Читать книгу Kostrows Wahrheit - Emil Horowitz - Страница 4
Phase 2 \\ 5. August – 8:44 Uhr
ОглавлениеDurch die sich öffnende Lifttür sieht er den Mann, der dabei ist, die Reste der Beschriftung von der Glastür des Büroeingangs zu entfernen. Der Handwerker blickt ihm entgegen. "Gut, dass Sie kommen, Herr Kostrow, ich wollte gerade anfangen."
"Schön, in Ordnung", murmelt Kostrow zerstreut.
"Und was soll es sein?"
"Wie bitte?" Die Gedanken sind noch bei Sira.
"Der Name."
"Welcher Name?"
"Ihr Name! Sie wollten noch darüber nachdenken."
Die Erinnerung will sich nicht einstellen. Worum geht es hier?
Der Handwerker blickt ihn geduldig an. Schließlich zieht er einen zusammengefalteten Zettel aus der Brusttasche seines Arbeitsmantels. Er entfaltet ihn und hält ihn Kostrow vor die Augen.
Kostrow & Partner
Jokim Kostrow & Partner
Jokim Valerian Kostrow & Partner
"Welche Variante wollen Sie?"
Die Erinnerung ist wieder da. Der neue Firmenname. Die Streichung des Zusatzes Detektei. Die Form der Namensnennung. Wie entscheiden?
"Ist Stephan schon da?"
"Wer?"
"Stephan Sieblat, mein Partner."
"Ich glaube nicht."
"Ich gebe Ihnen in fünf Minuten Bescheid, in Ordnung?"
"Kein Problem, ich muss die Scheibe sowieso noch reinigen."
Er betritt die Agentur. Hinter dem Empfangsbereich steht die Tür zum Chefbüro halb offen. Frau Geist ist noch nicht da, ihr Dienst beginnt erst in einer Viertelstunde. Aber Stephan könnte noch hier sein.
Er betritt das leere Büro. Schade. Wenn es um Entscheidungen geht, ist Stephan unschlagbar. Sein Partner weiß immer, welche Alternative zu wählen ist. Kostrow bekommt schon Probleme, wenn es darum geht, eine Sorte für den Frühstückstee auszusuchen. Wie also soll der Firmenname lauten?
Kostrow & Partner
Etwas dünn. Und unpersönlich. Dann lieber der volle Name.
Jokim Valerian Kostrow & Partner
Wichtigtuerisch. Wer soll sich das merken?
Jokim Kostrow & Partner
Klingt vernünftig. Zu vernünftig? Schließlich geht es auch um das Image. Hervorragend. Ich bin so weit wie zuvor.
"Herr Kostrow?"
Er geht wieder zur Glastür, wo der Handwerker ihm wartend entgegensieht. "Ich wäre dann so weit. Also, was soll es sein?"
Schweigend tippt Kostrow auf die dritte Variante. Wenn schon, denn schon. Jetzt nur nicht lange darüber nachdenken.
Das Telefon summt. Er geht zur verwaisten Empfangstheke und nimmt den Hörer ab. "Jokim Valerian Kostrow und Partner, guten Tag." Fürs Telefon zu lang, eindeutig.
"Wieso gehst du nicht ans Handy?" Miriam klingt verärgert.
Handy. Es ist noch immer abgeschaltet. Ich werde unvorsichtig. "Der Akku war leer. Es hängt noch am Kabel."
"Der Akku war leer."
"Genau."
"Unglaublich, wie oft so etwas geschieht."
"Gar nicht oft. Ich habe nur vergessen, das GPS wieder abzuschalten."
Schweigen.
"Hast du angerufen, um herumzumeckern, oder gibt es sonst noch etwas?"
"Der Job erledigt?"
"Falls du die Observation meinst, die war nicht ergiebig."
"So ein Pech."
Jetzt ist es genug. Für mein schlechtes Gewissen bin ich selbst zuständig, ich brauche kein Publikum. "Sag mal, bist du auf Streit aus?"
"Überhaupt nicht."
"Dann würde ich sagen, du rufst wieder an, wenn du bessere Laune hast."
