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14. Die Spahn-Ranch [Spätsommer bis Frühherbst 1968]

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Irgendwann in der ersten Augustwoche fuhr der wohnungslose Charlie zur Spahn-Ranch und erkundigte sich bei den Leuten, die damals im hinteren Teil der Ranch lebten, ob sie was dagegen hätten, wenn die Family die nahe gelegenen Outlaw-Hütten bezöge. Diese sogenannten Outlaw-Hütten sahen wie Motel-Einheiten aus den zwanziger Jahren aus, die von einem Tornado verwüstet worden waren. Sie lagen ganz am Ende der Ranch. Diese Hütten waren offenbar benutzt worden, als man auf der Ranch einige jener zahllosen Filme drehte, in denen die Guten gegen die Bösen kämpften. Einige Ranchbewohner hatten etwas dagegen, Manson aufzunehmen, doch schließlich kam man überein, dass Manson und seine Leute »ein paar Tage« bleiben dürften. Die Möglichkeit, von den leckeren Essensabfällen, den Kochkünsten, der Arbeitskraft und den Kreditkarten der Family zu profitieren, dürfte bei dem Entschluss, die Brigade bleiben zu lassen, einen entscheidenden Ausschlag gegeben haben. John, der ehemalige Bewohner des hinteren Teils der Ranch, war zwar ausgezogen, aber die Family kannte die neuen Bewohner. Diesmal blieben sie ungefähr zweieinhalb Monate auf der Spahn-Ranch.

Nachdem sie einige Tage in den Outlaw-Hütten am hinteren Ende der Ranch verbracht hatten, machte sich Charlie, unterstützt von einigen seiner stillen Haremskinder, an den blinden Besitzer des Ranch, George Spahn heran und überredete ihn, die Family für einige Zeit auf dem vorderen Areal der Ranch, also auf dem eigentlichen Western-Gelände, wohnen zu lassen. Die ersten paar Tage verbrachte die Family in dem vergitterten Holzhaus, das für die Filmdrehs als Gefängnis gedient hatte.

Charlies Abmachung mit George Spahn sah vor, dass die Family kochen, Heu packen, Pferde vermieten, die Ställe und den ganzen übrigen Besitz sauber halten sollte. Außerdem stellte Charlie für den gebrechlichen George Spahn mit seinem Cowboyhut ein nur spärlich bekleidetes Pflegeteam zusammen.

Es gab an die sechzig Pferde zu versorgen, von denen viele reif für die Gelatinefabrik waren; sie wurden für ungefähr 3 Dollar pro Stunde an Wochenendgäste vermietet. Eine Plage, die einen in den Wahnsinn treiben konnte, waren die Tausende und Abertausende von Pferdebremsen, die vor allem für die sich im Freien liebenden Pärchen eine arge Qual darstellten.

Die Spahn-Ranch, wie sie allgemein genannt wurde, lag an der 12000 Santa-Susanna-Passstrasse, die vom nördlichsten Abschnitt des Topanga-Canyon in nordwestlicher Richtung ins San-Fernando-Valley führt. George Spahn hatte die Ranch 1948 erworben. Sie hatte einst dem Stummfilmstar William S. Hart gehört.

Spahns Augenlicht hatte in all den Jahren, in denen er die Film-Ranch betrieb und an High-School-Klassen usw. Pferde vermietete, immer mehr nachgelassen. Seit längerem hatte er eine Partnerin, Ruby Pearl, die sich um die Ranch kümmerte. Ruby, so hieß es in der Family, sei früher Zureiterin und Tänzerin gewesen. Zu der Zeit, als Manson auftauchte, war sie Ende Vierzig. In Reitzeug und mit einem Cowboyhut auf dem Kopf überwachte sie den Ranchbetrieb. Ihr Verhältnis zu der Family schwankte, denn die Family wollte es sich um keinen Preis mit George Spahn verderben. George Spahn hörte auf Ruby Pearl, die das Treiben der Family ständig beobachtete – außer nachts, denn am Abend ging sie nach Hause. Was der Family sehr zustatten kam, denn wenn etwas »im Gange« war, dann immer nachts.

Von Ruby Pearl heißt es, sie besitze ein dickes Autogrammbuch mit den Namenszügen aller möglichen Größen der Unterhaltungsbranche, die in all den Jahren irgendwann einmal auf der Ranch gewesen sind.

Manson trug dafür Sorge, dass immer ein attraktives Mädchen zur Stelle war, um sich um den blinden Mr. Spahn zu kümmern. Zu Spahns Hauptpflegerin wurde Lynn Fromme erkoren, die sieben Jahre später versuchen sollte, Präsident Ford mit einer 45er zu erschießen. Es war bekannt, dass Spahn die freundlich-körperliche Zuwendung der jungen Frau sehr schätzte. Das Family-Mitglied Paul Watkins erzählte später, Lynn Fromme habe ihren Spitznamen „Squeaky“ von den kleinen spitzen Schreien bekommen, die sie jedes Mal hören ließ, wenn George Spahn seine Hand an ihren Beinen hochgleiten ließ und sie in die Innenseite ihres Schenkels zwickte. Einem Verteidiger im Mordprozess von 1970 zufolge soll Squeaky erzählt haben, dass sie an Spahn Oralverkehr ausgeübt habe.

Die Spahn-Ranch lag auf halbem Weg zwischen der Stadt und der Wildnis. Man brauchte also mit dem Wagen nur 35 Minuten, um zu Sharon Tates Wohnzimmer zu gelangen, und gleichzeitig nur 15 Minuten, um mit dem Strandbuggy in die Wildnis des Devil-Canyons und in die Santa-Susanna-Berge zu kommen. Die Ranch lag in einer Gegend, wo der Drogenhandel blühte. Die Kommunen im nordwestlichen San-Fernando-Valley waren damals regelrechte Drogen-Einkaufszentren für Los Angeles, ähnlich den Einkaufszentren für Lebensmittel und Handelswaren in den Außenbezirken der amerikanischen Großstädte.

Die Spahn-Ranch lag unmittelbar vor einem Creek, der vom Nordwesten herunterführt und hinter der Ranch die Santa-Susanna-Passstrasse entlangplätschert. Der Creek hat mehrere Wasserfälle. Sie waren die Badestellen von Helter-Skelter. Noch weiter hinter der Spahn-Ranch erheben sich steinige Berghänge, die im Süden und im Norden steil ansteigen. Auf der Ranch wurden in den Fünfzigern zweitklassige Western gedreht. Die Geister von Tim Holt und Durango Kid jodelten noch in den Felsklippen.

Der eigentliche Drehort waren die Sets direkt an der Santa-Susanna-Passstrasse. Sie bestanden aus einer geraden Flucht baufälliger Gebäude. Ein Plankenweg erstreckte sich über die ganze Länge des Geländes. Schlaffe Markisen an verbogenen Pfosten zogen sich die ganze Pseudo-Cowboy-Hauptstraße entlang. Es gab ein Restaurant namens Rock City Café; ein Gefängnis mit einer vergitterten Zelle; den Long Horn Saloon, ausgestattet mit Spiegeln, einem Musikautomaten und einer Bar, die die ganze Länge des Raums einnahm; ein Kutschenhaus voller alter Wagen; eine Bestattungshalle; dazu noch einige andere Gebäude, unter anderem auch George Spahns kleines Haus, das rechter Hand und im rechten Winkel zum Filmgelände lag. Diese Filmstadt war im Stil einer Kansas-Stadt des frühen Amerika gebaut. Ein unbefestigter Fahrweg verband das Filmgelände mit der Wirklichkeit der Santa-Susanna-Passstrasse. Oft lagen am Heuschober oder im Corral gemalte Filmkulissen herum.

Es war ein Fantasieland. Doch die Ära des 08/15-Westerns war vorbei, und die Ranch musste Pferde vermieten, um nicht einzugehen. An guten Ferienwochenenden nahm die Ranch manchmal bis zu eintausend Dollar ein. Dazu kamen gelegentlich noch Extraeinkünfte aus Pornofilmen, Werbesendungen fürs Fernsehen oder Science-Fiction- und Monsterfilmen.

