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Tod auf dem Scheiterhaufen: Giordano Bruno und seine Vorläufer

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Die Vorstellung, dass die Planeten unseres Sonnensystems keine menschenähnlichen Lebewesen beherbergen, sondern nur der Ort für die Seelen der Verstorbenen seien, ist sehr alt. Schon ein antiker Mythos, von dem Plutarch berichtet, lässt die Seelen der guten Verstorbenen zum Mond aufsteigen, während keine schlechte und unreine Menschenseele dorthin kommt.

Unter den christlichen Gelehrten der ersten Jahrhunderte war es insbesondere Origenes (gest. 254), der die Ansicht von einer Vielheit bewohnter Welten vertrat. Um die Ewigkeit der Allmacht des Weltschöpfers zu retten, nahm er eine im ewigen Wechsel sich erneuernde Reihe von Weltschöpfungen an. In diesem Zusammenhang behauptete er aber auch die vom Christentum als häretisch angesehene Präexistenz der Menschenseelen, die, mit ätherischen Leibern umkleidet, die verschiedenen Welten bewohnen sollen (Origenes, Opera omnia, De principiis Lib. III, cap. V). Durch eine derartige Verknüpfung dieser theologischen Irrlehre mit der Vorstellung einer Vielfalt von bewohnten Welten ließ aber Origenes begründete Zweifel an seiner Rechtgläubigkeit aufkommen. Ein notwendiger Zusammenhang zwischen der Vorstellung einer Vielfalt von bewohnten Welten mit theologischen Irrlehren besteht aber nicht. Vielmehr haben auch gläubige Vertreter der Lehre von der Vielheit bewohnter Welten bewiesen, dass diese Ansicht mit der christlichen Weltanschauung durchaus verträglich ist.

Der bedeutendste unter ihnen war Nikolaus von Kues (1401 – 1464), der bereits vor Kopernikus die Ansicht vertrat, dass die Erde nur ein Planet sei, dem, genauso wie den anderen Planeten, eine Bewegung zukomme. Er wurde deswegen als ein Vorläufer des Kopernikus angesehen. Doch die Art der Bewegung, die Nikolaus von Kues der Erde zubilligt, ist nicht die, welche Kopernikus ihr zuschreibt: Es ist weder die tägliche Umdrehung um ihre Achse, noch der jährliche Umlauf um die Sonne, sondern eine Art nicht genau bestimmten Umlaufs um ein nicht genau bestimmtes und fortwährend sich verlagerndes Zentrum. Die Unbeweglichkeit der Erde ist für Nikolaus von Kues nur eine Täuschung: „Wüsste jemand nicht um das Fließen des Wassers und sähe die Ufer nicht, während er sich auf einem Schiff inmitten des Wassers befindet, wie sollte der erkennen, dass das Schiff sich bewegt?“ Da eine Bewegung nur durch einen Vergleich mit etwas Feststehendem erkannt werden kann und da es stets jedem, ob er sich auf der Erde oder der Sonne oder auf einem anderen Stern befindet, so vorkommt, dass er sich gleichsam an einem unbeweglichen Mittelpunkt befindet und dass alles andere sich bewegt, deshalb würde jemand, wenn er sich auf der Sonne, der Erde, dem Mond, dem Mars usw. befände, sich immer im Mittelpunkt des Alls fühlen: „Der Bau der Welt ist daher so, als hätte sie überall ihren Mittelpunkt und nirgends ihre Peripherie, da ihre Peripherie und ihr Mittelpunkt Gott ist, der überall und nirgends ist“ (Nikolaus von Kues 1967, S. 93 ff.).

Auf Grund dieser Vorstellung vom Aufbau des Weltalls vertritt Nikolaus von Kues in seiner berühmten Schrift „De docta ignorantia“ (Die belehrte Unwissenheit) ausdrücklich die Bewohntheit der Himmelskörper durch vernünftige Geschöpfe. Seiner Ansicht nach sind wir von keinem Stern berechtigt auszuschließen, dass es dort sinnbegabte, vernünftige Lebewesen gibt. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass alle Welten bewohnt seien.

Über die Beschaffenheit dieser Geschöpfe kann man jedoch nicht viel sagen. Da die Region unseres Sonnensystems in ihrer Gesamtheit noch weitgehend unbekannt ist, so bleiben auch ihre Bewohner uns völlig unbekannt. Obwohl die Bewohner der Sonne und des Mondes klarsichtiger und geistbegabter sein könnten als die Erdbewohner, ist damit die Würde des Menschen nicht geringer zu werten. Denn es „scheint doch im Rahmen der Geistnatur keine edlere und vollkommenere Ausprägung geben zu können als die Geistnatur, die hier auf dieser Erde und in ihrer Region zu Hause ist, mag es auch auf anderen Sternen Bewohner anderer Gattungen geben. Der Mensch strebt nämlich nicht nach einer anderen Natur, sondern nur nach Vollendung in der seinen“ (Nikolaus von Kues 1967, S. 101).

