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Vom bio-psycho-sozialen Krankheitsmodell zur we-disease
ОглавлениеSchwere oder chronische Krankheiten, Behinderungen oder psychische Störung betreffen oftmals nicht nur den Erkrankten selbst, sondern auch dessen Angehörige. In Paarbeziehungen leidet vor allem der Partner mit und ist bspw. von einer Tumorerkrankung (Zettl 2011; Zimmermann 2019) oder affektiven Störungen (Revenson et al. 2016) in einem besonderen Maße mit betroffen.
Bodenmann (2000) greift diese wechselseitige Betroffenheit auf und distanziert sich von der Annahme des bisherigen bio-psycho-sozialen Störungsverständnisses, in dem der Gesunde den Kranken unterstützt. Vielmehr sind durch die Interdependenz bezüglich der Bedeutung einer Erkrankung aber auch des resultierenden Befindens beide Partner beeinträchtigt und zur Bewältigung herausgefordert (Bodenmann 2016). In diesem Störungsverständnis wird das Paar zu einer Einheit und einem Team, dessen gemeinsame Aufgabe die Bewältigung der jeweiligen Belastung oder Erkrankung ist (dyadisches Coping; Kap. 5.1.7). Dadurch steht das Paar und nicht mehr die somatische Erkrankung oder psychische Störung im Mittelpunkt. Der Blickwinkel zur Nutzung gemeinsamer Ressourcen öffnet sich (z. B. »Was kann ich im Rahmen meiner Möglichkeiten und Ressourcen zum Gelingen des Alltags, aber auch zur Überwindung der Erkrankung beitragen?«, Bodenmann 2016, S. 57 ff.).
Im Sinne einer sogenannten we-disease trägt jeder Partner im Rahmen seiner Möglichkeiten zur Bewältigung bei und die Rollen des Gesunden und Kranken werden aufgelöst. Die gemeinsame Bewältigung wirkt sich wiederum günstig auf den Krankheitsverlauf aus und kann die Rückfallwahrscheinlichkeit reduzieren (Bodenmann 2016).
Da diese interpersonelle Sicht auf somatische Erkrankungen und psychische Störungen oftmals auch für die betroffenen Paare neu ist und das Ablegen der festen Rollen eines Erkrankten und Gesunden herausfordernd sein können, eignen sich die nachfolgenden Fragen für einen Einstieg in dieses Krankheitsverständnis und die Sensibilisierung beider Partner für ihre jeweiligen Beiträge (Bodenmann 2016, S. 319):
• Welches sind die wichtigsten oder stärksten Veränderungen für das Paar, seit die Diagnose bekannt wurde?
• Wie geht das Paar damit um?
• Welche Beiträge zur Überwindung der Störung kann jeder leisten?
• Wie kann man sich gegenseitig verstehen und unterstützen?
• Was macht man als Paar trotz der Erkrankung weiterhin besonders gut?
• Wo sind Schwachstellen und Schwierigkeiten?
• Wo braucht man auch Unterstützung von außen durch das soziale Netz (z. B. Freunde, Verwandte, Bekannte) oder Professionelle?
• Was hat die Diagnose auch an Gutem?