Gegenüber der Ranch, auf der anderen Straßenseite, erstreckte sich ein Hügelgelände, Garden of the Gods genannt. Dort verliefen in einer Schlucht der Devil-Canyon und der Ybarra-Canyon, die hinauf in die Santa-Susanna-Berge führten und für die Family vorübergehend zu einem bevorzugten Helter-Skelter-Schlupfwinkel werden sollten. In dieser Gegend gab es mehrere kleine Gehöfte. Im Garden of the Gods befand sich auch eine Wonderland-Movie-Ranch oder so ähnlich, deren Besitzer im Vorderhof ihrer Ranch einen Käfig mit einem Jaguar aufstellten, um sich zu schützen, nachdem sie von Mansons Verhaftung wegen Mordes erfuhren.

Die Spahn-Ranch entlohnte ihre Arbeiter mit freier Wohnung, freier Kost und einer Packung Zigaretten pro Tag. Einige der Rancharbeiter, wie zum Beispiel Randy Starr, betätigten sich beim Drehen gefährlicher Filmszenen als Stuntmen. Randy Starrs Spezialitäten waren Stürze vom Pferd, verschiedene schwerkrafttrotzende Kunststücke und sich von Pferden schleifen zu lassen. Er hielt sich für einen hervorragenden Darsteller. Andere traten beim Rodeo auf. Leute wie Larry Cravens versuchten sich ebenfalls als Stuntmen. Und auch der später ermordete Shorty Shea arbeitete eifrig an seiner Filmkarriere als Stuntman und Schauspieler, bis er umgebracht wurde. Die Stuntmen gaben alle die Spahn-Ranch als ihre Geschäftsadresse an.

Die Family machte dort auch die Bekanntschaft eines sechzehnjährigen Farmarbeiters aus Simi, Kalifornien, ein gewisser Steve Grogan alias Clem alias Matschkopf, der ziemlich durchgeknallt zu sein schien. Einmal, als Dennis Wilson mit Manson und ein paar anderen auf der Spahn Ranch Schlagzeug spielte und herumjammte, schnappte Clem sich Wilsons rotem Mercedes für eine kleine Spritztour. Als er ausprobieren wollte, wie schnell er fahren könne, krachte er mit dem Wagen in eine nahegelegene Scheune; anschließend kurvte er mit dem nicht versicherten 21.000-Dollar-Schlitten noch eine Zeitlang die Hänge am Santa-Susanna-Pass rauf und runter und ließ ihn schließlich einfach irgendwo stehen. Mansons Geschäftspartner Bill Vance erinnerte sich später wie folgt an diesen Zwischenfall: »Dennis spielte gerade Schlagzeug für die Band, die sie da oben am Laufen hatten. Clem kam zurück. Er spazierte einfach rein und sagte zu Dennis ›Okay, ich hab dein Auto geschrottet.‹ – Dennis spielt weiter als ob nichts wäre, bis er eine Viertelstunde später plötzlich checkt, was der Junge gesagt hatte: ›Wo ist dieser Typ hin? Der Typ, der grad gesagt hat dass er mein Auto geschrottet hat?‹«.

Sie zogen los und suchten Auto, aber es hatte sich spurlos in Luft aufgelöst und sollte auch nie wieder gefunden werden. Eine weitere mysteriöse Anekdote der Manson-Truppe.

Clem, der in der Nähe bei seinen Eltern wohnte, wurde einer von Charlies engsten Mitarbeitern. Er konnte Charlies Gitarrenspiel verblüffend echt kopieren und sogar seine Stimme imitieren. Später sollte er für seine Mithilfe bei der Ermordung des Stuntmans Shorty Shea zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt werden.

Manson lernte auch einen jungen, muskulösen Farmarbeiter aus Panama namens Juan Flynn kennen, der seit 1967 auf der Spahn-Ranch arbeitete und vorher in Vietnam gekämpft hatte. Juan Flynn beeindruckte Manson stark mit seinen grauenhaft-blutigen Kampferlebnissen. Im LSD-Rausch pflegte Juan Flynn das Vietnam-Blutbad wieder zu erleben, und er heulte und brüllte, wenn er mit allen erschreckenden Details beschrieb, wie er drei Tage lang in einem Schützengraben unter den zerfetzten Leichen seiner Kameraden begraben gelegen hatte.

Ein typischer Tag begann damit, dass George Spahn beim Morgengrauen aufstand und den Essensgong ertönen ließ, worauf die Hippie-Pferdeknechte aus ihren Betten sprangen, die Pferde fütterten und sie auf die Weide führten. Sie schlangen ihr Frühstück hinunter und sattelten dann die Pferde für mögliche Besucher. Einige postierten sich auf dem vorderen Gelände der Ranch, um die Reiter die verschiedenen Reitwege hinunterzuführen. Dann mussten sie die Ställe ausmisten und für die Pferde Heu und Hafer vorbereiten.

Es wird berichtet, dass manche Mitglieder der Family große Begeisterung für Pferdeäpfel entwickelten; offenbar gehörte es für sie zu dem Programm, alles zu erleben. Barfuß misteten sie die verwahrlosten Stallungen aus, wobei sie die prallen Pferdeäpfel mit den Zehen zerquetschten.

Nachdem die Family das »Gefängnis« in Beschlag genommen hatte, breitete sie sich auch im Long Horn Saloon und im angrenzenden Rock City Café aus. Charlie richtete sich in einem kleinen Gebäude, das am Ostrand des Western-Geländes lag, ein Büro ein, das später in der Helter-Skelter-Phase als Waffenlager dienen sollte.

Wie ein psychedelisches Mosaik ergriff die Family Besitz von den Wäldern und Wasserläufen und Kulissenbauten der Spahn-Ranch. Sie errichteten Hütten und schlugen in entlegenen Waldlichtungen Zelte auf. Manson zog umher, um die Arbeiten zu beaufsichtigen. »Alle meine Frauen sind Hexen, und ich bin der Teufel«, erzählte er einem Bewohner des hinteren Teils der Ranch.

Offenbar dekorierten sie die Ranch mit selbstgefertigten okkulten Gegenständen. Es wird z.B. von einem Stierschädel berichtet, der in einer Schlucht im hinteren Teil der Ranch auf eine Stange gespießt und mit geheimnisvollen Symbolen bemalt worden sein soll. Mansons höchsteigenes Zelt war bemalt mit einer okkulten Traube von Augen, Sonnen und anderen luziden Kritzeleien.

Die Rancharbeiter waren Fleischesser, während die Mitglieder der Family mehr oder weniger vegetarisch lebten. Zum Essen setzte sich die Family gewöhnlich in einem Kreis zusammen, in dem die gemeinsamen Essschüsseln im entgegengesetzten Uhrzeigersinn die Runde machten. Nach dem Essen wurde Rauschgift gereicht, und Manson schlug die Gitarre und führte den gemeinsamen Gesang an.

Die Hauptnahrungsquelle der Family waren Lebensmittelabfälle. Ein Teil der »Miete«, die die Family auf der Ranch entrichtete, bestand in der Zubereitung von Mahlzeiten. Tag für Tag unternahm die Family ihre Streifzüge nach Lebensmittelresten, westlich von der Spahn-Ranch, im Simi Valley, und östlich, in Chatsworth, ja eigentlich im ganzen San-Fernando-Valley. In den Supermärkten des San-Fernando-Valley wurde Obst und Gemüse einfach weggeworfen, das in den Slums von New York noch als Handelsklasse A hätte verkauft werden können.

Aus Johnnie Schwartzs gelbem 57er Ford, entfernten sie die Rücksitze, um Platz für die Obststeigen mit aussortierter Ware zu haben. Es war der gleiche Wagen, mit dem die Killer später zu den verschiedenen Mordschauplätzen fahren sollten.

