften ließ. Und dass ein Mädchen am Fuß des Kreuzes kniete und dass er stöhnte und schrie, als würde er wirklich gekreuzigt, und dass sie auch Tiere opferten und in einem Fruchtbarkeitsritus ihr Blut tranken.« Uhh-iih-uhh.

Ein Augenzeuge berichtete, dass die Family-Mitglieder bei manchen ihrer unheimlichen Riten schwarze Kapuzen trugen. Er berichtete von einem mehr oder weniger amüsanten Vorfall, wie nämlich er und sein Freund eines späten Abends schwarz gekleidet und mit schwarzen Kapuzen über dem Kopf zur Spahn-Ranch gegangen sei, um zu sehen, ob sie das Wachpostensystem der Family durchbrechen konnten.

Dean Morehouse zufolge hat Manson bereits Anfang Juni 1968 Pläne entwickelt, seine Anhänger auszusenden, damit sie neue »Kirchen« gründen sollten. In einem Interview sagte Morehouse: »Ich bekam den Eindruck, dass Charlie die Welt unter diese Leute aufteilen wollte, die hinausgehen und ihre Arbeit tun sollten, aber ich bin nie ganz dahinter gekommen ... Er hat mir nie Näheres anvertraut ... Eine Menge Dinge hat Charlie mir nie anvertraut.«

Manson hatte sogar einen Anhänger oder Verbündeten, der im Juni 1968 nach Australien fuhr, um dort eine Niederlassung der Final Church – oder wie immer sie auch hieß – zu errichten. Morehouse wurde gefragt, was der Mann in Australien eigentlich tun sollte. Morehouse erwiderte: »Er sollte genau das tun, was Charlie tat. Charlie hat mich immer ermuntert, hinauszugehen und was zu organisieren ... Ich sollte eine Kirche aufbauen ... Er hat das immer von mir gewollt ... Und ein Programm sollte ich für meine Arbeit entwerfen. So von wegen man schart ein paar Leute um sich, eine kleine Gruppe, geht mit ihnen ihre Blockaden durch und törnt sie an, und dann schickt man die Männer, immer zu zweit, einfach los, in VW-Bussen oder so. Man schickt sie hinaus und lässt sie andere Leute antörnen. Sie können dann ja die Highways rauf und runter fahren ... oder in eine andere Stadt gehen und dort ein Zentrum gründen. Und dann wieder welche weiterschicken zum nächsten Ort, damit sie dort das gleiche tun – und so immer weiter und weiter.«

Morehouse versuchte schließlich eine »Mansonland-Kirche« zu gründen, doch wurde dieses Unternehmen Ende 1968, Anfang 1969 durch eine längere Gefängnisstrafe unterbrochen.

Im Spätsommer 1968 nahm Manson Verbindung mit einem Biker-Club in San Jose, einige Kilometer südlich von San Francisco, auf, genannt die Gypsy Jokers. Der kalifornischen Polizei zufolge waren einige der Gypsy Jokers bereits 1967 von einer bekannten internationalen okkulten Gesellschaft angeworben worden. Von dieser Gesellschaft wurden die Biker-Rekruten laut Polizei als »Agenten Satans« bezeichnet. Die Gesellschaft hatte seit etwa 1966 in den USA Anhänger rekrutiert und Zellen errichtet und betätigte sich in den folgenden Jahren in Kalifornien.

Es handelte sich um eine Gruppe von Teufelsverehrern, die in abgelegenen Berggegenden Nord- und Südkaliforniens operierte und zu den Opferriten, die mutmaßlich zum okkulten Leben der Family gehörten. Abscheuliches beisteuerte.

Eine Person, die dabei erwischt wurde, wie sich das Herz eines Menschenopfers verzehrte und die unter Mordanklage gestellt wurde, hat von einer Satans-Teufels-Organisation berichtet, die in den Jahren 1967 bis 1970 in den Santa-Cruz-Bergen südlich von San Francisco und in den Santa-Ana-Bergen südlich von Los Angeles operierte. Hier wurden Hämatophagie, Kannibalismus und andere Ungeheuerlichkeiten praktiziert. Man könnte ganze Seiten damit besudeln, die abstoßenden Tätigkeiten dieser Sekte zu beschreiben, doch bleibe dies dem Leser erspart.

Die Gruppe bediente sich einer eigenen Terminologie und veranstaltete ihre Rituale nach Zeitplänen, die auf astrologischem Aberglauben beruhten. Ihr Oberhaupt trug den Titel Grand Chingon, Head Chingon oder Head Devil. Auch Manson wurde von mehreren seiner Anhänger in Anwesenheit des Autors als The Grand Chingon bezeichnet. Es hat sich allerdings gezeigt, dass es sich bei dem Santa-Cruz-Chingon nicht um Manson handelte (Manson saß bereits wegen Mordes im Gefängnis, als diese Sekte noch operierte), sondern um jemand anderes, um eine ältere Person mit einer Crew von »Sklaven«, die ihre krankhaften Gebote erfüllten.

Dem Informanten zufolge nannte sich die Sekte bisweilen Four P Movement und widmete sich der »totalen Verehrung des Bösen«. Ihre Anhänger hielten Zeremonien im Freien ab und benutzten dabei ein tragbares Krematorium, einen drachengeschmückten Holzaltar, einen tragbaren Sektionstisch, ein Opferwerkzeug mit sechs Messerklingen sowie andere Gerätschaften. Sie brachten Menschen um und verbrannten sie. Es war ein kranker Haufen.

Mittlerweile war es Juni 1968 geworden, und Manson holte sich die Elemente seiner eigenen Krankheit zusammen, er bereitete seine Teufelskirche vor.

Und während die Family auf dem Strip herumschnorrte und im Wilson-Haus am Sunset-Boulevard sang und Füße küsste, zogen – nur ein paar Meilen weiter im Nordosten – Sharon Tate und Roman Polanski in das Haus 1600 Summit Ridge-Drive im hügeligen Revier der Berühmtheiten oberhalb von Beverly Hills.

The Family (Deutsche Edition)

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