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Ägypten als Ursprungsland der Mathematik: Rechentechnik und Geometrie

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Dass die Cheopspyramide von den Astronomen unter den Pyramidenfantasten nicht nur oder sogar überhaupt nicht als Grabmal eines Pharaos, sondern als ein Zeugnis von dem hohen Stand der Astronomie, Mathematik und Vermessungskunst angesehen wurde, hat im Altertum eine lange Tradition. Die Begründung der Mathematik durch die Ägypter war für die alten Griechen eine feststehende Tatsache. Es war schon Thales von Milet (625–545 v. Chr.), der als Erster die mathematischen und astronomischen Kenntnisse von Ägypten nach Griechenland gebracht hatte. Herodot meint, dass die Ägypter die Mathematik und vor allem die Geometrie aus praktischen Gründen erfunden hatten: „Wenn der Nil ein Stück eines Ackers weggeschwemmt hatte, so musste wegen der Steuer festgesetzt werden, wie viel an Fläche verloren gegangen war, und dies war, wie mir scheint, der Anfang der Geometrie, die dann nach Griechenland kam“ (Herodot II, 109). Aristoteles (384–322 v. Chr.) führte ebenfalls den Ursprung der Mathematik auf Ägypten zurück und gibt als Grund „die dazu nötige Muße der Priesterschaft“ (Metaphysik, 981 b) an.

Nach der Mathematikgeschichte des Aristotelesschülers Eudemos soll zwar bei den Phöniziern durch den Handel und den Tauschverkehr die genaue Kenntnis der Zahlen ihren Anfang genommen haben, aber bei den Ägyptern soll die Geometrie erfunden worden sein: „Thales kam nach Ägypten und brachte zuerst diese Wissenschaft nach Hellas hinüber; vielerlei fand er selbst, von vielem legte er auch die Grundlagen für die, die nach ihm kamen.“ – Dass der Kreis vom Durchmesser in zwei gleiche Teile zerlegt wird, soll er zuerst dargelegt haben; auch soll er gesagt haben, dass von jedem gleichschenkeligen Dreieck die Basiswinkel gleich sind. Weiterhin wird von ihm gesagt, dass er „den Abstand der Fahrzeuge auf See berechnet“ haben soll. Er scheint auch der erste Astronom in Griechenland gewesen zu sein. Denn Herodot erzählt, dass es sich „während eines Krieges zwischen Lydien und Medien zutrug, dass mitten während der Schlacht der Tag plötzlich Nacht wurde. Diese Veränderung des Tages hatte der Milesier Thales den Joniern vorausgesagt, indem er als Grenze dafür diese Jahreswende im Voraus festsetzte, zu welcher Zeit denn auch wirklich die Umwandlung stattfand.“ Und schließlich soll er „die Pyramiden nach ihrem Schatten ausgemessen haben, wobei er die Zeit abpasste, wo unser Schatten ebenso groß wie unser Körper ist“ (Vorsokratische Denker 1939, S. 25).

Über die Rechentechnik der alten Ägypter gibt der Papyrus Rhind Auskunft. Er wurde deswegen so genannt, weil ihn ein gewisser Alexander Henry Rhind in Luxor gekauft und dann dem Britischen Museum vermacht hat (vgl. van der Waerden 1966, S. 25). Entstanden ist dieser Papyrus in der Zeit nach 1800 v. Chr., er geht aber auf eine Vorlage aus dem Mittleren Reich (2000 bis 1800 v. Chr.) zurück. Alle anderen noch vorhandenen Texte mathematischen Inhalts stammen aus derselben Zeit. Der Papyrus verspricht zwar ein „kunstgerechtes Eindringen in alle Dinge“ und die „Erkenntnis aller Geheimnisse“ zu lehren, liefert aber nur eine Einführung in das Zahlensystem und der Bruchrechnung, Berechnung von Flächen und Rauminhalten mit Anwendung auf vielerlei praktische Probleme, mit denen es die Beamten des großen Reiches zu tun hatten: Verteilung von Lohnsummen an mehrere Arbeiter, Berechnung des Getreidebedarfs für die Zubereitung einer bestimmten Menge Brot oder Bier, Umrechnung von Getreidemaßen usw. Das Zahlensystem der Ägypter ist einfach und wie das römische rein dezimal aufgebaut. Durch Aneinanderreihen dieser Zeichen konnte man jede Zahl ohne Weiteres schreiben. Die Addition der Zahlen ist kein Problem: Man braucht nur zu zählen, wie viele Einer, Zehner, Hunderter usw. dastehen. Die Multiplikation wird durch fortgesetztes Verdoppeln und Addieren der erhaltenen Ergebnisse ausgeführt usw. Auch die geometrischen Aufgaben dieser mathematischen Texte sind alle praktisch ausgerichtet: Es soll nicht etwas bewiesen oder konstruiert werden, sondern es soll nur ein Flächeninhalt, ein Steigungsmaß oder das Fassungsvermögen eines Speichers berechnet werden. In unübertroffener Weise theoretisch weiterentwickelt wurde die Geometrie erst von den Griechen. So rühmt sich Demokritos gegenüber den ägyptischen Landvermessern, deren wichtigstes Messinstrument das gespannte Seil war, dass ihn im Konstruieren von Linien mit Beweisen keiner übertrifft, selbst nicht die sogenannten Seilspanner der Ägypter.

Was aber konnten die Griechen von den Ägyptern lernen?

Nach van der Waerden kann man, „wenn man die gesamte Mathematik der Ägypter überblickt, so sehr man einzelne Leistungen anerkennen muss, sich eines Gefühls der Enttäuschung über das allgemeine mathematische Niveau nicht erwehren. Von dem, wovon Demokritos in solchen Tönen redet (was er allerdings in erster Linie für sich selbst in Anspruch nimmt), nämlich dem ‚Konstruieren von Linien mit Beweisen‘, findet man in den Papyri keine Spur; man findet nur Rechenvorschriften ohne jegliche Motivierung. Die ägyptische Art der Multiplikation und das Rechnen mit Stammbrüchen haben die Griechen zwar von den Ägyptern gelernt und weiterentwickelt. Aber Rechnen ist noch keine Mathematik. Auch das Ausrechnen von Flächen- und Rauminhalten konnten die Griechen von den Ägyptern übernehmen. Aber für die Griechen bildeten solche Rechenvorschriften auch noch keine Mathematik; sie regten sie nur an zu der Frage: Wie kann man das beweisen? Nun könnte man denken, dass die Ägypter viel mehr konnten, als die uns bekannten Texte schließen lassen, und dass die Griechen das wussten. Dagegen lässt sich aber anführen, dass das umständliche Bruchrechnen, auf das man keine höhere Algebra aufbauen kann, zur Wesensart der ägyptischen Mathematik gehört und dass die Geometrie nicht mehr war als angewandte Rechenkunst. Daher haben wir es nicht mehr nötig, über eine verloren gegangene höhere Mathematik der Ägypter Hypothesen aufzustellen. Diese Hypothesen könnten wir doch nicht beweisen, und sie würden uns auch nichts nützen“ (van der Waerden 1966, S. 57f.).

Cheops' Geheimnis

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