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1 Ursprung und Entwicklung des Verfahrens
ОглавлениеErste verhaltenstherapeutische Interventionen mit Paaren basierten auf Annahmen der operanten und sozialen Lerntheorien, z. B. dem lerntheoretischen Modell von Patterson und Reid (1970) und strebten die Förderung eines positiven Verhaltensaustausches zwischen den Partnern an. So wurden bspw. Verträge über positive Verstärker während der verhaltenstherapeutischen Paartherapie ausgehandelt, die die Partner im Alltag verbindlich anhielten, systematisch und wechselseitig vereinbarte Verstärker zuzuführen (Baucom 1982). Noch heute strebt das daraus resultierende Reziprozitätstraining ( Kap. 5.1.2) an, eine positive Bilanz der gegenseitig zugeführten Verstärker durch verschiedene Aufgaben systematisch wiederherzustellen.
In Interaktionsanalysen fiel zudem auf, dass die langfristige Zufriedenheit mit der Partnerschaft sich am besten mithilfe von bestimmten Kommunikations- und Problemlösefertigkeiten vorhersagen lässt (für eine Übersicht siehe Karney und Bradbury 1995). Im Vergleich zu zufriedenen Paaren zeigten belastete Paare häufiger negative Indikatoren während ihrer Interaktionen (z. B. offene Kritik, Feindseligkeit, Abwehrhaltungen), die zudem länger anhielten (z. B. Gottman und Notarius 2000). Darauf aufbauend wurde das Kommunikations- und Problemlösetraining ( Kap. 5.1.3 und Kap. 5.1.4) als heutige Standardinterventionen der verhaltenstherapeutischen Paar- und Familientherapie erprobt. Während dieser Trainings vermittelt der Therapeut zunächst hilfreiche und auf Fairness basierende Sprecher- und Zuhöreregeln, um anschließend die Partner für regelkonformes Verhalten während der Interaktionen kontingent zu verstärken. Im Rahmen einer familientherapeutischen Maßnahme werden diese Standardinterventionen zu Hause mit Angehörigen durchgeführt.
Wie auch bei der verhaltenstherapeutischen Einzeltherapie wurde das paartherapeutische Vorgehen später durch kognitive Interventionen ( Kap. 5.1.5) ergänzt (Baucom und Lester 1986), sodass heute von einer kognitiv-verhaltenstherapeutischen Paartherapie (KVPT) gesprochen werden kann. Der erweiterten Modellbildung folgend (Epstein und Baucom 2002), sollen Therapeuten Erwartungen, Zuschreibungen und Überzeugungen der einzelnen Partner identifizieren und mithilfe von Techniken der kognitiven Umstrukturierung modifizieren. Außerdem werden repetitive Interaktionsmuster dem Paar psychoedukativ verdeutlicht und Gedanken, Gefühle und Motive identifiziert, modifiziert sowie umetikettiert (Jacobson 1989).
Während die bisher vorgestellten kognitiv-behavioralen Interventionen alle veränderungsorientiert sind, setzt ein neuerer Ansatz der KVPT auch auf Akzeptanz von ggf. auch unveränderlichen Unterschieden der Partner (Jacobson 1992). Akzeptanzbasierte Interventionen ( Kap. 5.1.6) versuchen das Verständnis für den anderen zu fördern, eine Distanz zum konflikthaften Thema zu schaffen, die Toleranz gegenüber den aversiven Verhaltensweisen des anderen zu erhöhen und die Autonomie beider Partner zu steigern (Jacobson und Christensen 1998). Im Vergleich zur KVPT zeigte sich, dass Paare von akzeptanzfördernden Strategien kurz- und langfristig hinsichtlich verschiedener Erfolgsmaße profitieren (Roddy et al. 2016).
Bereits früh bestand ein internationaler Austausch mit deutschen Wissenschaftlern (z. B. Jacobson et al. 1984), was sich auch durch die Veröffentlichung eines deutschsprachigen Manuals zeigt (Schindler et al. 2019). Zudem wurde der kognitiv-behaviorale Ansatz auf das Verständnis von sexuellen Störungen ( Kap. 5.2.3) und deren Behandlung angewendet (Zimmer 1985). Außerdem wurde im deutschsprachigen Raum das herkömmliche Vorgehen modifiziert, um die partnerschaftliche Unterstützung und Bewältigung externer Belastungen zu fördern (bewältigungsorientierte Interventionen, BOI; Bodenmann 2004, Kap. 5.1.7). So zeigte sich in einer kontrollierten Studie, die beispielhaft herausgegriffen wird, dass BOI im Vergleich zu individualtherapeutischen Ansätzen der interpersonellen Therapie bzw. der kognitiven Verhaltenstherapie bei Depression vergleichbare Ergebnisse hinsichtlich der Depressionswerte und Zufriedenheit mit der Partnerschaft erzielte (Bodenmann et al. 2008). Allerdings war der Ausdruck von Emotionen in der BOI-Bedingung zusätzlich verbessert, wodurch die Rückfallwahrscheinlichkeit sinkt.
Wie aus der bisherigen Darstellung hervorgeht, ergibt sich aus dem Selbstverständnis der KVPT-Vertreter, dass diese nicht nur klinisch tätig sind und Modell- bzw. Prozessannahmen aufstellen, sondern auch die Wirksamkeit der Behandlung und deren Wirkfaktoren möglichst empirisch überprüfen. Früh lagen erste Meta-Analysen zur KVPT vor (Hahlweg und Markmann 1988; Dunn und Schwebel 1995).
Zudem wurde das Anwendungsspektrum erweitert, indem das herkömmliche Vorgehen zu differenzierten Ansätzen bei besonderen Herausforderungen (z. B. dem Umgang mit Paaren nach der Offenlegung von partnerschaftlicher Gewalt, Kap. 5.2.4, oder Offenlegung einer sexuellen Außenbeziehung, Kap. 5.2.2) angepasst wurde. Außerdem sind Ansätze der partner- bzw. familienunterstützenden Behandlungen psychischer Störungen und körperlicher Erkrankungen systematisch erprobt worden (für eine Übersicht Baucom et al. 1998): So gibt es bspw. Anleitungen für eine partnerunterstützte Exposition bei Agoraphobie (Abramowitz et al. 2011), für die verhaltenstherapeutische Familienbetreuung schizophren bzw. bipolar erkrankter Angehöriger (Hahlweg et al. 2006) oder für die dyadische Unterstützung von Tumorerkrankungen (Heinrichs und Zimmermann 2008). Hervorzuheben ist auch die Entwicklung, breite Anwendung und Evaluation von Präventionsprogrammen für Paare (für einen Überblick siehe Job et al. 2014), die angesichts der gesundheitlich negativen Auswirkungen von Trennungen mehr Verbreitung finden sollten.