Die Vorstellung von einem unbegrenzten bewohnten Weltall wurde hundert Jahre später von Giordano Bruno (1548 – 1600) wieder aufgegriffen. Er konnte sich bereits auf das heliozentrische System des Kopernikus stützen, der jedoch noch an der Fixsternsphäre als Begrenzung des Weltalls festhielt. Dieser Schritt ins unbegrenzte, unendliche Weltall war daher ein Wagnis, vor dem auch noch Kepler zurückschauderte (vgl. Oeser 1971, S. 100). Giordano Bruno war davon überzeugt, dass niemand „auch nur einen halb wahrscheinlichen Beweis dafür aufstellen kann, dass dieses körperliche Universum einen Rand und eine Grenze habe und dass somit die Gestirne, die es in seinem Schoße vereint, eine begrenzte Anzahl ausmachen“ (Bruno, Das Aschermittwochsmahl, 1904, S. 99). Wo Nikolaus von Kues nur die Unmöglichkeit feststellt, die Grenzen der Welt zu bestimmen, besteht Giordano Bruno auf ihrer Unendlichkeit. Dabei kommt nun auch das theologische Argument zum Tragen: „So nur rühmen die Himmel die Herrlichkeit Gottes, so nur offenbart sich die Größe seines Reichs. Nicht auf einem, auf unzähligen Thronen strahlt seine Majestät, nicht auf einer Erde, auf einer Welt, auf zehnmal hunderttausenden, auf unzähligen. Nicht eitel ist daher das Vermögen des Geistes, immer Raum an Raum zu fügen, Masse zur Masse, Einheit zur Einheit, Zahl zur Zahl, mit Hilfe der Wissenschaften, die uns von den Ketten einer so engen Herrschaft erlöst und uns zu freien Bürgern eines so herrlichen Reiches befördert, uns von eingebildeter Armut befreit und mit den unzählbaren Reichtümern dieses unermesslichen Raumes, dieses herrlichsten Gefildes, so vieler bewohnter Welten beglückt; so dass weder der täuschende Horizont des irdischen Auges noch die erdichtete Sphäre der Phantasie im ätherischen Gefilde unsern Geist mehr einkerkert“ (Bruno, Zwiegespräche, 1904, S. 23). Und ganz im Sinne seines Vorläufers Nikolaus von Kues behauptet er: „Und wenn wir dann in einem solchen Raume zahllose Körper annehmen, wie diese Erde oder irgendeine andre Erde, diese Sonne oder irgendeine andre Sonne, so vollenden alle diese Weltkörper ihre Umläufe durch endliche und begrenzte Raumteile und um ihre eignen besonderen Zentra. So können wir Erdbewohner sagen, die Erde befinde sich im Mittelpunkte, und alle Philosophen, neuere und alte, zu welcher Schule immer sie gehören, würden, ohne ihren Prinzipien zu widersprechen, behaupten können, dass sie den Mittelpunkt bilde … Aber ebenso gut würden auch etwaige Mondbewohner glauben, dass unsre Erde als ihr Mond und viele andre Sterne, welche den Endpunkt der Radien ihres Gesichtskreises bilden, ihr Zentrum umkreisen. So ist die Erde im Verhältnis zum All nicht mehr und nicht weniger Mittelpunkt als jeder beliebige andere Weltkörper“ (Bruno 1904, S. 61 f.).

Dass die anderen Weltkörper wie die Erde bewohnt sind, darüber gibt es für Giordano Bruno keinen Zweifel: „Denn unmöglich kann ein vernünftiger und einigermaßen geweckter Verstand sich einbilden, jene unzähligen Welten, die sich entweder ebenso oder noch prächtiger bezeugen als diese, die entweder Sonnen sind, oder denen eine Sonne nicht weniger herrliche und befruchtende Strahlen zusendet, die das Glück ihres eigenen Quells dadurch an den Tag legen, dass sie alle umstehenden Welten durch Teilnahme an seiner Kraft glücklich machen, – dass, sage ich, alle diese Welten von ähnlichen oder besseren Bewohnern beraubt seien. Die zahllosen und wesentlichen Glieder des Alls sind also unbegrenzt, von derselben Ansicht, demselben Ansehen, denselben Kräften und Wirkungen“ (Bruno 1904, S. 112).

Weder von Nikolaus von Kues noch von Giordano Bruno wurde die Verdrängung der Erde aus dem Mittelpunkt der Welt als Degradierung empfunden. Ganz im Gegenteil behauptet Nikolaus von Kues mit Genugtuung ihre Erhebung in den Rang der vornehmen Sterne; und Giordano Bruno verkündet mit glühender Begeisterung das Bersten der Sphären, die uns von den weit offenen Räumen und unerschöpflichen Schätzen des sich ständig verändernden, ewigen und unendlichen Universums trennten. Für ihn sind Veränderung und Bewegung Anzeichen der Vollkommenheit und kein Mangel. Ein unveränderliches Universum wäre ein totes Universum; ein lebendiges muss fähig sein, sich zu bewegen und sich zu verändern (vgl. Koyré 1957, S. 50).

Giordano Bruno musste jedoch nicht, wie mehrfach behauptet (Flammarion 1880, Arrhenius 1919), wegen seiner astronomischen Lehren den Feuertod erleiden. Vielmehr waren es seine religiösen Einstellungen, die ihm dieses schreckliche Schicksal bereiteten. Er galt als Pantheist oder sogar als „Atheist“ und stand als solcher mit dem kirchlichen wie staatsrechtlichen Rechtsbewusstsein des damaligen Zeitalters in einem unversöhnlichen Gegensatz. Schließlich war es auch seine maßlose Kritik an der römischen Kirche in seinem in England verfassten Werk „Spaccio della Bestia trionfante“, die ihn nach damaliger Anschauung zugleich als gemeingefährlichen Empörer gegen die christliche Gesellschaftsordnung erscheinen ließ. Deswegen wurde er nach seiner Rückkehr nach Italien im Jahre 1593 von der Inquisition verhaftet und nach Rom gebracht, wo er sieben Jahre eingekerkert blieb, bis er exkommuniziert und am 17. Februar 1600 auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde.

Die Suche nach der zweiten Erde

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