Читать книгу Kostrows Wahrheit - Emil Horowitz - Страница 3
Phase 1 \\ 4. August – 23:14 Uhr
ОглавлениеDas sanfte Rauschen des niemals versiegenden Stadtverkehrs auf der entfernten Ringstraße wirkt beruhigend auf ihn, ganz so, als würde die Klangkulisse zur Einrichtung gehören.
"Es ist schön mit dir", sagt Sira. Sie fühlt die angenehme Wärme seiner nackten Haut an der ihren. "Immer wieder schön."
Behutsam löst er sich von ihr, legt sich neben sie. Durch den schmalen Spalt, den die Vorhänge offen lassen, schimmert die neonbeleuchtete Nacht herein. "Ich habe mich nach dir gesehnt." Er sollte nicht so empfinden, aber Sira wirkt wie eine Droge, hat es schon immer getan.
Sie dreht sich zur Seite, sieht ihn prüfend an. "Trotzdem denkst du an sie."
Der erste Impuls: leugnen. "Ich bin nur bei dir."
Sira lächelt auf diese traurige Weise, die Sira zu dem macht, was sie ist. "Dein Körper ist es."
"Du weißt, wie wichtig du mir bist." Merkwürdig, es geht ganz leicht von der Zunge, muss wohl die Wahrheit sein.
Sira lächelt nicht mehr. "Auf eine gewisse Weise stimmt das wohl."
Er blickt in das ebenmäßige Gesicht. Wie immer versinkt er in der mystischen Schönheit der indischstämmigen Frau. Wie immer regt sich sein Gewissen.
Sira liest in ihm, wie nur sie es kann. "Mach dich nicht verrückt."
"Ich mache mich verrückt?"
"Mir ist klar, wie es um uns steht. Ich kann damit leben."
Ihr Blick lässt sich nur schwer deuten. "Kannst du das?"
Das Lächeln kehrt zurück. "Zugegeben, es ist nicht das, was ich mir wünschen würde. Aber es ist besser als ein Leben ohne dich."
Zärtlichkeit überflutet ihn. Er zieht sie an sich, gibt sich der Leidenschaft des Kusses hin, dem sie sich bereitwillig öffnet.
Als Kostrow aus dem Schlaf hochschreckt, ist noch immer Nacht. Vage glaubt er, den Grund für das Erwachen zu kennen. Da war ein Traum. Miriam kam darin vor. Ein Kino. Mit Miriam im Kino? Nein, anders.
Miriam auf der Leinwand. Ja, so ist es richtig. Miriam auf der Leinwand, er selbst im Zuschauerraum. Großaufnahme. Das ganze Kino erfüllt von Miriams Gesicht. Sie sagt etwas. Er kann nichts verstehen, obwohl der Ton laut ist, sehr laut sogar. Was sagst du, Miriam? Sprich deutlicher!
Plötzlich ist alles klar hörbar. Nur ein Satz. Der Satz, der ihn aus dem Schlaf gejagt hat. Ich hasse dich.
Er blickt zur Seite. Sira ist wach, beobachtet ihn aufmerksam. "Alptraum", flüstert er.
"Das dachte ich mir."
"Habe ich ... habe ich etwas gesagt?"
"Nur ein Schrei."
"Ein Schrei?"
"Keine Sorge, nur leise."
Er lässt sich auf das Kissen zurückfallen.
"Wirst du trotzdem bleiben?" Ihre Stimme dünn, kaum hörbar.
"Bleiben? Warum sollte ich nicht?"
Sira stützt sich auf dem Ellenbogen ab. "Dein Traum."
"Was ist damit?"
"Wir wissen beide, wovon du geträumt hast."
Er stößt die Luft aus. Warum abstreiten?
"Es ist auch für dich nicht einfach, das ist mir schon klar", sagt Sira.
"Vielleicht solltest du nicht so nachsichtig sein."
"Ja, vielleicht."
Er setzt sich auf. "Wie kannst du das nur ertragen?"
Wieder dieses traurige Lächeln. "Es ist nicht leicht."
"Vielleicht sollten wir ..." Nein, das nicht.
Zu spät. "... es beenden?", ergänzt Sira.
"Nur dir zuliebe. Es ist einfach nicht fair, was ich dir zumute."
"Möchtest du es beenden?"
"Natürlich nicht."
Ihr Blick geht ins Leere. "Miriam wäre sicher glücklich darüber."
"Ja, wahrscheinlich."
"Ich wäre es an ihrer Stelle."
Kostrow streicht sanft über ihr Haar. "Lass uns nicht von Miriam sprechen, in Ordnung?"
"Für eine Frau, die ich noch nie getroffen habe, beeinflusst sie mein Leben ziemlich intensiv."
"Miriam weiß nichts von uns."
"Glaubst du das wirklich?"
"Sie hat keinen Beweis."
"Beweise zählen hier nicht. Sie fühlt es, verlass dich darauf."
Seine Gedanken schweifen zurück zu dem verwehenden Traum. Ich hasse dich.
"Mist!", bricht es aus Kostrow heraus.