Einige Meilen von der Spahn-Ranch entfernt standen an der betonierten Laderampe hinter dem Market-Basket-Supermarkt in Chatsworth zwei riesige lachsfarbene, fahrbare Abfalltonnen. An einem normalen Tag quoll die Tonne linker Hand über von Paletten und Pappkartons mit Sellerie, verschiedenen Salatsorten, aufgeschnittenen Schaufenstermelonen, leicht fleckigen Pfefferschoten, Maiskolben, unreifen Tomaten und zerdrückten Salatköpfen. In der Abfalltonne rechter Hand lagen fette Fleischbrocken, die offensichtlich von Rindersteaks stammten, Pfirsichschachteln und rosa-braune Klumpen von Nierenfett. Die Essbarkeit der meisten Nahrungsmittel ließ sich nur mit der Nase testen.

Die von Manson, der »Seele« getriebenen Mädchen kannten kein Zaudern, wenn es darum ging, in diesem Berg aus verfaulendem Fleisch und Gemüse herumzuwühlen und das Gute vom Schlechten zu trennen.

Bei der Vorbereitung ihrer Streifzüge bedienten sich die Mädchen ihrer Hexenkünste – in Gedanken versuchten sie das Geschäft zu visualisieren, bei dem sie die besten Abfälle finden würden. Sie schickten ihre »Hexenstrahlen« aus und ermittelten so den Standort der am prallsten gefüllten Tonne. Dorthin fuhren sie dann.

Auf der Spahn-Ranch waren regelmäßig irgendwelche Filmaufnahmen im Gange. Das Karma des Marlboro-Zigaretten-Mannes – einige der Werbefilme waren auf der Spahn-Ranch gedreht worden – muss noch über dem Gelände geschwebt haben. Und so spielten sie Spiele, die Mitglieder der Family. Sie spielten, ob man es glaubt oder nicht, Cowboy und Indianer, mexikanische Messerkämpfer, Flachlandbewohner gegen Gebirgsbewohner, Charlie Manson als mexikanischer Bösewicht, der die Tochter des Börsenmaklers von San Diego vergewaltigt. Sei, was du nicht sein willst; befreie deinen Geist.

Diese Spiele waren Bestandteil der sogenannten Magical Mystery Tour und wurden wie die Gruppensitzungen zelebriert, die die Psyche befreien sollten. Die große Aufgabe bestand darin, inmitten des Wirrwarrs von Charakterzügen, die einem teils durch Reinkarnation vererbt und teils durch die Eltern und die Gesellschaft aufgeprägt worden waren, die wahre eigene Persönlichkeit zu entdecken. Die Rolle, in die der Spieler beim Durchspielen seiner verschiedenen Rollen immer wieder »verfiel«, entsprach seiner wahren archetypischen Persönlichkeit. Charlie nannte das »in eine Rolle verfallen«. Paul Watkins zum Beispiel verfiel immer wieder in die Rolle des Apostels Paulus – und ebenso in eine, die die Gruppe »Daddys Junge« nannte.

Im Laufe der Zeit auf der Spahn-Ranch nahm Manson seinen Anhängern gegenüber eine immer zynischere Haltung ein. Er sagte, er habe »auf der Ranch mit den Kindern herumgespielt« um sich danach in einen alten, klapprigen Lastwagen zu schwingen und verdreckt wie er war zu Dennis Wilsons Haus zu fahren. Dort habe er geduscht, sich teure Sachen angezogen, sich etwas Geld geschnappt und sei losgezogen, um sich auf den Hügeln, wo die Luxusvillen standen, zu amüsieren.

Ein Mädchen namens Roberta, das die Gruppe wenig später verließ um sich auf die sicheren Pfade des Zen-Buddhismus zu begeben, sagte über Manson und sein Verhalten im Sommer 1968: »Er war in vieler Hinsicht wunderbar, und er schenkte viel Liebe.« Ständig knutschten und küssten sich die Mitglieder der Family und schliefen miteinander. Sie schliefen unaufhörlich miteinander. Dazu kam die abgeschiedene Lage der Spahn-Ranch im scheinbar sicheren Fantasieland, die Kunde verbreitete sich, und die Leute strömten in Scharen herbei.

Wie bei jeder anderen Jugendbewegung auch tauchten die meisten Rekruten im Sommer auf. Charlie nervten die herbeiströmenden Scharen und entschied durch Hölzchenwerfen, wer bleiben durfte und wer nicht.

Roberta erinnerte sich: »Charlie war sauer, dass so viele Leute auf der Ranch auftauchten, und so kam er auf diesen Einfall ... wie viele von uns dableiben durften ... Er nahm ein paar Streichhölzer und warf sie in die Luft ... und die Richtung ...«, die Richtung entschied offenbar, wer bleiben durfte und wer gehen musste. »Es lief darauf hinaus, dass eine Anzahl Mädchen gehen musste und eine Anzahl Jungen bleiben durfte.«

Wenn Charlie jemanden nicht um sich haben wollte, äffte er ihn nach. Oder, schlimmer noch, er sang Lieder über ihn. Solche armen Schlucker wurden von den Mädchen dann umgehend von der Fummelliste gestrichen.

Und dann war da für Charlie noch das »Gorilla-Problem«, Typen, die bloß wegen des Sex kamen. Einige der Mädchen, zum Beispiel Ella und Sadie, die gern am Sunset Strip in der Stadt herumlungerten, kamen immer wieder mit »Gorillas« zurück, wie Charlie sie nannte – Typen, die nicht in die Family passten.

Eines der Mädchen (Manson hat immer Sadie beschuldigt) schleppte im Sommer 1968 den heftigen vietnamesischen Tripper auf die Ranch. Es wurde so schlimm, dass Charlie den Arzt kommen lassen musste, um etwas dagegen zu unternehmen. Juan Flynn hatte es so schlimm erwischt, dass er drei Monate brauchte, bis er wieder klar wurde. Als Manson zwei Jahre später der Prozess gemacht wurde, behauptete einer der Mordermittler, Flynn habe sich eine Hundekrankheit zugezogen, die in der Family grassierte, nachdem Manson mindestens eines der Mädchen – offenbar als Bestandteil ihrer Befreiungsexerzitien – dazu verleitet hatte, einen Hund oral zu befriedigen.

Bücher wurden von Manson, dem halbgebildeten Propheten des Unheils, mit einem Bann belegt. Manson hielt anscheinend wenig von Offenbarung 1 Vers 3, wo es heißt: »Selig ist, der da liest.« Was ihn nicht daran hinderte, von den Mädchen zu verlangen, dass sie ihrem Pascha mit der behaarten Brust Texte wie Siddharta und natürlich die Bibel vorlasen.

Charlie verachtete auch, was er »schwarze Sklavenmusik« nannte, und er ließ es nicht zu, dass Platten von Jimi Hendrix gespielt wurden. Trotzdem versuchte er bei manchen seiner Aufnahmen so wie Nat King Cole zu singen und bediente sich für manche seiner Songs bei Blues-Motiven und -Akkordfolgen.

Charlie beeindruckte alle mit seinen Fähigkeiten als Schlagzeuger. Er war »geradezu teuflisch am Schlagzeug«, berichtet Richard Kaplan. Doch sein musikalisches Gehör war offenbar nicht unfehlbar. »Los, gib mir 'n Ton«, hörte man ihn oft sagen, wenn die Spieler in den Pausen bei den Family-Sessions ihre Instrumente stimmten. »Das ist 'n Erleuchtungstest, wie weit du mit dem Schlagzeug bist«, meinte Charlie einmal zu Richard Kaplan.

