Читать книгу Kostrows Wahrheit - Emil Horowitz - Страница 16
Phase 14 \\ 10. August – 22:09 Uhr
Оглавление"Merkwürdig hier", sagt Jannik Bornemann und blickt um sich.
Kostrow lächelt. So hatte er es beim ersten Besuch auch empfunden, war dann aber immer wieder gekommen. Das Fleur du Mal, die Oase der Stille über dem hektischen Grundrauschen in Schumann's Bar, ist keine Cocktailbar wie die anderen.
Die beiden Freunde sitzen an dem voll belegten, neun Meter langen Tisch und beobachten den Barmann, der die Drinks wie zuvor miteinander besprochen zubereitet. Bornemann streicht mit der Hand über die Tischplatte. "Schönes Holz."
"Nussbaum", erläutert Kostrow. "Eine ganz spezielle Sorte." Er bemerkt Charles Schumann, der, aus der unteren Bar kommend, den Raum betritt. Der Reihe nach begrüßt er seine Gäste, kommt schließlich zu Kostrow. "Wenn ich Sie fragen darf, dieses Holz, das ist doch Nussbaum?"
Schumann schenkt ihm eines seiner seltenen Lächeln. "Ganz genau. Ich habe die Sorte selbst ausgesucht, in Portland."
"Wirklich schön."
"Wir haben den ganzen Baum nach Bremerhaven transportiert, von da nach Österreich, ihn da erst einmal ein Jahr lang trocknen lassen, und dann die Tischplatte aus einem durchgehenden Stück gefertigt."
Der Barmann stellt die Drinks vor ihnen ab. "Viel Spaß noch", sagt Charles Schumann und wendet sich dem nächsten Gast zu.
Bornemann sieht ihm nach. "So gut möchte ich in dem Alter auch aussehen."
"Wem sagst du das."
Sie probieren ihre Drinks. Bornemann blickt anerkennend auf sein Glas. "Ich verstehe, warum du hierher wolltest."
"Die Atmosphäre ist einfach entspannend."
"Finde ich auch." Beide trinken genussvoll. Von den anderen Gästen treiben Gesprächsfetzen herüber, überlagern sich, um sich letztendlich gegenseitig auszulöschen.
Kostrow blickt auf seinen Freund. "Was treibst du eigentlich in München? Dein Anruf hat mich überrascht."
"Rein privat. Schließlich war ich vier Jahre nicht mehr hier. Alte Freunde besuchen."
Kostrow lächelt schief. "Rein privat? Wirklich?"
"Sicher. Was ist daran so komisch?"
"Nichts. Garnichts. Ist nur ein seltsamer Zufall."
"Zufall?"
"Stephan hat mir vor drei Tagen geraten, dich zu kontaktieren."
"Stephan ist dein neuer Partner, nicht wahr?"
"So neu nun auch wieder nicht."
"Und warum solltest du Kontakt mit mir aufnehmen?"
Kostrow nimmt einen Schluck aus seinem Glas. Mildes Unbehagen breitet sich in ihm aus. "Wegen einer Sache, an der wir gerade dran sind. Aber lass uns nicht von beruflichen Dingen reden. Schön, dich wieder einmal zu sehen."
"Geht mir auch so." Bornemann nippt an seinem Cocktail.
Die Freunde lassen die friedvolle Atmosphäre der Bar auf sich wirken, den beruhigenden Klangteppich aus Geplauder und leiser Musik, die gedämpfte Beleuchtung, das entspannende Farbsignal, das von dem in dunklem Violett gehaltenen Teppichboden ausgeht.
Bornemann lehnt sich in seinem Stuhl zurück. "Fehlt dir eigentlich deine Zeit beim BKA?"
Gute Frage. Kostrow blickt seinen Freund nachdenklich an. Kommt wohl auf die Tagesform an. "Kann ich nicht eindeutig beantworten."
"Du bist nicht zufrieden mit deiner Entscheidung, in den privaten Sektor zu wechseln?"
"Das kann man auch nicht sagen."
"Also was nun?"
"Ich fand die Zeit in Wiesbaden wunderbar. In gewisser Hinsicht die beste Zeit meines Lebens. Und wir zwei waren ein hervorragendes Team."
"Das kann man wohl sagen."
