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2 Verwandtschaft mit anderen Verfahren

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Neben der KVPT ist die emotionsfokussierte Paartherapie (EFPT) ein weiterer empirisch-fundierter Ansatz. Dieser wurde von der kanadischen Paartherapeutin Dr. Susan Johnson in den 1980er Jahren entwickelt und basiert im Wesentlichen auf bindungstheoretischen, neurowissenschaftlichen und systemischen Annahmen (Greenman et al. 2019). Das primäre Ziel der EFPT ist der Aufbau von funktionalen Interaktionsmustern, die auf die spezifischen Bindungsbedürfnisse beider Partner abgestimmt sind (Johnson 2019). Hierzu wird in einem ersten Schritt das emotionale Erleben der Partner durch den Therapeuten zugänglich gemacht und aktiviert. In einem zweiten Schritt werden die Interaktionsmuster der Partner restrukturiert. Dysfunktionale Interaktionsmuster zwischen den Partnern entstehen nach EFPT als Resultat von unsicheren Bindungserfahrungen und führen dazu, dass Bindungsstress maladaptiv ausgedrückt wird und zur Distanzierung der Partner beiträgt. Durch das Bewusstmachen von intrapsychischen und interpersonellen Aspekten der dysfunktionalen Interaktionsmuster sollen sichere Bindungserfahrungen zwischen beiden Partnern gestärkt werden. In der EFPT werden Paare systematisch angeleitet, die eigenen Emotionen und Bedürfnisse wahrzunehmen, auf die des anderen einzugehen und sich dyadisch für die Partnerschaft zu engagieren. Inzwischen wurde das manualisierte Vorgehen nicht nur bei unzufriedenen Paaren, sondern auch zur Behandlung von Depression und Posttraumatischen Belastungsstörung bzw. zur gemeinsamen Bewältigung von Erkrankungen eines Kindes oder eines Partners angewendet (Wiebe und Johnson 2016). Im Vergleich zur verhaltenstherapeutischen Paartherapie – also der älteren Form, basierend auf sozialen Lerntheorien – zeigten sich in einer Meta-Analyse vergleichbare Effekte (Rathgeber et al. 2018).

Im deutschsprachigen Raum besonders verbreitet haben sich systemisch-orientierte Formen der Paartherapie. Sie beziehen sich auf eine Reihe von Therapieansätzen, die auf kommunikations- und systemtheoretischen sowie konstruktivistischen Annahmen basieren (z. B. Rohrbaugh und Shoham 2015; Simon 2015). Im Sinne der systemisch-orientierten Therapieansätze wird die Paardynamik von der Wechselwirkung von biologischen, intrapsychischen, interpersonellen und gesellschaftlichen Einflussfaktoren beeinflusst. Die zentrale Frage ist hierbei, welche »zirkulären Prozesse« die Paarkonflikte aufrechterhalten. Durch die Einbeziehung des sozialen Kontextes wird die Wechselbeziehung der Partner und der weiteren Umwelt auf der Ebene der Wirklichkeitskonstruktionen, des Verhaltens und der Interaktionsmuster betrachtet. In der systemischen Paartherapie werden überwiegend zirkuläre Interaktionsmuster fokussiert. Dabei wird angestrebt, dass Paare funktionalere Interaktionsmuster finden, neue Lösungsversuche unternehmen, flexibler auf die/den Partnerin/Partner reagieren können und funktionale Narrative über sich als Person und Paar konstruieren. Jedoch lässt sich die Wirksamkeit dieser systemisch-orientierten Formen der Paartherapie auf die Partnerschaftszufriedenheit aufgrund der derzeitigen Studienlage nicht einschätzen. Die Studienqualität entspricht häufig nicht den notwendigen wissenschaftlichen Standards. Zudem wurden Studien zur emotionsfokussierenden bzw. verhaltenstherapeutischen Paartherapie als Indiz für die Wirksamkeit der systemisch-orientierten Formen der Therapie herangezogen (z. B. Sydow 2015).

Alle drei genannten Ansätze zielen auf den Austausch von Bedürfnissen und Gefühlen der Paare ab. Bspw. wird das Aussprechen von Wünschen (»Ich-Botschaft«) in systemischen Ansätzen und im Kommunikationstraining der KVPT besonders gefördert. Wenn sich zu Behandlungsbeginn einer KVPT beim Aufbau positiver Reziprozität verstärkendes Verhalten des einen auf das Verhalten des anderen Partners auswirkt und die Rate positiver Verstärker sukzessive ansteigen soll, so lässt sich dasselbe Verhalten – gerade basierend auf sozialen Lerntheorien beschrieben – auch kommunikationstheoretisch bzw. systemisch verstehen. Auch ein Vorgehen der EFPT, die jeweiligen Bedürfnisse und Bemühungen der jeweiligen Partner herauszustellen, lässt sich während der psychoedukativen Vermittlung des Zwangsprozesses in der KVPT gut integrieren. Bei akzeptanzfördernden Interventionen der KVPT werden zirkuläre Interaktionsmuster wie in der EFPT veranschaulicht.

Häufig sind jedoch die intendierten Veränderungen theoretisch anders begründet und die Vorgehensweisen der jeweiligen Ansätze schließen sich gegenseitig aus. So kommen auch Interventionen in der KVPT zur Anwendung, die von den Vertretern der jeweils anderen Ansätze abgelehnt werden. Bspw. wird das Training von kommunikativen Fertigkeiten als zentraler Bestandteil einer KVPT angesehen. Wiebe und Johnson (2016) nehmen jedoch an, dass die emotionale Verbundenheit i. S. eines bindungstheoretischen Konstruktes – einmal wiederhergestellt – ein derartiges Training für Paare überflüssig macht. Während die KVPT großen Wert auf die Transparenz des Vorgehens legt, werden in systemischen Ansätzen Betroffene durch (möglicherweise paradox gemeinte) Interventionen zu Reaktionen und Verhandlungen provoziert, deren Ziel und Ergebnis (zunächst) nicht zu erkennen sind.

Eine Bewertung der EFPT und der systemischen Ansätze hinsichtlich ihrer allgemeinen und differentiellen Wirksamkeit, insbesondere im Vergleich zu der häufig untersuchten KVPT, ist derzeit nicht möglich ( Kap. 9).

Verhaltenstherapeutische Paartherapie

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