Aber nicht nur Bücher und Jimi-Hendrix-Platten, sondern sogar Brillen standen auf der Verbotsliste. Charlie glaubte nicht daran, dass George Spahn wirklich blind war. Es war einer von Charlies Ticks: Immer wieder redete er davon, dass George nur durch das Verhalten seiner ehemaligen Frau erblindet sei, die offenbar ein zänkisches Weib gewesen sein müsse. Charlie ließ keine Augenkrankheit gelten. Mary Brunner soll vierzehn Brillen besessen haben, wie Danny De Carlo berichtet, aber Charlie belegte sie mit seinem Bann: »Keine Brillen.«

Charlie legte es auch darauf an, andere mit seiner Macht über Tiere zu beeindrucken. Er nahm Schlangen in die Hand und bändigte sie mit seinem Blick oder ließ es zu, dass die Pferdebremsen der Spahn-Ranch auf seinem Mund und seinen Lippen herumkrabbelten. Er habe sie verzaubert, behaupteten die Mädchen, und deshalb stächen sie ihn nicht.

Später war es immer sehr beeindruckend, wie auch andere Family-Mitglieder gelassen die Bremsen auf ihren Lippen ertrugen, denn Pferdebremsen können, wenn sie wollen, eine Lippe regelrecht zerbeißen.

Charlie hätte für seine wachsende Family gern den abgelegenen hinteren Teil der Ranch gehabt. Dort befand sich eine Bruchbude, die hauptsächlich aus einem großen Raum mit einem steinernen Kamin und einem großen, in viele kleine Scheiben unterteilten Fenster bestand. Um sie mit Strom zu versorgen, hatte man die Überlandleitung heimlich angezapft. Und für die Wasserversorgung nahmen sie das ziemlich eklige Wasser aus dem Creek, von einem selbstgebauten Damm flussaufwärts. Eine kleine Wasserpumpe beförderte es in einen Tank am Berghang. Von dort gelangte es durch einen grünen Plastikschlauch ins Badezimmer, und ein weiterer grüner Wasserschlauch führte durch das Wohnzimmer in die Küche.

Wie in jeder Siedlung am Rand der Wüste lagen auf der Spahn-Ranch Berge von alten, rostigen Autoteilen und Maschinen herum. Diesen chaotischen, verstaubten, verödeten, wertlosen, schäbigen und baufälligen Gebäudekomplex mit seinen Blech- und Teerpappdächern und seinen kaputten Fenstern wollte Charlie also mit seiner Haschhorde erobern. Aber dieser Komplex war abgelegen und, wichtiger noch, ihr Besitzer war ein schwacher, konfuser, blinder alter Marin, der ständig von Verwandten und Bekannten bedrängt wurde, die ihm allerlei unerbetene Ratschläge erteilten und ihn teils auszunehmen versuchten.

Schließlich schaffte es Manson: Er vertrieb die bisherigen Bewohner aus dem hinteren Teil der Ranch und nistete sich selbst dort ein.

Ein Biker aus Topanga, den einige von der Family wahrscheinlich im Galaxy Club in der Stadt kennengelernt hatten, gab Richard Kaplan etwas LSD, das sich jedoch als PCP-Tiersedativum entpuppte, im Dope-Land auch als Steam bekannt – eine schräge, geisteszersetzende Droge. Voll auf Steam stolperte Kaplan in Charlies Büro am Ende des Plankenwegs und fand dort Charlie und die inbrünstigen Zwanzig vor, wie sie einem Band mit Songs – von na wem wohl – lauschten. Charlie machte mit ihm einen Rundgang durch das Camp der Family und fragte ihn, ob er nicht der Family den hinteren Teil der Ranch, die er, Charlie, doch so dringend brauchte, überlassen könne. Im Austausch dafür bot er ihm das mit Hexenemblemen bemalte Zelt an. Und so gab Kaplan, voll auf Stoff, den hinteren Teil der Ranch her. Noch in derselben Nacht feierte die Family ihren Umzug vom Filmgelände zum hinteren Teil der Ranch mit einer Orgie. Kaplan besitzt auch heute noch jenes Hexenzelt, eine erstklassige Reliquie des Manson-Wahns.

Wie es sich für anständige Bücherhasser gehört, verbrannte die Family alle Bücher Kaplans, darunter alle Literatur über Magie und Richard erinnerte sich noch voller Sentimentalität daran, wie seine Bücher über Alchemie und Nietzsches Jenseits von Gut und Böse in der steinernen Feuerstelle der hinteren Ranch in Flammen aufgingen.

Inzwischen waren weiter nördlich in Mendocino-County die Hexenmädchen am 16. August 1968, nachdem sie 55 Tage im Knast zugebracht und sich dann schuldig bekannt hatten, auf freien Fuß gesetzt worden. Charlie schickte Brenda und Squeaky nach Ukiah, um die freigelassenen Mädchen zur Spahn-Ranch zurückzuholen. Eifrig richteten sie den hinteren Teil der Ranch her, damit die Mädchen einen Ort hatten, wo sie sich auf die bevorstehende Gerichtsverhandlung vorbereiten konnten, die ein paar Wochen später, Anfang September, stattfinden sollte. Als Brenda und die Mädchen mit dem schwarzen Bus zurückfuhren, hatten sie in San Jose eine Panne und blieben dort hängen.

Um den 20. August herum rief Bob Beausoleil, der mit seinen Mädchen in Nordkalifornien unterwegs war, auf der Spahn-Ranch an. Irgend etwas stimmte nicht mit dem Übereignungsschreiben für den Lastwagen, den George Spahn ihm gegeben hatte, und deshalb rief er an, um die Sache aufzuklären. Bei dieser Gelegenheit erfuhr Beausoleil, dass der schwarze Bus in San Jose steckengeblieben war.

Im Juni 1968 lebte ein achtzehnjähriges Mädchen namens Leslie Van Houten mit einigen Freundinnen auf der Kalen-Ranch in der Nähe von Victorville und Apple-Valley, Kalifornien. Dort tauchte Bob Beausoleil auf, der die Gruppe mit seinen Messerwerfertricks ins Staunen versetzte. Er schnappte sich Leslie Van Houten und brauste in einem blauen 1962er Volkswagen davon, der dem Stiefvater von Leslies Zimmergenossin gehörte. Dieser VW wurde später in San Francisco ausgeschlachtet und landete auf dem Schrottplatz.

Den ganzen Sommer über fuhren Gail und die schöne Gypsy, die Verkörperung der Magna Mater, und Leslie und Beausoleil und zwei unbekannte Blondinen aus San Francisco im nördlichen Kalifornien herum; sie benutzten dazu den alten schwarzen, auffrisierten Dodge, der früher George Spahn gehört hatte.

Leslie Van Houten war in Cedar Rapids, Iowa geboren. Auf der Monrovia High School in Kalifornien war sie in den unteren Klassen Kassenwartin gewesen. Sie gehörte der Hilfsorganisation Jobs Daughters an und war ein eifriges Mitglied des Kirchenchors. Sie hatte mystische Neigungen, engagierte sich in der Self Realization Fellowship, wurde zum Dropout, lernte Beausoleil kennen und geriet allmählich immer tiefer in das Netz aus Abmachungen, Unterwerfungen und Verwandlungen, die schließlich in Mord enden sollten.

Nachdem Beausoleil also Ende August erfahren hatte, dass der schwarze Bus in San Jose hängengeblieben war, machten er und seine Freundinnen sich dahin auf und schleppten den Bus zu einer Pflaumenplantage. Es existieren widersprüchliche Angaben über diesen Punkt. Offenbar organisierte Beausoleil einen neuen Bus für die Family, und der alte wurde aufgegeben. Auch der neue Bus wurde schwarz angemalt.

Als Beausoleil mit seiner Mädchentruppe in San Jose zu den Mitgliedern der Family stieß, kam es unter Beausoleils Freundinnen zu Eifersuchtszankereien, so dass er sich gezwungen sah, Gypsy und Leslie aus seinem Gruselrudel auszustoßen. »Unter hundert Mädchen, mit denen ich schlief, war im Schnitt eine, mit der was los war und die ich in mein Rudel aufnahm«, sagte er. Little Paul, Gypsy und Leslie fuhren daraufhin von San Jose zur Spahn-Ranch.