"Ich weiß heute gar nicht mehr, was eigentlich den Anstoß zu meiner Entscheidung gegeben hat, mich selbständig zu machen."
"Na, das ist doch nicht schwer nachzuvollziehen, wenn man deinen heutigen Lebensstil sieht."
"Ja, das Geld war sicher ein wichtiger Impuls, aber das kann eigentlich nicht der entscheidende Faktor gewesen sein. Wem Geld wichtig ist, der geht nicht zum BKA."
Bornemann lacht. "Da ist wohl etwas dran."
"Es muss noch einen anderen Grund gegeben haben, aber ich weiß beim besten Willen nicht mehr, welchen."
"Und deshalb ist dir nicht wohl in deiner Haut."
Kostrow streicht unbewusst über die Tischplatte. Fühlt sich wirklich gut an. "Nein, Jannik, so ist das nicht. Ich bin glücklich mit meiner Tätigkeit. Wenn du wüsstest, an was für Fällen ich dran bin ... Es ist faszinierend. Und Stephan ist ein Weltklasse-Analyst, fast noch besser als du, nichts für ungut."
"Schon in Ordnung. Während unserer Zusammenarbeit warst ohnehin du derjenige mit der besonderen Analyse- und Profilingkompetenz."
"Das kann man nun auch nicht sagen."
"Doch, kann man. Aber dann verstehe ich nicht, woher dein Unbehagen kommt."
"Von Unbehagen habe ich nicht gesprochen."
"Du hast gesagt, dass dir nicht klar ist, ob dir deine Zeit beim BKA fehlt. Das verstehe ich unter Unbehagen."
Missmutig denkt Kostrow über die Worte seines Freundes nach, beschließt einen Themenwechsel. "Wie ist dein aktueller Partner?"
"Oh, der ist in Ordnung. Sehr effektiv. Sehr kooperativ. Guter Teamplayer."
"Freut mich zu hören." Jeder ist ersetzbar, damit sollte ich mich langsam einmal abfinden.
Das Gespräch versiegt. Die Freunde hängen ihren Gedanken nach, jeder entlang des Pfads seiner eigenen Erinnerungen. Der Barmann kommt herüber. "Alles gut bei Ihnen?"
Kostrow lächelt ihn an. "Ja, vielen Dank. Es ist perfekt, wie immer." Der Barmann nickt kurz und wendet sich einem neu angekommenen Paar zu, um die Drinks mit ihnen zu besprechen.
Kostrow blickt wieder auf seinen Freund. "Jannik, nun mal ehrlich. Warum bist du in München?"
"Hab ich doch schon gesagt. Rein privat, Münchner Luft schnuppern, Freunde treffen."
"Hast du nicht gerade selbst gesagt, ich wäre der bessere Analyst von uns beiden?"
"Denkst du, ich lüge dich an?"
"Ich denke, du befolgst die Dienstvorschriften."
Bornemann zögert. "Und wenn es so wäre?"
"Darf ich dich mal an etwas erinnern, was du während unserer Zeit immer gesagt hast?"
"Und was wird das wohl sein?"
"Du hast gesagt: Ich befolge nur Vorschriften, deren Sinn ich erkennen kann."
"Das soll ich gesagt haben?"
"Jetzt aber! Stell dich nicht dümmer als du bist."
Bornemann grinst verlegen. "Gut, schön, ich habe wohl etwas in der Art gesagt."
"Na also."
"In diesem Fall gibt es allerdings einen guten Grund. Du bist nicht mehr beim Bau."
"Aber wir sind doch wohl noch Freunde?"
"Klar sind wir das."
"Oder vertraust du mir nicht mehr?"
"Das ist unfair, Jokim."
Nachdenklich blickt Kostrow seinen Freund an. "Mag sein, entschuldige. Aber glaubst du wirklich, dass deine Infos bei mir nicht mehr sicher sind?"
Nun ist es an Bornemann, seinen Freund nachdenklich anzusehen. "Nein, natürlich nicht."
"Ich versichere dir, ich behandle alles, was du mir erzählst, so, als wäre ich noch beim BKA. Also, warum bist du in München?"
Bornemann hebt eine Hand in einer unauffälligen Bewegung so an seine Nase, dass sein Mund gegen Sicht abgeschirmt ist. "´Ndrangheta", murmelt er.
