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Die Pyramiden als Denkmäler der Gottlosigkeit
ОглавлениеDie Araber der islamischen Zeit hatten gegenüber den Pyramiden ein zwiespältiges Verhältnis. Einerseits waren diese für sie fremdartige und geheimnisvolle Denkmäler, die den Verstand verwirren und ihn zum Staunen und Grübeln bringen (Makrizi 1911, S. 75), andererseits aber waren sie Denkmäler der Gottlosigkeit, die eigentlich zerstört werden müssen und, wenn das schon nicht gelingen kann, deren Inhalt ausgeraubt werden darf. Darauf weisen die überlieferten arabischen Texte aus dem Mittelalter hin, in denen die Pyramiden zwar als „wunderbare, überwältigende Werke“ bezeichnet werden, aber als „ein Werk der Dämonen“ anzusehen sind (Abu s-Salt al-Andalusi, zit. nach Makrisi 1911, S. 75). Sie scheinen zwar für die Ewigkeit erbaut zu sein, sind schließlich aber doch vergänglich: „Es bleiben diese Monumente hinter ihren unbekannten Erbauern eine Zeitlang zurück; dann müssen auch sie verschwinden“ (Makrizi 1911, S. 76). Aber alle Versuche der Araber, die großen Pyramiden tatsächlich zum Verschwinden zu bringen, sind gescheitert. Als man es versuchte, erkannte man, dass nichts in der langen Reihe der Jahre sie zerstören könne. Auch von Inschriften auf den Pyramiden, in denen auf ihre beabsichtigte Zerstörung Bezug genommen wird, ist die Rede. Eine der Inschriften lautet: „Wir haben sie erbaut; wer den Anspruch erhebt, ein Fürst wie wir zu sein, und sich des Besitzes der größten Macht und höchsten Herrschergewalt rühmt, der zerstöre sie und tilge ihre Spur! Und Zerstören ist leichter als Bauen, Auseinanderreißen bequemer als Zusammenfügen!“ (al-Masudi, zit. nach Makrisi 1911, S. 64).
Nicht nur die Große Pyramide, in die Kalif al-Mamun eingebrochen ist, war bedroht, sondern es gab auch einen gescheiterten Zerstörungsversuch an der kleinen Pyramide: „Es wurde dem al-Malik al-aziz Utman b. Salah ad-Din Jusuf b. Aijub, als er nach dem Tode seines Vaters unabhängiger Herrscher geworden war, von den Törichten unter seinen Gefährten eingeredet, er solle diese Pyramiden zerstören lassen. Da begann er mit der kleinen roten Pyramide und schickte zu ihr Mineure, Steinmetzen und die ganze Schar der Fürsten und Großen seines Reiches hinaus mit dem Befehl, sie zu zerstören. Sie schlugen darauf neben ihr Zelte auf, brachten die Arbeiter und Werkleute zusammen und gaben für sie große Summen aus. Etwa acht Monate verweilten sie dort mit ihren Reitern und Fußgängern und zerstörten nach mühevoller Arbeit und äußerster Anstrengung ihrer Kräfte einen oder zwei Steine täglich. Einige rissen den Stein oben mit Keilen los, während unten andere mit Tauen und Stricken an ihm zerrten. Fiel er dann herab, so vernahm man weithin einen so furchtbaren Krach, dass die Berge erbebten und die Erde erzitterte. Nun versank er tief im Sande; da kostete es sie wieder viel Mühe, ihn herauszuschaffen. Dann trieben sie Keile, für die vorher Löcher gebohrt worden waren, in ihn hinein und ließen sie darin stecken; so wurde er in einzelne Stücke zersprengt, die man auf Karren wegfuhr, um sie am Fuße des nahe gelegenen Berges abzuladen. Als sie sich nun lange Zeit dort aufgehalten hatten und ihre Geldmittel erschöpft waren, ihre Ermattung sich verdoppelt hatte und ihre Entschlossenheit erlahmt war, da stellten sie ermüdet ihre Tätigkeit ein: Nichts von dem, was sie erstrebten, hatten sie erreicht, sondern nur die Pyramide verunstaltet und ihre eigene Ohnmacht und Schwäche in ein deutliches Licht gerückt“ (Makrizi 1911, S. 85f.).
Solche Zerstörungswünsche hatten nicht nur die Araber des Mittelalters, sondern sie fanden auch in der Neuzeit ihre Fortsetzung darin, dass die Pyramiden zu einem Steinbruch für die Bauten und Moscheen von Kairo gemacht wurden. Bereits Makrizi berichtet von solchen Zerstörungen von kleinen Pyramiden gegenüber der Stadt Misr, deren Steine dazu dienten, das Bergschloss, die Mauern von al-Kahira und die Brücken bei al-Giza zu bauen (Makrizi 1911, S. 49).