Während sich die Family noch in San Jose aufhielt, nahm eine Lehrerin namen Joan Wildbush alias Juanita vier Tramper mit. Es waren T. J. Walleman alias T. J. der Schreckliche, Tex Watson, Ella Sinder und Clem alias Matschkopf. Joan Wildbush war mit ihrem funkelnagelneuen 1968er Dodge-Caravan in der Nähe von Palo Alto, Kalifornien unterwegs; so jedenfalls hat sie es später der Polizei erzählt. Als Lehrerin hatte sie damals gerade Schulferien; sie war eine lebhafte junge Dame von rubenschen Ausmaßen. Sie nahm die vier mit nach San Jose, wo man sie offenbar überredete, mit hinunter zur Spahn-Ranch zu fahren und Charlie kennenzulernen. Juanita war in der Sprache der Polizeiberichte eine Weiße, an die einssechzig groß, blond, blauäugig, Körpergewicht 65 Kilo, Geburtsdatum 21. Januar 1944.

Manson muss ihre Seele während einer jener ganztägigen Liebes-Sessions mit den »Liebesstrahlen« seines Gesangs entflammt haben, jedenfalls vermochte er auch sie auf Anhieb in den Pferch seiner Anhängerinnen zu locken. Sie entnahm einem Treuhandfonds, den ihr Vater, ein Anwalt in New Jersey, für sie eingerichtet hatte, 11.000 Dollar und händigte sie Satan aus. Die Family war außer sich vor Freude.

Um diese Zeit entdeckte Manson im South Topanga-Canyon einen großen neuen 1957er White- oder GMC-Schulbus, der einer Dame namens Mitzi gehörte. Sie erblickten den Bus, als Manson, Kaplan und Ouisch eines Tages aus irgendeinem Grund durch den Canyon brausten. Der Preis betrug 600 Dollar. Mit Hilfe der von Juanita eingebrachten Beute kaufte Manson den Bus.

Die Family malte den Bus hellgrün an und stattete ihn für mögliche spätere Trips aus.

Dean Morehouse erinnert sich, gesehen zu haben, dass Tex und Mary Brunner eines Tages in dem neuen grünen Bus zum Cielo Drive gefahren seien; sie hätten Terry Melcher besuchen wollen, doch sei der nicht zu Hause gewesen.

Ein weiterer Einfluss auf Mansons Denken rührte von der religiösen Gemeinschaft Fountain of the World her, die ihren Sitz westlich der Spahn-Ranch im Box-Canyon, in der Nähe der Feuerwehr von Santa Susanna, hatte. Er war sehr beeindruckt von dieser Gruppe und hielt sich häufig dort auf.

Es handelte sich um eine christlich-apokalyptische Sekte, die sich dem »Frieden durch Liebe und Dienst am Nächsten« verschrieben hatte (so oder so ähnlich lautete das Schild auf dem Hügel oberhalb des Hauptsitzes) und jeden Samstagabend öffentliche Versammlungen abhielt. Mehrere Arbeiter von der Spahn-Ranch, darunter auch Shorty Shea, gehörten der Gruppe an und besuchten regelmäßig die Versammlungen und die Singgruppen. Auch Manson und die Family nahmen gelegentlich an diesen Versammlungen teil. Einer der Anführer der Fountain of the World war ein Schwarzer namens John; Manson versuchte mehrmals, seinen Platz zu übernehmen. Die Mitglieder der Sekte trugen Kutten und lebten im Zölibat. Charlie beauftragte einige seiner Mädchen, die Priester des Ordens zu verführen, doch offenbar ohne Erfolg.

Die Fountain-Bewegung war von einem heiligen Mann namens Krishna Venta, der später eines gewaltsamen Todes starb, gegründet worden. Die Family fand Geschmack an der von Gewalt geprägten Geschichte der Fountain. Zu der Niederlassung des Ordens gehörten unterirdische Kammern und Höhlen, in denen die Mitglieder ihren Kult verrichteten. In den Anfängen der Sekte war es zu Streit gekommen, und unbekannte Mitglieder hatten den Gründer, Krishna Venta, und neun seiner Jünger in die Luft gejagt – mit Hilfe von vierzig Dynamitladungen, die sie in den Katakomben angebracht hatten. Das hatte sich am 10. Dezember 1958 ereignet, doch die Fountain-Bewegung bestand fort und florierte noch immer, als Manson sie kennenlernte.

Von ihr scheint Charlie auch die Idee zu seiner Kreuzigungszeremonie übernommen zu haben. In der Nähe der Fountain-Niederlassung befand sich ein großer Felsen, der wie ein riesiger Schädel aussah. Auf der Spitze dieses »Schädels« stand ein Holzkreuz. Mitglieder der Sekte, so heißt es, ließen sich an dieses Kreuz binden, um zu büßen oder zu meditieren. Verrückt.

In der Nähe der Spahn-Ranch entdeckte die Family eine verborgene Lichtung, die von einem natürlichen Wall riesiger Felsblöcke abgeschirmt wurde. Auf der einen Seite dieser Lichtung befand sich ein Hügel, der »Hügel des Martyriums«. Auf dieser hügeligen, im Schutz von Felsen liegenden verborgenen Lichtung fand möglicherweise die erste LSD-Kreuzigungszeremonie der Welt statt.

Dort machten sie sich über Charlie her und banden (nicht nagelten) ihn als Jesus an ein aus Baumstämmen zusammengehauenes Kreuz, während andere, die als Peiniger oder Jünger agierten, ihn verhöhnten oder beweinten. Eines der Mädchen spielte die Mutter Maria, wie sie in einen weiten Mantel gehüllt und wehklagend am Fuß des Kreuzes kniet.

Dann wurde gefickt, offensichtlich im Anschluss an eine Art Auferstehungsgottesdienst.

Im August 1968 verbrachte ein Teil der Family ungefähr eine Woche bei der Fountain of the World. Es heißt, Manson habe der Fountain-Bewegung rund 2.000 Dollar von Juanitas Geld gegeben.

In irgendeinem Stadium ihrer Entwicklung begannen die Mitglieder der Family – insbesondere die Mädchen – zu allem, was Charlie sagte, »Amen, Amen« zu sagen, so als seien seine Worte göttlich.

Manson fing an, seine Anhänger Gehorsamkeitsprüfungen zu unterziehen. So befahl er zum Beispiel Sadie Glutz einmal beim Essen, ihm eine Kokosnuss zu besorgen, und wenn sie deshalb bis nach Rio müsste. Prompt stand sie auf und trabte los. Nachdem sie einige Schritte getan hatte, rief er sie jedoch wieder zurück. Ein andermal, bei einer Versammlung der Fountain-Sekte, wollte er deren Mitgliedern mit der Ergebenheit seiner eigenen Anhänger imponieren und wies Little Paul an, eine Woche am Kreuz zu verbringen – worauf Little Paul allerdings spontan Fersengeld gab. Doch der Hexenmeister zeigte Erbarmen und rief ihn zurück.

Am 20. August 1968 musste die hochschwangere Sadie Mae Glutz alias Susan Atkins vor dem Obersten Gerichtshof des Mendocino-County erscheinen, wo sie sich wegen Drogenbesitzes schuldig bekannte. Da ein vom Gericht angeforderter Bewährungsbericht noch ausstand, wurde sie aufgefordert, am 30. August zur Urteilsverkündung erneut vor Gericht zu erscheinen. Man war übereingekommen, dass Susan/Sadie die Marihuanasache auf sich nahm und Mary Brunner die LSD-Anklage, damit die anderen frei ausgingen.