Schweigen.
"Gut, ich lege dann auf."
"Nein, bleib da." Miriams Stimme nun sanft. "Tut mir leid."
"Sag mal, was ist eigentlich los?"
"Ach, gar nichts. Bin wohl mit dem falschen Fuß aufgestanden."
"In Ordnung."
"Eigentlich wollte ich ja fragen, ob wir heute zusammen Mittag essen können."
"Prima Idee."
"Tartufo Nero?"
"Warum nicht?"
"Zwölf Uhr?"
"Aber bitte sei diesmal pünktlich, ich hasse es, in einem Lokal herumzusitzen und zu warten, besonders, wenn ich Hunger habe."
"Wie der Herr befehlen. Großer Massa, er stark."
Kostrow muss grinsen. "Na, dann sei mal eine brave Sklavin und tu, was der Massa sagt."
"Träum weiter."
"Du hast damit angefangen."
"Bis zwölf, Schatz", sagt Miriam und legt auf.
Während er den Hörer auf den Apparat legt, betritt Frau Geist den Empfangsraum, vorbei an dem Handwerker, der gerade damit beginnt, den Nachnamen an die Scheibe zu reiben. "Etwas nicht in Ordnung mit dem Telefon?"
"Doch, wieso?"
Die korpulente, fünfzigjährige Empfangskraft geht um die Theke herum, stellt ihre riesige Schulterriementasche in einer Ecke ab und setzt sich auf ihren Bürostuhl. "Es sah so aus, als würde es nicht funktionieren."
"Natürlich funktioniert es. Ich habe eben mit Miriam gesprochen."
"Warum ruft sie nicht an Ihrem Handy an?"
"Nicht Sie auch noch! Ich wurde schon von Miriam verhört."
Sybil Geist kramt eine riesenhafte Tüte fettfreier Brotchips aus ihrer Tasche und legt sie neben die Computertastatur. "Die wird schon wissen, warum."
"Also wirklich, Frau Geist. Sie wissen genau, wie loyal ich bin."
"Na sicher. Das hat mein Schleimbeutel von Exmann auch immer gesagt."
"Wir sind nicht alle so."
Von Sybil Geist ist ein trockenes, lustloses Lachen zu hören. Sie blickt auf die neue, fast fertiggestellte Firmenbezeichnung, die sie durch die Glastür in Spiegelschrift abliest. "Bisschen protzig."
"Was, der neue Firmenname?"
"Jokim Valerian Kostrow und Partner. Klingt nach einer Anwaltskanzlei für Auftragskiller."
"So heiße ich nun mal."
"Wann hat Sie das letzte Mal jemand Valerian gerufen?"
"Ich dachte mir, ein bisschen offizieller ist gut fürs Image."
Frau Geist zuckt die Achseln. Sie reißt die Tüte auf und steckt zwei Chips gleichzeitig in den Mund.
"Wohl bekomm's."
"Faschd geine Galorien", nuschelt Sybil mit vollem Mund. Brotkrümel fliegen umher.
"Aber Frau Geist. Sie müssen doch nicht aufs Gewicht achten."
"Durch Einschleimen wird der neue Firmenname auch nicht schöner."
"Sie werden sich schon daran gewöhnen."
"Aber am Telefon bleibt es beim Alten."
"Ganz, wie Sie meinen, Frau Geist", seufzt Kostrow.
"Übrigens, um zehn Uhr kommt Herr Muhrmann von Westworld Analytics."
Schreck am Morgen. "Wann hat er angerufen?"
"Gestern Nachmittag."
"Und er wollte einen persönlichen Termin, nicht einfach telefonieren?"
"Richtig."
"Reklamation?"
"Neuer Auftrag."
"Oh." Das kommt unerwartet, nach der schwachen Leistung beim letzten Mal. Offenbar macht er nicht die Agentur dafür verantwortlich. "Na, dann stürze ich mich mal in die Arbeit. Auf mich warten drei Abschlussberichte." Er macht sich auf den Weg ins Chefbüro. Sybil Geist steckt sich eine Handvoll Brotchips in den Mund.