"Bitte?"
Der BKA-Mann beugt sich zu Kostrow vor. "´Ndrangheta."
"Du meinst diese italienische ..."
"Sprich – bitte – leise!", flüstert Bornemann eindringlich.
"Entschuldige", murmelt Kostrow. "Also, du bist in München, um gegen diese ... Dingsda zu ermitteln?"
"Es ist etwas im Busch."
"In welchem Busch?"
"Im Münchner Busch."
"Du meinst, die ... du weißt schon ... plant ein Ding hier bei uns?"
"Es sieht so aus."
Plötzlich fällt Kostrow eine Ungereimtheit auf. "Aber sag mal, wir waren doch Abteilung ST. Bist du zu SO oder OK gewechselt?"
"Nein ich bin immer noch ST."
"Was hat der Staatsschutz mit organisierter Kriminalität zu tun?"
"Das, mein Freund, kann ich dir leider wirklich nicht erklären. Absolute Verschlusssache."
"Das ist merkwürdig."
"Du kennst doch den behördeninternen Umgang mit Verschlusssachen."
"Das meine ich nicht."
"Was dann?"
"Dass sich der Staatsschutz mit der ´Ndrangheta beschäftigt." Bornemann lässt die Bemerkung unbeantwortet.
"Es sein denn ..."
"Bitte lass es sein."
"Vielleicht haben sie bereits Erfolg mit ihren Versuchen, staatliche Einrichtungen zu infiltrieren. Haben sie?"
"Erwartest du, dass ich das beantworte?"
"Warum nicht? Nach allem, was wir schon gemeinsam durchgestanden haben ..."
"Nun komm mir bloß nicht so. Es war deine Entscheidung, den Kram hinzuschmeißen." Bornemann stößt verärgert die Luft aus.
Er nimmt es mir übel, wer hätte das gedacht. "Tut mir leid, Jannik. Ich weiß, dass du Verschlusssachen nicht anders behandeln kannst." Er will einen weiteren Schluck nehmen, doch sein Glas ist leer, wie das seines Freundes. Er zeigt auf das Glas. "Sollen wir uns noch einen gönnen? Ich lade dich ein."
"Wie könnte ich da nein sagen?"
Kostrow gibt dem Barmann ein Zeichen. Nach kurzer Zeit tritt er zu den beiden Freunden. "Könnten Sie uns noch zwei davon machen?"
"Sicher, gerne." Der Barmann räumt die beiden leeren Gläser ab.
Kostrow spielt mit dem Papieruntersetzer, auf dem sein Glas gestanden hatte. "Stephan hat also wieder einmal richtig gelegen."
"Womit?"
"Mit seinem Rat, dich zu kontaktieren."
Bornemann senkt die Stimme. "Habt ihr etwa auch mit der ´Ndrangheta zu tun?"
"Nicht konkret. Nur ein Anfangsverdacht."
"Und dazu möchtest du meinen Rat?"
"Allerdings. Kennst du jemanden mit Namen Enzo Milano?"
Bornemann richtet sich auf. "Woher hast du diesen Namen?"
"Er ist der Besitzer eines Restaurants, in dem ich öfter esse."
"Tartufo Nero", brummt Bornemann, mehr zu sich selbst.
"Du kennst ihn also."
"Könnte man so sagen, ja."
"Verstehe. Und da du in Sachen ´Ndrangheta ermittelst, dürfte Milano zu dem Verein gehören."
"Das kann ich absolut nicht bestätigen. Du weißt, die ganze Angelegenheit ist ..."
"... Verschlusssache, schon klar. Unser Verdacht war also begründet." Nachdenklich trommelt Kostrow mit den Fingern auf die Tischplatte.
Bornemann reibt sich mit Daumen und Zeigefinger die Augenwinkel. "Also, ehrlich gesagt, wir wissen es nicht sicher."
"Was wisst ihr nicht sicher?"
"Ob Milano involviert ist oder ein ganz normaler Restaurantbetreiber."
Der Barmann bringt die Cocktails. "Wohl bekomm‘s, die Herren." Er wendet sich seinen anderen Bestellungen zu. Die Freunde nehmen ihre Gläser auf, prosten sich zu und trinken.
