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Eigenart und Verhaltensweise der Mondbewohner

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Wenn der Mond in seiner Oberflächengestaltung nichts anderes ist als eine zweite Erde, dann muss nach Plutarch dort auch Leben möglich sein: „Denn wenn es nicht möglich ist, so spricht das auch gegen die Lehre, der Mond sei aus Erde. Man müsste ja glauben, er sei ohne Zweck und Sinn geschaffen, wenn er nicht Früchte hervorbringt, Menschen einen Wohnsitz bietet, ihre Geburt und Ernährung ermöglicht, Dinge, um derentwillen nach unserer Überzeugung auch unsere Erde geschaffen ist“ (Plutarch 1968, S. 56). Doch Plutarch weiß auch, dass dieses Argument, wenn keine Menschen auf dem Mond wohnen, sei er ohne Sinn und Zweck, nicht zwingend ist. Denn auch unsere Erde ist nicht überall fruchtbar und bewohnt. Nur ein kleiner Teil von ihr bringt Tiere und Pflanzen hervor; der Rest ist zum Teil durch unwirtliches Wetter oder durch Dürre öde und unfruchtbar, zum größten Teil aber bedeckt vom Meer. Und doch ist die Existenz dieser Regionen keineswegs sinnlos. Das Meer lässt milde Dünste aufsteigen; und im Hochsommer kommen die erfrischendsten Winde aus der unbewohnten, kalten Zone, wo der allmählich schmelzende Schnee sie freisetzt und in alle Richtungen wehen lässt. Es ist also durchaus möglich, dass auch der Mond ohne Lebewesen sein kann, aber doch einen Zweck erfüllt.

Jedoch alle Gegeneinwände, die im Ernst wie im Scherz gegen die Existenz der Mondbewohner erhoben worden sind, hält Plutarch für lächerlich. So wurde behauptet, dass denen, die auf der Unterseite des Mondes wohnen, er wie ein Stein drohend über ihren Häuptern hänge, und die, die oben auf ihm wohnen, seien an ihn gefesselt und würden bei seinem rasenden Umschwung von Stürmen gepeitscht. Darüber hinaus müsste man auf der Erde darauf gefasst sein, dass die Mondbewohner sozusagen im Kopfsprung herunterpurzeln. Alle diese Einwände lassen sich jedoch nur im Rahmen des geozentrischen Weltbildes begründen, bei dem die Erde nicht nur im Zentrum steht, sondern auch der natürliche Ort aller schweren Körper ist, die auf ihn zustreben. Ohne sich ausdrücklich als Anhänger und Bewunderer des Aristarch zu bekennen, vertritt Plutarch eine völlig neue revolutionäre Theorie, die noch in der Neuzeit vor Newton bei Galilei als Ersatz für die Gravitationstheorie gedient hat. Diese neue Theorie kann auch als „Kohäsionstheorie“ (vgl. Görgemann in Plutarch 1968, S. 7) bezeichnet werden. Sie betrachtet den Mond als eine Einheit für sich, die alle Gegenstände auf seiner Oberfläche festhält, während nach der aristotelisch-stoischen Lehre dagegen alle schweren Gegenstände auf dem Mond, wenn er aus Erde und nicht aus Äther besteht, zur Erde als ihren natürlichen Ort zurückstreben müssten.