Es gelang Sadie mit ihrem Charme den Bewährungshelfer, einen gewissen David Mandel, einzuwickeln, und so fasste dieser einen verständnisvollen Bericht ab, eine Art »Schaden-an-der-Seele«-Dokument. Der Bericht schließt: »Unserer Meinung nach, Euer Ehren, wäre eine Inhaftierung der Beklagten von geringem oder gar keinem Nutzen für die Gesellschaft und für sie selbst. Bereits als Minderjährige befand sie sich auf dem Weg in ein Leben, das aus geringfügigen Betrügereien bestand, aus Edelprostitution und Prostitution im allgemeineren Sinne, und machte sich zu einem Objekt der Unterhaltung und Ersatzbefriedigung für andere gestörte Seelen.«

Den Hexen von Mendocino waren auf der Spahn-Ranch nur ein paar Tage der Ruhe vergönnt, dann mussten sie wegen ihrer Rauschgiftprozesse wieder aufbrechen.

Ende August trafen die Mädchen ihre Vorbereitungen für die Reise nach Mendocino, für die sie den neuen grünen und weißen Bus benutzten. Sie fuhren den Küsten-Highway über Big Sur hinauf nach Mendocino-County. Sadie saß am Steuer.

Am 30. August 1968 wurde Sadie Mae Glutz vom Obersten Gericht des Mendocino-County auf Grund ihres Schuldbekenntnisses für schuldig befunden, gegen die kalifornischen Rauschgiftgesetze verstoßen zu haben. Die verhängte Strafe von 60 Tagen Haft wurde auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

Offenbar blieb sie vor Ort und wartete den Prozess der anderen Mädchen ab, der am 6. September stattfand. An diesem Tag bekannte sich Mary Theresa Brunner alias Mother Mary schuldig, gegen die Rauschgiftgesetze verstoßen zu haben, und Richter Robert Winslow verurteilte sie zu 60 Tagen Gefängnis unter Anrechnung der Untersuchungshaft. Obgleich Mary Brunner ebenfalls einen günstigen Bewährungsbericht vorzeigen konnte, wurde sie ins Gefängnis gesteckt.

Roger Smith, vormaliger Bewährungshelfer von Charlie Manson, der 1968 ein Programm zur Drogenrehabilitation in der Haight-Ashbury-Klinik betrieb, erzählte mir später in einem Interview, dass Terry Melcher und Dean Morehouse in einem dicken Jaguar nach Mendocino gefahren seien, um Mary Brunners Baby abzuholen. Während Pooh-Bears Mutter ihre Strafe in Mendocino absaß, kümmerte sich Smith's Frau um das Kind und brachte es später seiner Mutter zurück.

Die übrigen Beklagten, Mary Ann Scott alias Stephanie Rowe, Katherine Smith alias Patricia Krenwinkel alias Katie sowie Ella Bailey alias Ella Sinder, gingen frei aus. Ein anderer Typ, ein gewisser Robert Bomse, wurde wegen Besitzes von Marihuana verurteilt.

Diese Übung in Gerechtigkeit, diese Aufdeckung einer Hippie-Hexen-Kabale kostete Mendocino-County eine beachtliche Summe Geldes. Allein für die Pflichtverteidiger musste der Steuerzahler 3.000 Dollar aufbringen.

Nach der Gerichtsverhandlung vom 6. September 1968 traten Susan Atkins alias Sadie Glutz und die Mädchen die Heimreise an. In San Jose machten sie für einige Tage Zwischenstation. Susan war hochschwanger, das Kind sollte in ungefähr sechs Wochen geboren werden. Susans Vater behauptet, dass Manson, Susan und mehrere andere Mitglieder der Family damals einige Tage bei ihm gewohnt hätten. Es trifft zu, dass im September 1968 etliche Mitglieder der Family in San Jose herumgammelten.

Eines Tages im September 1968 tauchte Manson in Dennis Wilsons Haus am Malibu-Beach auf und erklärte ihm und Gregg Jakobson im Stil eines psychedelischen Billy Graham, dies sei die Stunde der Entscheidung. Jetzt sei der Augenblick gekommen – entweder sie machten mit, oder sie ließen es bleiben. Für oder gegen Manson, hieß die Parole. Jakobson und Wilson sollten wählen. Die Family sei für sie, aber waren sie auch für die Family?

Tex Watson, die Sportskanone aus Copeville, Texas, schloß sich der Family in jenem Herbst für immer an. Er gab seinen Perückenladen am Santa-Monica-Boulevard auf und übergab Manson seinen 1935er Dodge-Lieferwagen.

Manson lernte eine Menge interessanter Leute in Wilsons Strandhaus kennen, darunter eine wohlhabende junge Dame namens Charlene Cafritz. Mrs. Cafritz machte in Wilsons Haus ein paar Filmaufnahmen von Manson und einigen seiner Mädchen. Im Spätherbst besuchte er sie für zwei Wochen auf ihrer flotten Luxusranch in Reno, Nevada. Davon später mehr.

Während sich Manson in San Jose aufhielt, lief ihm ein gewisser Patterson über den Weg, der offensichtlich für eine lokale Underground-Zeitung schrieb. Manson erzählte Patterson eine Geschichte, die bezeichnend ist für seine Unberechenbarkeit.

Manson erzählte – und Patterson war verblüfft, weil Manson so ganz wie ein Anhänger der Flower-Power-Bewegung wirkte –, dass er vor ein paar Monaten einen Vater und dessen Tochter mit einem Messer in der Hand die Straße entlanggejagt habe und bereit gewesen sei, sie niederzustechen. Manson erklärte diese Mordgelüste mit den Zahnschmerzen, die er damals gehabt habe. Das Gift von dem entzündeten Zahn müsse in sein Gehirn gesickert sein.

Ein gewisser Victor Wild alias Brother Ely hatte zusammen mit seiner Freundin und einem anderen Pärchen einen Lederladen im Viertel der Hippie-Läden, nahe dem San Jose State College eröffnet. Wild fertigte Lederhosen und -jacken für Mitglieder der Motorradgangs. Mitglieder der Gypsy Jokers hingen ständig dort herum. Einer der Gypsy Jokers war an einem Mädchen, das mit dem Laden zu tun hatte, interessiert, und so entwickelten sich rasch Beziehungen zwischen dem Laden und dem Club.

Brother Ely alias Wild schloss sich den Gypsy Jokers so eng an, dass er sogar ihren »Flicken führte«, das heißt, dass er, wie die Polizei von San Francisco berichtete, eine Jacke mit dem Emblem des Clubs trug.

Die Manson Family wohnte in San Jose bei einigen Gypsy Jokers. Charlie erzählte einem Mitglied der Straight Satans, dass die Family in jenem September in verschiedenen Wohnungen von Gypsy Jokers gewohnt habe. Später ließ die Family bei Victor Wild einige Lederklamotten für Manson, Watson und andere anfertigen.

Die Gypsy Jokers neigten zu brutaler Gewalt. Sie gehörten zur »Elite« der Biker-Clubs. Wild soll es nach Aussage ehemaliger Freunde genossen haben, sie bei ihren Gewalttaten zu beobachten.

Die Gypsy Jokers lebten in einer Welt von Tarnnamen und nannten sich Theo, Dago, Dirty Doug, Gypsy Jack, der Thumper, Frenchy oder Big Rich. Zu der Gruppe gehörte ein Krebskranker im Endstadium, der beschlossen hatte, schaurig-schön zu sterben, sowie ein einbeiniger Typ namens Garbage Can, der in seinem Holzbein ein eingebautes Schießeisen bei sich trug. Im September 1968, bei einem Labor-Day-Ausflug ins Mendocino-County, kam Brother Ely mit und wohnte in aller Ruhe – so berichtet es ein Augenzeuge – einem gewalttätigen, sadistischen Turnout bei, in der Biker-Sprache der Ausdruck für die Vergewaltigung einer Frau durch die Gang. Nur dass eben dieses Mädchen fast umgebracht wurde – sie wurde geschlagen, getreten und würgte und kotzte beim Oralverkehr, während vier Männer sie gepackt hielten und ihr ins Gesicht schlugen, wenn sie nicht gehorchte. Danach hoben sie sie auf, zogen ihr die Kleider an und setzten sie an einer Straße in der Nähe aus.