Die Kois! kommt es Kostrow blitzartig in den Sinn. "Warst du eigentlich schon einmal in dem Restaurant?"
"Im Tartufo Nero? Nein, bisher nicht. Das Lokal hat bei meinem letzten Besuch in München noch nicht existiert, soweit ich weiß. Die Küche soll ausgezeichnet sein."
"Ist sie wirklich. Ich bin gerne da."
"Wenn das so ist, sollte ich auch einmal hingehen, bevor ..."
"Bevor was?"
"Bevor ich wieder zurückfahre."
"Das wolltest du nicht sagen."
"Natürlich wollte ich das sagen, was denn sonst?"
"Irgendetwas passiert in München, und sowohl Milano als auch das Tartufo Nero spielen dabei eine Rolle."
"Das kann ich nicht bestätigen."
"Jetzt komm schon. Vielleicht kann ich helfen. Schließlich bin ich vor Ort."
Bornemann sieht seinen Freund abschätzend an. Kostrow erwidert den Blick abwartend. Jetzt gib dir schon einen Ruck!
"Weißt du, ich werde das erwägen, ernsthaft."
"Und er sah ihn niemals wieder."
"Nein, das meine ich im Ernst. Es könnte sein, dass ich deine Hilfe wirklich brauche."
"Das ist ein Wort. Also, worum geht's?"
"Tut mir leid, Tiger. Alles zu seiner Zeit."
Kostrow stöhnt. "Es kann ziemlich nervtötend sein, mit dir zu reden, ist dir das klar?"
Bornemann lacht. "Daran müsstest du inzwischen gewöhnt sein, oder?"
"War ich, früher. Langsam bekomme ich wieder ein Gefühl dafür. Aber wir sind vom Thema abgekommen."
"Und das wäre?"
"Ich habe dich aus einem bestimmten Grund gefragt, ob du schon in Milanos Restaurant warst."
"Da bin ich gespannt."
"Das Lokal ist, Milanos Angaben zufolge, im italienisch-japanischen Fusionsstil eingerichtet."
"Nie davon gehört."
"Meiner Meinung nach hat nicht einmal er selbst davon gehört. Das scheint eine Schutzbehauptung zu sein."
"Woraus schließt du das?"
"Aus dem Aquarium."
"Ein Aquarium? Im Tartufo Nero?"
"Und was für eins! Fast raumhoch, mit acht Kois darin."
"Diese japanischen Edelkarpfen?"
"Genau die. Ich habe mal recherchiert. Bei der Größe und Musterung sind die Fische rund 128.000 Euro wert."
"Meine Güte."
"Aber da ist noch was. Kois dieser Güteklasse werden normalerweise in Teichen gehalten, nicht in Aquarien, weil da die Pflege erheblich komplizierter ist."
"Ja, ich kenne Kois auch nur in Teichen."
"Also?"
"Also was?"
"Was hat das zu bedeuten?"
Bornemann versinkt in Überlegungen, während Kostrow in gespannt anstarrt. Erzähl mir nicht, die blöden Fische sind auch Verschlusssache!
"Die Familienclans der ´Ndrangheta unterhalten in ihren ausländischen Einflussgebieten getarnte Geschäftsstellen, die öffentlich leicht erreichbar, aber als solche nicht zu erkennen sind, wie beispielsweise Restaurants, Bars und ähnliches."
"Und das Tartufo Nero ist eine solche Geschäftsstelle?"
"Gut möglich."
"Ihr wisst es nicht genau?"
"Bisher nicht. Aber diese Kois ..."
"Ja?"
"Die Betreiber kennzeichnen ihre hierarchische Position in den Geschäftsstellen durch unauffällige Ausstattungsmerkmale."
"Zum Beispiel Aquarien?"
"Könnte sein."
Kostrow überlegt. "Moment, das macht Sinn, wenn man berücksichtigt, was du zur hierarchischen Struktur gesagt hast. Ein Aquarium kann man entweder mit Zierfischen aus dem Gartencenter bestücken, oder ..."
"... mit Kois, der Gedanke ist mir auch gekommen."
