Читать книгу Verhaltenstherapeutische Paartherapie - Elisa Ewald - Страница 12
3.1.1 Psychische Störungen
ОглавлениеBisherige Studien zeigen, dass Partner mit einer niedrigen Partnerschaftsqualität mit höherer Wahrscheinlichkeit eine psychische Störung aufweisen als Partner mit einer hohen Qualität (Whisman 1999). Zudem stellte sich die Partnerschaftsqualität als eine spezifische aufrechterhaltende Bedingung für fast alle der psychischen Störungen heraus (Whisman et al. 2000). Diese Befunde werden mithilfe einer Wechselbeziehung zwischen der Partnerschaftsqualität und der psychischen Gesundheit erklärt (Whisman und Baucom 2012): Während sich schwere und/oder chronische Partnerschaftskonflikte ungünstig auf das individuelle Stresserleben auswirken und Stress wiederum die Wahrscheinlichkeit für eine psychische Beeinträchtigung erhöht, wirken sich psychische Störungen, in Abhängigkeit davon, wie gut mit den Auswirkungen einer solchen als Betroffener oder Angehöriger umgegangen werden kann, auf die Zufriedenheit in der Partnerschaft aus – ein Teufelskreis entsteht.
Verschiedene Quer- als auch Längsschnittstudien zeigen insbesondere den Zusammenhang zwischen Partnerschaftskonflikten und depressiven, substanz- und angstbezogenen Störungen (Whisman und Baucom 2012). Eine niedrige Partnerschaftsqualität war mit folgenden Störungen assoziiert (Whisman 1999):
• Major Depression und Dysthymie,
• Panikstörungen,
• Agoraphobie,
• generalisierter Angststörung,
• posttraumatischer Belastungsstörung,
• Alkohol- und Drogenkonsum.
Darüber hinaus fokussieren zunehmend mehr Untersuchungen die Beziehung zwischen gestörtem Essverhalten (z. B. Anorexia nervosa, Bulimia nervosa, Binge Eating Disorders) und einer geringeren Partnerschaftsqualität. Sowohl die allgemeine Unzufriedenheit mit der eigenen Figur (Friedman et al. 1999) als auch konkrete Störungsbilder wie die Anorexia nervosa, Bulimia nervosa (Bussolotti et al. 2002) und die Binge Eating Störung (Whisman et al. 2012) gehen hierbei mit einer niedrigeren Partnerschaftszufriedenheit einher. Da Essstörungen auch mit einer Reihe von sexuellen Funktionsstörungen assoziiert sind (z. B. Appetenzstörungen, Pinheiro et al. 2010; Orgasmusstörungen, Morgan et al. 1995), gelten auch sexuelle Beeinträchtigungen als relevanter Faktor im Zusammenhang mit der subjektiv wahrgenommenen Partnerschaftsqualität.
Bei episodisch verlaufenden Erkrankungen (z. B. affektiven Störungen und Substanzabhängigkeit) gelten Paarkonflikte zusätzlich als negativer Prädiktor für den Behandlungsverlauf. Bei Schizophrenie, depressiven sowie bipolaren Störungen besteht zudem in einem Familienklima mit häufiger Kritik, Feindseligkeit und emotionalem Überengagement (vgl. Konzept der Expressed Emotion) ein erhöhtes Rückfallrisiko (Butzlaff und Hooley 1998; Hooley 2007). Im Bereich der Angststörungen liegen hingegen heterogene Befunde für den Behandlungsverlauf vor. Bspw. kann bei Vorliegen einer Agoraphobie eine negative Partnerschaftsqualität ein besonderer Ansporn sein, sich auf eine Exposition einzulassen, um sich bspw. aus der Abhängigkeit in der Partnerschaft zu befreien. Im Vergleich dazu gibt es bei Zwangsstörungen allerdings Hinweise, dass eine negative Partnerschaftsqualität langfristig den Therapieerfolg mindert.
Natürlich stellt das Zusammenleben mit einem psychisch beeinträchtigten Familienmitglied eine Belastung für die Partner und Angehörigen dar, die sich besonders in akuten Krankheitsphasen negativ auf das Familienleben auswirken kann (Friedmann et al. 1997). Hierbei werden objektive und subjektive Belastungsfaktoren unterschieden. Während unter der objektiven Belastung unmittelbar beobachtbare Einschränkungen durch die Störung (z. B. finanzielle Kosten, mangelnde Unterstützung durch den Patienten, Einschränkungen des Freizeitverhaltens und der Berufsausübung) subsummiert werden, gilt die Einschätzung der Situation durch die Angehörigen als subjektive Belastung. Eine höhere subjektive Belastung geht oft mit einem resignativen Bewältigungsstil und negativen Kausalattributionen einher. Letztere schreiben die Symptome und den Verlauf der Störung dem eigenen Versagen zu. Akzeptanz und Optimismus sind hingegen mit geringerer Belastung assoziiert. Insgesamt weisen Angehörige von psychisch erkrankten Menschen selbst eine überdurchschnittlich starke gesundheitliche Beeinträchtigung auf. So berichten viele Angehörige selbst von somatoformen, ängstlichen bzw. depressiven Beschwerden (Angermeyer et al. 2001).
Zudem gehen psychisch beeinträchtigte Menschen mit höherer Wahrscheinlichkeit Partnerschaften mit anderen ebenfalls psychisch auffälligen Personen ein. Das Zusammenleben mit einer Person, die eine psychische Störung aufweist, wirkt sich unabhängig von der Art der Störung negativ auf die anderen Familienmitglieder aus (Baronet 1999). Im Einzelfall bleibt es schwierig zu klären, ob die familiäre bzw. partnerschaftliche Interaktion zur Entwicklung einer psychischen Störung beigetragen hat oder eine aufrechterhaltende Bedingung ist und nicht andere Faktoren (z. B. genetische, biologische, soziodemografische) einen ähnlichen Erklärungswert besitzen.