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Ein Stein fiel, hoch über ihm in der Wand. Magnus erschrak, duckte sich hinter einem Block. Seine Knie zitterten. Vorsichtig hob er den Kopf, zog den Feldstecher aus dem Futteral, stützte die Ellbogen auf und suchte den Berg ab. Eine Gestalt glitt wie eine Spinne am seidenen Faden durch die Felswand in die Tiefe. Metall klirrte, als sie sich anklinkte, am Seil zog. Es löste sich, kringelte über Absätze und Stufen, Steine rieselten herab. Dann hüpfte die Spinne wieder weg vom Fels, schwebte in die Tiefe, landete in einer Scharte des Grates, der von der Wand gegen das Joch zog. Eine Frau in gelber Windjacke. Leicht setzte sie über die Zacken und Türme des Grates hinweg. Ein Tanz über dem Abgrund. Magnus stockte der Atem. Sonnenlicht fiel unvermittelt durch ein Wolkenloch, die gelbe Jacke leuchtete auf. Dann verschwand sie hinter einer Kante. Magnus suchte mit dem Feldstecher den Grat ab, glaubte, sie sei gestürzt. Da schwang sie sich über die Kante, direkt über ihm. Er hörte ihren Atem, das Klirren der Karabinerhaken an ihrem Gürtel.

Er zog den Kopf ein, schob den Feldstecher ins Futteral. Gelegentlich hatte er Bergsteiger beobachtet, wenn er durch die Gegend streifte. Keiner bewegte sich so leicht und so sicher wie die kleine Frau. Wie eine Artistin im Zirkus, den er mit seiner Mutter besucht hat, unten in Pratt. Mit einem Sprung setzte sie über eine Scharte, balancierte mit ausgebreiteten Armen auf der Gratschneide, hüpfte über Zacken hinweg, als spiele sie Himmel und Hölle.

Dann stand sie im Joch, wenige Schritte von seinem Felsblock entfernt. Magnus hielt den Atem an. Hörte, wie sie ihren Rucksack ablegte, einen Schluck aus einer Flasche nahm, ihr Kletterzeug einpackte, das Seil rollte. Er drückte sich an den feuchten Fels, der nach Meer roch, Fisch und Salz und Seetang. Er hatte gelesen, dass die Berge vor Millionen Jahren aus einem Meer wuchsen. Er hatte Steine gefunden, auf denen sich die Schalen von Muscheln abzeichneten. Den schönsten, geformt wie eine Schnecke, trug er im Hosensack.

Mit der Zunge leckte Magnus den feuchten Fels, schmeckte das Salz des Meeres, das er noch nie gesehen hatte. Nur in seinem Kopf, in seinen Träumen existierte es.

Die Frau hatte ihn nicht entdeckt. Er atmete tief, verliess sein Versteck. Vom Joch aus sah er sie weit unten, wo der Weg über die Felsstufe mit dem Drahtseil führte. Wie eine Gämse eilte sie zu Tal. Mit dem Feldstecher schaute er ihr nach, bis sie den Weg verliess, über ein Schneefeld abrutschte und verschwand.

Spurlos

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