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Die ältesten Vorstellungen von der Bewohnbarkeit des Mondes

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Die Erdähnlichkeit des Mondes war zwar durch empirische Beobachtungen der Unebenheiten der Mondoberfläche gestützt, konnte sich jedoch auf keine ausgearbeitete Theorie der Erdbewegung berufen. Denn nur dann, wenn die Erde selbst ein bewegter Himmelskörper ist, kann man sie mit dem Mond vergleichen. Es gab zwar dazu spekulative Ansätze bei den Vorläufern des Kopernikus in der Antike wie etwa bei Aristarch von Samos (310 – 230 v. Chr.). Doch zu einer praktisch anwendbaren geometrisch-exakten Theorie der Planetenbewegungen haben diese Ansätze noch nicht geführt. Umso erstaunlicher ist das historische Faktum, dass diese Theorie von der Erdähnlichkeit des Mondes von den frühesten Zeiten an bis zum Höhepunkt der Entwicklung der antiken Astronomie immer präsent geblieben ist.

Ansätze dazu sind im antiken Griechenland sehr früh, noch weit vor dem ptolemäischen Weltsystem, aufgetaucht. Ein Bruchstück der pythagoreisch-ägyptischen „Orphischen Gesänge“, das durch den Neuplatoniker Proklus (410 – 485 n. Chr.) überliefert worden ist, besagt ausdrücklich, dass auf dem Mond Berge, Städte und stolze Gebäude sich erheben (Proklus, in Timaeum Lib. IV). Nach Diogenes Laertius hat auch der Begründer der Eleatenschule, Xenophanes aus Kolophon (geb. 565 v. Chr.), die Bewohnbarkeit des Mondes gelehrt. Jedenfalls hat sich der christliche Kirchenlehrer Lactantius (325 n. Chr.) über ihn lustig gemacht, weil er Mondbewohner angenommen habe, die in tiefen Höhlen wohnen. Der um 499 v. Chr. geborene griechische Philosoph Anaxagoras lehrte, dass „der Mond Berge, Täler und bewohnte Gegenden hat“ (Diogenes Laertius II, 8). Der Mond ist aber nach seiner Meinung der einzige Himmelskörper, der gleich wie die Erde ist. Als er jedoch lehrte, dass die Sonne nur eine glühende Steinmasse, größer als der griechische Peloponnes, sei, wurde er der Gottlosigkeit angeklagt und musste nach Lampsakus auswandern (Diogen. Laert. Lib. II). Der Begründer der Atomlehre, Demokrit (460 – 370 v. Chr.), vertrat sogar eine ganz modern anmutende kosmogonische Vorstellung vom Entstehen und Vergehen unzähliger Welten im Universum: „Die einen seien noch im Wachsen, die anderen ständen auf der Höhe ihrer Blüte; andere seien im Schwinden begriffen … In manchen sei weder Sonne noch Mond, in manchen seien sie größer als die in unserer Welt und in manchen gäbe es mehr davon … Und es gäbe einige Welten, in denen es keine Tiere und Pflanzen und keinerlei Feuchtigkeit gäbe“ (Hippolytos, I, cap. 13, 2; vgl. Capelle 1940, S. 416). Aber einige von diesen unzähligen Welten „seien untereinander nicht nur ähnlich, sondern in jeder Hinsicht vollständig, ja so vollkommen gleich, dass unter ihnen überhaupt kein Unterschied wäre, und ebenso wäre es mit den Menschen dort“ (Cicero, Academica priora II, cap. 55; vgl. Capelle 1940, S. 416).

Unter all den Autoren der Antike, welche die Mehrheit bewohnter Welten vertraten, ragen vor allem die Pythagoreer schon deshalb hervor, weil sie als Vorläufer des Kopernikus annahmen, dass die Erde, wie der Mond und die anderen Planeten, um ein „Zentralfeuer“ kreist. Damit wurde nicht nur die Erde zu einem Planet unter Planeten, sondern auch umgekehrt die Erdartigkeit des Mondes und der Planeten behauptet. Am deutlichsten aber hat sich Philolaos von Kroton (um 500 v. Chr.) über die Bewohner des Mondes ausgedrückt, wie der spätantike Schriftsteller Aetius (um 100 n. Chr.) zu berichten weiß: „Einige Pythagoreer, zu denen auch Philolaos gehört, behaupten, der Mond scheine erdartig zu sein, weil er, wie unsere Erde, ringsum bewohnt würde, jedoch von größeren und schöneren Lebewesen und Pflanzen. Denn die Lebewesen auf ihm seien fünfzehnmal so groß wie bei uns; sie sonderten keinerlei Ausscheidungen aus sich ab, und der Tag sei ebenfalls fünfzehnmal so lang wie bei uns“ (Aetius II, cap. 30, 1; vgl. Capelle 1940, S. 481). Philolaos war es auch, der die seltsame Idee einer geheimnisvollen Gegenerde vertrat, die für uns immer unsichtbar bleibt, weil sie der Erde genau gegenüberliegt und sich mit ihr mit gleicher Geschwindigkeit um das Zentralfeuer herumbewegt. Infolgedessen können auch deren Bewohner von uns nicht gesehen werden (Aetius II, cap. 11, 3; vgl. Capelle 1940, S. 480).

Die Suche nach der zweiten Erde

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