Kostrow richtet sich auf. "Also, wenn wir mal annehmen, dass Milano tatsächlich ein ´Ndrangheta-Clanmitglied ist, und das Tartufo Nero ist seine Geschäftsstelle, dann müsste das Aquarium mit den Kois darauf hinweisen, dass ..."
"... Milano zur Führungsebene des Clans gehört, so ist es", ergänzt Bornemann.
"Das ist ja ein Ding."
Bornemann lehnt sich wieder zurück. "Wenn es zutrifft."
"Aber die Kois ..."
"... können ebenso Bestandteil des italienisch-japanischen Fusionsdesigns sein."
"Von dem du noch nie etwas gehört hast."
"Ich kann ja nicht alles wissen."
"Italienisch-japanisch, dass ich nicht lache."
"Wieso? Beide Designkulturen sind im Grunde puristisch."
Kostrow stöhnt. "Nicht du auch noch!"
"Du hast das schon einmal gehört?"
"Allerdings. Von Signor Enzo Milano höchstpersönlich, als Erklärung für das Aquarium."
"Na siehst du."
"Was soll das heißen?"
"Es sagt selbst, dass es eine Designphilosophie ist."
"Sag mal, bist du sicher, dass du Kommissar beim BKA bist?"
"Meistens."
"Milano sagt, es ist nur Design, also ist es nur Design?"
"Ich will damit nur ausdrücken, dass alles auch einfach die Wahrheit sein könnte."
"Unglaublich, dass das BKA in diese Sache nicht tiefer einsteigt."
"Tut mir leid, kein Anfangsverdacht."
"Kein Anfangsverdacht? Bei dem Aquarium?“
"Zu kurz gedacht, mein Freund.“
"Inwiefern?“
"Kein Anfangsverdacht, also keine nähere Observation. Keine Observation, kein Wissen um das Aquarium. Kein Wissen um das Aquarium, kein Anfangsverdacht.“
"Das darf ja wohl nicht wahr sein.“
"Das kann schon mal vorkommen.“
"Sollte es aber nicht.“
"Egal, jetzt wissen sie von dem Aquarium und haben Milano auf dem Kieker.“
"Und was passiert jetzt?“
"Das BKA wird seine Ermittlungsprofile entsprechend erweitern.“
"Na, das ist doch schon etwas." Kostrow fällt Stephans Hinweis auf den italienischen Journalisten ein. "Übrigens, sagt dir der Name Roberto Conti etwas?"
Bornemann überlegt eine Weile, dann erinnert er sich. "Das ist doch dieser italienische Enthüllungsjournalist, der gegen das organisierte Verbrechen recherchiert hat."
"Der und kein anderer. Stephan hat mir geraten, dich auf ihn anzusprechen."
"Tatsächlich? Und wozu?"
"Ich möchte mit ihm Kontakt aufnehmen, und du könntest vielleicht noch die Kontaktdaten haben."
"Meint Stephan."
"Und? Hast du sie?"
Bornemann sieht seinen Freund kritisch an. "Sag mal, interessiert du dich eigentlich noch für irgendetwas außerhalb deiner Ermittlungen?"
"Was soll das jetzt heißen?"
"Hast du wirklich keine Ahnung mehr, was mit Roberto Conti los war?"
Kostrow starrt Bornemann verblüfft an. "Los war? Was soll mit ihm losgewesen sein?"
"Das kam weltweit in allen Medien. Seine Karriere hat ein abruptes Ende gefunden, nachdem sein Haus im Stadtteil Mosorrofa durch zwanzig Kilo Semtex in seine Bestandteile zerlegt wurde und er und seine Familie nur deshalb nicht darin umgekommen sind, weil ihr Flug zurück aus Dortmund wegen Blitzeis auf der Startbahn starke Verspätung hatte."
"Verdammt, jetzt erinnere ich mich wieder. Das hat ganz schön Staub aufgewirbelt damals."
"Das kann man wohl sagen."
"Was wollte er eigentlich in Dortmund?"
"Sie waren zu Besuch bei der Familie seiner deutschen Ehefrau. Der Vater hatte Geburtstag oder so was."
"Ich gehe mal davon aus, dass er nicht mehr in Moso ..."
"Mosorrofa."
"Ja, genau, dass er da nicht mehr wohnt."
