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Der Gong

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In dieser Nacht also kein Yoga, keine Meditation; ich bleibe in Embryohaltung und ein bisschen verzagt im Bett liegen und warte, dass der Wecker klingelt. Er klingelt, ich stelle ihn aus. Ich starre auf das Ziffernblatt und schaue zu, wie der Sekundenzeiger von Strich zu Strich zuckt: Man hat nicht mehr oft Gelegenheit, einen alten Mechanismus zu beobachten, der nicht digital funktioniert. 4.20 Uhr: Ich gönne mir noch fünf Minuten. Doch bevor diese fünf Minuten um sind, dringt ein außergewöhnlich tiefer, außergewöhnlich voller und außergewöhnlich raumgreifender Ton durch die Nacht. Man könnte meinen, ein sehr schwerer Stein sei ins träge Wasser eines schwarzen Sees gefallen und bilde dort langsam fliehende Kreise. Und die Kreise breiteten sich immer weiter aus und ihre Schwingungen setzten sich immer weiter fort. Sie hypnotisieren mich. Ich habe den Eindruck, sie nehmen Besitz von mir und werden mich nie wieder verlassen. Dann fließen sie langsam zurück. Es ist nicht klar, an welchem Zeitpunkt das Zurückfließen begonnen hat, es ist wie ein Atemzug, der beim Einatmen ans Ende gelangt ist und sich in ein Ausatmen verwandelt. Der Ton wird langsam leiser, doch während er leiser wird, gewinnt er noch an Tiefe und Fülle. In manchen Yogakursen beginnt man die Sitzung, indem man den Laut OM singt, das ist der Grundton des Hinduismus, ein auf seinen einfachsten Ausdruck reduziertes Mantra. Lange hat mich das genervt, genau wie wenn ich Kirchenlieder singen sollte, doch man muss zugeben: Den Körper von der Schwingung dieses Tons durchströmen zu lassen, hat eine starke Wirkung. Die Schwingung des Gongs ist das instrumentale Äquivalent, und mir wird bewusst, dass er gerade erst zum zweiten Mal angeschlagen wurde und dass der Klangsee, in dem ich seit fast einer Minute bade, der Nachhall eines einzigen Schlags ist. Also stehe ich auf, ziehe mich hastig an und ziehe den Vorhang auf. Weiße Kugellampen säumen den Weg durch den Garten. Im Regen treten Gestalten aus den Bungalows und laufen langsam zur Halle. Man könnte meinen, man sei in einem Zombiefilm.

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