Nach Plutarch hat es jedoch keinen Sinn, sich über die Standsicherheit der Mondbewohner den Kopf zu zerbrechen, wenn für ihre physische Existenz die Voraussetzungen fehlen. Denn wenn der Mond von der Sonne beschienen wird, die jährlich zwölfmal bei Vollmond im Zenit steht, kann man sich das Aufkommen von Winden, Wolken und Regen, die für Entstehung und Ausdauern der Pflanzen unerlässlich sind, nicht vorstellen wegen der Hitze, die durch die dünne Atmosphäre nicht gemildert werden kann. Wenn es aber auf dem Mond nicht regnet, kann man sich auch nicht vorstellen, dass dort überhaupt etwas wächst, das den Mondbewohnern als Nahrung dienen könnte. Doch für dieses Problem findet Plutarch eine plausible Lösung: „Es ist anzunehmen, dass der ständige Temperatur-Wechsel die Extreme, die nur von kurzer Dauer sind, stark und in der rechten Weise mildert und beiden das Übermaß nimmt. Wahrscheinlich haben die Mondbewohner ein mittleres Klima, das am ehesten dem Frühling vergleichbar ist. Zweitens sendet die Sonne ihre Wärme zu uns durch feuchte Luft, die das Drückende verstärkt, und der aufsteigende Dunst nährt die Hitze; dort aber ist die Luft leicht und strahlendurchlässig; sie zerstreut und verflüchtigt die Sonnenstrahlen, da sie ihnen kein Substrat zur Entwicklung der Hitze bietet“ (Plutarch 1968, S. 59). Wenn es auf dem Mond keinen Regen gibt, so geht doch Plutarch davon aus, dass es auf dem Mond, ähnlich wie in den dürren heißen Gegenden der Erde, zum Beispiel in Oberägypten, Grundwasser gibt, durch das Fruchtbäume und Getreide ernährt werden können. Manche Pflanzen in diesen Gegenden können, wie es heißt, „nicht einmal Tau vertragen, zum Beispiel die meisten arabischen; wenn sie benetzt werden, welken und vergehen sie“. Es ist also gar für Plutarch keine abwegige Vorstellung, „dass auf dem Mond Wurzeln, Samen und Hölzer gedeihen, die weder Regen noch Schnee brauchen, sondern sich in sommerlich dünner Luft wohl befinden“ (Plutarch 1968, S. 60).

Bei seinen Vorstellungen über die Natur und Wesensart der Mondbewohner geht Plutarch von dem Grundsatz aus, dass man auch auf der Erde größere und zahlreichere Unterschiede zwischen den Lebewesen als zwischen Lebendem und Unbelebtem finden kann. Wer also den Mond für einen glühendheißen Körper hält, der irrt sich, und wer andererseits erwartet, die Lebewesen dort seien auf die gleichen Voraussetzungen angewiesen wie die irdischen, der beweist geringe Erfahrung mit den Ungleichheiten in der Natur. Die Mondbewohner haben nach seiner Meinung, wenn es sie überhaupt gibt, wahrscheinlich einen zarten Körper und können mit jeder beliebigen Nahrung auskommen. Zur Begründung dieser Vorstellung liefert Plutarch einen plausiblen Vergleich: „Stellen wir uns einmal vor, wir könnten uns nicht dem Meer nähern und es erreichen, sondern erblickten es nur aus der Ferne und erführen, dass es bitteres, untrinkbares, salziges Wasser enthalte; und nun berichtete jemand, es nähre viele große, mannigfaltige Lebewesen in der Tiefe und sei voll von Tieren, für die das Wasser dasselbe sei wie für uns die Luft – wir würden glauben, er erzähle Märchen und Wundergeschichten. Ebenso, scheint es, ist unser Verhältnis zum Mond, und ebenso ist unsere Verhaltensweise, wenn wir nicht glauben wollen, dass dort Menschen wohnen“ (Plutarch 1968, S. 62). Viel eher, meint Plutarch, könnten die Mondbewohner zweifeln, wenn sie die Erde betrachten, die sozusagen „den Bodensatz und den Grundschlamm des Weltalls bildet und aus Feuchtigkeit, Nebeln und Wolken hervorschaut, ein glanzloser, niedriger und bewegungsloser Platz, ob sie Lebewesen hervorbringen und nähren könne, die an Bewegung, Atmung und Wärme Anteil haben“ (Plutarch 1968, S. 63).

Die Suche nach der zweiten Erde

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