"Das versteht sich von selbst. Die ganze Familie ist im Rahmen des Zeugenschutzprogramms abgetaucht. Wohnen angeblich irgendwo in Deutschland."
"Doch nicht etwa in Dortmund?"
"Kann keiner wissen. Aber wenn ich für ihren Schutz zuständig wäre, würde ich sie nicht gerade in der Nähe ihrer Restfamilie unterbringen."
"Du hast ja ganz schön profundes Detailwissen. Blitzeis auf der Startbahn, Moso ..."
"Mosorrofa."
"Genau. Die Familie der Frau in Dortmund – woher hast du das alles?"
"Kontakte zu befreundeten Journalisten in Italien. Die haben mit ein paar Artikel geschickt."
"Verstehe. Und wie bringt uns das bei Enzo Milano weiter?"
"Conti führt seine Tätigkeit aus dem Untergrund fort. Wenn es eine Verbindung zwischen Milano und der ´Ndrangheta gibt, wird er sie kennen."
"Das ist toll. Da gibt es nur eine kleine, ganz unbedeutende Schwierigkeit."
"Und die wäre?"
"Conti ist abgetaucht. Kein Schwein weiß, wo er steckt."
"Über den Wissensstand von Schweinen ist mir nichts bekannt, aber Conti könntest du über Facebook kontaktieren."
"Habe ich schon versucht. Keine Chance, es gibt gefühlte fünf Millionen Roberto Contis. Und außerdem zweifle ich, ob er in seiner Situation überhaupt ein Profil hat. Hat er?"
"Natürlich, wie sollte er sonst Kontakt zu seinen Informanten halten?"
"Aber dann sind seine Feinde auch auf dem Laufenden. Was soll das denn für ein Zeugenschutz sein?"
"Er ist natürlich nicht unter seinem richtigen Namen unterwegs."
"Erstklassig. Damit sind wir so weit wie zuvor."
"Es sei denn, wir würden sein Pseudonym kennen."
"Das ist klar, du Schlaumeier. Und wenn wir es kennen würden, könnte es auch jeder andere kennen, und das Pseudonym wäre keines mehr."
"Das ist eine bestechende Logik, aber sein Pseudonym lautet Rocco Rossi."
Kostrow richtet sich wieder auf. "Du willst sagen, du kennst das Pseudonym von Roberto Conti?"
"Das hast du doch gerade gehört, oder?"
"Wie kannst du das Pseudonym von Roberto Conti kennen?"
"Es ist eben eine Frage der Vertrauenswürdigkeit."
"Ich bin vertrauenswürdig, aber du doch nicht!"
"Du hast ja eine schöne Meinung von mir. Aber da ich schon so eine Ahnung hatte, dass meine italienischen Journalistenfreunde das ähnlich sehen, habe ich mich auf dich berufen."
"Was, die kennen mich?"
"Also, wenn du dein Hirn nicht mehr zum Denken brauchst, kannst du es stundenweise als Nudelsieb vermieten. Unsere BKA-Zeit, klingelt da etwas? Das Austauschprogramm mit dem DDPS?"
"Vielleicht würde etwas klingeln, wenn ich eine Ahnung hätte, was das DDPS sein soll."
"Dipartimento della publica sicurezza! Die italienische Entsprechung des BKA."
"Jetzt weiß ich es wieder. Das Seminar über die Rolle der Presse bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität."
"Richtig, Kumpel. Mein Kontakt von damals ist Frederico Mondalba, der viel mit Conti zusammengearbeitet hat. Wenn du dich weniger mit der Hasenjagd beschäftigen würdest, hättest du die Kontakte von damals besser gepflegt."
"Und du hast das getan. Ich werde nie mehr ein abfälliges Wort über dich sagen."
"Daran werde ich dich zu gegebener Zeit erinnern. Also, wenn du meinst, dass du unbedingt Kontakt mit Conti aufnehmen musst, weißt du jetzt, was zu tun ist."
"Und ob ich das meine. Jetzt werden wir dem Mistkerl mal auf die Pelle rücken."
"Noch ist nicht erwiesen, dass er ein Mistkerl ist."
"Da wette ich fünf Kois drauf."
Bornemann blickt seinen Freund skeptisch an. Schließlich hebt er sein Glas. "Na, dann Prost."