Im August 1968 waren Brother Ely und seine Freundin bereits zugegen gewesen, als einige Gypsy Jokers einem Mann mittleren Alters wiederholt eine Wagentür an den Kopf schmetterten, weil der einen der Biker in einer obskuren Bar in San Jose als »Schwulen« bezeichnet hatte.

Im Dezember 1968 erschoss die Polizei ein Mitglied der Jokers, als zwanzig oder dreißig Mitglieder des Clubs ein Haus an der Sunnyvale-Road in San Jose niederbrannten.

Es gibt einen interessanten Artikel, der in einer Zeitung in Berkeley erschien und von einem gewissen Blaine verfasst wurde. In diesem Artikel wird behauptet, Charles Manson habe im Sommer und Herbst 1968 mit einer »Todeskult«-Sekte Kontakt gehabt, deren Sitz sich in dem berüchtigten Devil House in der Waller-Street im Haight-Distrikt befand. Das Devil House, man wird sich erinnern, war das in der Zeit der Flower-Power-Bewegung von den Diggers geführte Pennheim gewesen. Manson behauptete, vorübergehend dort gewohnt zu haben.

Wie dem auch sei, dieser Artikel scheint mit den bekannten Fakten übereinzustimmen, so dass er hier, zu dreißig Punkten zusammengefasst, wiedergegeben werden soll.

Blaine behauptet unter anderem folgendes :

1. Er hörte von Manson zum ersten Mal im Jahre 1964, als er (Blaine) sich als Häftling im US Medical Center befand. Dort lernte er einen Mann namens Richard kennen, der aus dem Bundesgefängnis auf McNeill-Island in Washington kam. Richard war ein schwuler Knastbruder von Manson gewesen und erzählte, dass er versucht hätte, sich umzubringen, weil Manson seine Zuneigung zurückgewiesen hätte. Daraufhin sei er ins US Medical Center eingewiesen worden.

2. Blaine lernte diesen Richard in der Gefängnisbibliothek des Medical Center kennen. Richard habe eine Menge Zeug über seinen »verlorenen Geliebten« geplappert – dabei hat er Manson offenbar mit Namen genannt und ihn als Häftling aus West Virginia bezeichnet. Blaine erinnert sich an folgenden Ausspruch Richards über Manson: »Charles wird eines Tages ein großer Mann sein.« – Warum? – »Weil er alles über Magie weiß.«

3. Aus dem Gefängnis entlassen, suchte Blaine die Haight-Ashbury-Love-Szene von 1967 auf. Hier begegnete er Manson im I-Thou-Coffeeshop, allerdings ohne zu ahnen, dass er es war. Er unterhielt sich mit ihm, und Manson erwähnte, er sei eben aus dem Knast gekommen. Im weiteren Verlauf der Unterhaltung hätte er dann herausgefunden, dass Manson Richards »verlorener Geliebter« war. Manson sagte angeblich, dass er es jetzt mit Mädchen halte: »Jungens sind nicht das Richtige. Draußen müssen es Mädchen sein. Mädchen lassen sich leichter beherrschen als Jungen.« – Und: »Mensch, ich weiß doch, was läuft. Das ist nämlich so: Zwei Skorpione würden sich gegenseitig nur zu Tode stechen.« An diesem Gespräch nahm auch ein gewisser Sam Tela teil. Manson verließ den Laden, und Blaine sah ihn ungefähr ein Jahr lang nicht mehr.

4. Blaine und Manson begegneten sich im Sommer/Herbst 1968 wieder, auch diesmal im Haight-Distrikt.

5. Blaine behauptet, mit einer »Todes-Sekte«, The Companions of Life, in Berührung gekommen zu sein. »Manson wählte für die Kirche, die er später gründete, den Namen ›The Final Church‹,« schrieb Blaine. Diese Kirche hatte ihren Sitz in einem Ashram in der Waller-Street bzw. im Devil House.

6. Mitglieder der Kultgemeinschaft sagten, wenn von Manson die Rede war, er lebe in Los Angeles, auf einem »Filmgelände« – gemeint war offensichtlich die Spahn-Movie-Ranch.

7. Anführer dieser Sekte war offenbar ein gewisser Father P, der 66te (666te ?), alias Carl, der von sich behauptete, einen Doktortitel der Medizin und der Philosophie zu besitzen und ein Magier zu sein. Er trug einen Schnurrbart und es hieß, er sei aus dem Vor-Castro-Kuba ausgewiesen worden; ferner wurde gesagt, er habe eine Kirche in North Carolina in Brand gesteckt und sei deshalb aus der Stadt vertrieben worden, und er sei erst vor kurzem aus Damaskus nach Amerika zurückgekehrt.

8. Die Sekte war homosexuell. Es gab zwar einen Pennraum, wo auch Mädchen schlafen konnten, doch der Zutritt zum Allerheiligsten, zu den inneren Räumen des Homo-Thanatos-Kultes, war Frauen untersagt.

9. Angeblich nahm Manson im Spätsommer 1968 an einem Prozess wie aus dem Mittelalter teil, bei dem darüber entschieden werden sollte, ob man ein früheres Sektenmitglied namens Sadyi »wegen Verbrechen gegen den Haight-Ashbury-Bezirk, gegen die Natur und gegen Pussycat« zum Tode verurteilen solle oder nicht. Man beschuldigte ihn, a) den Haight mit einem Fluch belegt, b) mit einer Frau verkehrt und c) einen Dämonen veranlasst zu haben, in den Körper von Father P. s Kultknaben Pussycat einzudringen.

10. Was Pussycat betraf, so behaupteten sie, Sadyi sei, nachdem er die Sekte verlassen hatte, eines Nachts ins Kulthaus eingedrungen und habe irgendwie den Dämonen veranlasst, von Pussycats Leib Besitz zu ergreifen. Folglich zielte die Zeremonie offenbar auch darauf ab, Sadyis Dämon aus Pussycat auszutreiben. Armer Pussycat.

11. Manson kreuzte mit einer weißen Frau auf, möglicherweise Sadie Atkins-Glutz, die jedoch im »Pennraum« bleiben musste und den »Gerichtssaal« nicht betreten durfte. Ein gewisser Smith, ein ehemaliger College-Lehrer, soll Blaine gegenüber behauptet haben, Manson sei aufgefordert worden, dem Prozess »beizusitzen«, da Manson ein magischer Stellvertreter von Father P. gewesen sei. Offenbar wurde Manson seine Neigung für junge Damen nachgesehen, solange er diese nicht ins Allerheiligste brachte.

12. Charlie sprach davon, dass er »bald sein eigener Meister« sein werde. Charlie saß neben einer Person, die als D. K. bezeichnet wurde, auf einer Matratze.

13. Zu Beginn des Prozesses zog Father P. eine braune Tunika an und bereitete seine Reliquien für die »Reinigung« vor.

14. Als Pussycat um sich schlug und Father P. einen Aufwiegler nannte, fesselten sie den zwanzigjährigen Jungen an Händen und Füßen und knebelten ihn.

15. Darauf rannte Father P. im Raum umher und schrie: »Ich bin Gott! Ich bin Satan! Ich bin Jesus!«, während Pussycat mit seinem Knebel im Mund stöhnend auf dem Boden lag.

16. Father P. verkündete, Pussycat sei abermals von Sadyi besessen, und schickte deshalb Manson und D. K. los, Weihwasser aus einer nahe gelegenen Kirche zu stehlen.

17. Blaine und Smith hielten Wache über dem gefesselten Kultknaben, während die beiden anderen das Weihwasser holten.

18. Manson und D. K. kamen zurück, und Father P. spritzte das Weihwasser auf Pussycats Gesicht.

19. Pussycat beruhigte sich. Father P. veranlasste die anderen, Pussycat von seinen Fesseln zu befreien, doch sobald sie ihm den Knebel aus dem Mund genommen hatten, fing Pussycat wieder an zu schreien. Daraufhin wurde er von Father P. und Manson wieder gefesselt.

20. Father P. rannte nun angeblich zum Altar, ergriff ein großes, »gestohlenes« Holzkruzifix und schlug Pussycat damit ins Gesicht.

21. Blaine behauptet, er sei daraufhin zu seinem Kleinbus gerannt und habe ein kleines Tonband geholt, das er dann in den Ashram geschmuggelt habe, um die Zeremonie aufzunehmen.

22. Pussycat brüllte: »Hilfe! Polizei!«

23. Father P. drohte dem gefesselten Pussycat, dem er Fußtritte versetzte, ihn wieder zu knebeln.

24. Offenbar ging es eine Zeitlang wirklich nicht ganz geheuer zu, jedenfalls erwogen sie allen Ernstes, den Jungen zu opfern. »Wenn du sterben musst, wird Sadyi mit dir sterben«, soll Father P. gesagt haben.

25. D. K. holte einen Holzpflock und machte sich daran, an ihm herumzuschnitzen, wobei er sagte: »Er muss sterben.«

26. Leute kamen zur Tür herein und unterbrachen das, was sich drinnen abspielte. Nun versuchte Father P., den Knaben von dem Einfluss Sadyis zu befreien: »Sadyi, hinfort mit dir, oder ich werde deinen Körper unter großen Schmerzen zerstören. Ich werde ihn Stück um Stück verbrennen, und ich werde ihn in kleine Stücke schneiden.« Natürlich hätte er dabei auch Pussycat umbringen müssen.

27. Blaine behauptet, dass Manson am nächsten Tag im Bus zur Spahn-Ranch zurückgefahren sei.

28. Blaine sagt, dass Father P. bald darauf nach Los Angeles gereist sei und Manson dort besucht habe.

29. Blaine behauptet, dass er später, nach dem Tod eines Mitglieds der Companions of Life, Father P. und Pussycat hinunter zum Topanga-Canyon gefahren und die beiden dort abgesetzt haben.

30. Was besagten Sadyi und seine schwangere Frau betrifft, so machten sich die beiden angesichts dieser üblen »Vibrationen« schnellstens aus dem Staub und verließen den Haight. Auf diese Weise bekam zumindest ein Teil der Story ein Happy-End – oha!

Nach und nach scheint die Manson Family in die Nähe von Los Angeles zurückgekehrt zu sein, wo sie auf der Spahn-Ranch den späten September und Oktober verbrachte. Den alten schwarzen Bus, den Bus der Liebe, gab Charlie einem Typen namens John, jenem Freund von Sandy Good, der eine Zeitlang im hinteren Teil der Ranch gewohnt hatte. John gab Charlie dafür einen Lieferwagen. John fuhr mit dem schwarzen Bus zu einer Kommune nach Oregon, die sich Commune of the Sacred Heart nannte.

Was Beausoleil angeht, so verbrachten er und seine Freundin-Frau Gail im Frühherbst die Zeit in Santa Cruz und gingen dann nach Santa Barbara, wo er seinen Lieferwagen gegen ein Boot eintauschte, auf dem er dann im Hafen von Santa Barbara lebte. Gail setzte sich ab und kehrte nach San Francisco zurück, während Beausoleil auf seinem Hausboot blieb. Zu einem späteren Zeitpunkt habe Manson ihn auf dem Hausboot besucht, so berichtete Beausoleil, und ihn gebeten, mit ihm zu kommen und bei der Vorbereitung eines Plattenalbums zu helfen. Beausoleil tat es.

Irgendwann Anfang Oktober bei einem Gruppen-LSD-Trip brach unter den Mitgliedern der Family ein Kampf aus; sie knurrten sich an und peitschten einander und versuchten, sich gegenseitig in das brennende Kaminfeuer zu werfen. Die Family-Legende erzählt, dass es ihnen schließlich gelungen sei, einander in die Flammen zu stoßen, und sogar eine Katze hätten sie in die Flammen geworfen, aber ihrer aller Seele sei so stark gewesen, dass niemand verbrannt sei.

Am 7. Oktober 1968 hatte Susan Atkins alias Sadie eine Frühgeburt. Es war ein Junge, den sie, bei der Augenbraue des Ra, Zezo Ze-ce Zadfrak nannte, kurz Zezo. Als Sadie der glücklichen Family verkündete, dass die Geburt bevorstünde, wurde Manson wütend. Es sei doch etliche Wochen zu früh. Statt dessen forderte er Sadie auf, einen Topf mit Wasser aufzusetzen. Er wolle sich rasieren. Als sie im Badezimmer das Wasser erhitzte und den Rasierspiegel für ihn aufstellte, kam das Baby. Ungeachtet der eintretenden Wehen machte er sich daran, sich zu rasieren, und erteilte so seinen Anbetern eine Lektion in Kaltblütigkeit und Gelassenheit. Auf die Family wirkte es fast wie eine Zauberformel, wie er auf diese Weise die »Macht der Angst brach«, so nannten sie es.

Offensichtlich sang die Family Lieder, um die Atmosphäre bei Sadies Entbindung zu entkrampfen. Die Family hatte eine besondere Form von Entspannungs-Mantra, die sie in Zeiten der Anspannung sang. Dieses Entspannungs-Mantra wurde von den Beach Boys als Koda dem abschließenden Fadeout des Songs »Cease to Exist/Resist« hinzugefügt.

Es war eine Steißgeburt. Als die Mutter zuerst den Arm und dann den Körper des kleinen Zezo hervor presste, hörte Manson – so will es die Legende – auf zu singen und riss von seiner spanischen Gitarre eine Saite ab, um damit die Nabelschnur abzubinden.

In der Woche darauf fuhren Tex Watson und Dean Morehouse in Terry Melchers Jaguar nach Ukiah, um Mary Brunners Baby, Pooh Bear alias Valentine Michael Manson, zu holen. Diese Angelegenheit ist immer noch mit einer Mauer des Schweigens umgeben, doch weiß man, dass Terry Melcher Mitgliedern der Family erlaubte, seinen Jaguar und seine Standard-Oil-Kreditkarte zu benutzen. Die Family beglich dicke Rechnungen mit dieser Kreditkarte, die sie immer dann benutzte, wenn sie größere Reisen unternahm.

Mrs. Roger Smith war, wie man sich erinnern wird, zur Pflegemutter von Pooh Bear ernannt worden, als Mary Brunner in Mendocino mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. Ihr Mann war Mansons Bewährungshelfer gewesen und leitete später im Rahmen der Freien Klinik von Haight-Ashbury ein Programm zur Bekämpfung der Drogensucht.

An dem Tag, als Tex und Dean nach Mendocino fuhren, brachte Mrs. Smith, offenbar auf Aufforderung des Vormundschaftsgerichts, das Kind nach Ukiah, um es seiner Mutter zurückzugeben.

Etwa zur gleichen Zeit, also irgendwann am Abend des 13. Oktober 1968, wurden nur sechs Meilen südlich von Ukiah am US-Highway 101 zwei Frauen – Cilda Delaney und Nancy Warren – zu Tode geschlagen und erwürgt. Um ihre Hälse fanden sich zwei knapp einen Meter lange Lederriemen, die als Drosselwerkzeuge benutzt worden waren.

Mrs. Warren war die Ehefrau eines Polizisten von der Highway Patrol und im achten Monat schwanger. Mrs. Delaney war ihre 64jährige Großmutter, die neben ihrem Trailer-Haus einen kleinen Antiquitätenhandel unterhielt.

Dieser Doppelmord wird hier erwähnt, weil es der erste einer ganzen Reihe ungeklärter Mordfälle ist, bei denen sich merkwürdigerweise stets Mitglieder der Family in der Nähe des Geschehens aufgehalten hatten. Am Abend dieser grässlichen Ereignisse zumindest waren – darauf wies Bob Richardson vom Sheriffbüro in Mendocino-County hin – zwei der später wegen der sogenannten Tate-LaBianca-Morde zu Tode Verurteilten nicht weit entfernt bei einer Anhörung anwesend.

The Family (Deutsche Edition)

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