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Der Weltbeschauer: Huygens
ОглавлениеEbenso wie Keplers Traum ist auch der „Weltbeschauer“ (Kosmotheoros) von Christiaan Huygens (1629 – 1695) erst nach dessen Tod im Jahre 1698 erschienen. Um dieses Werk einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurde es bereits im selben Jahr aus dem Lateinischen ins Englische übersetzt und ein Jahr später ins Holländische. Anders als Fontenelle, der seine Spekulationen noch auf die kartesianische Wirbeltheorie stützt, geht Huygens bereits von Newtons Gravitationstheorie aus und liefert am Ende seines Buches eine vernichtende Kritik der Ansichten von Descartes, der nach seiner Meinung keine Ahnung von der immensen Entfernung der Sterne hatte, wenn er sich den Weltraum dicht mit Wirbeln erfüllt vorstellte.
Was nun die Bewohnbarkeit der Himmelskörper anbelangt, kann Huygens bereits auf eine Reihe von kühnen Vorläufern wie Kardinal Cusanus, Giordano Bruno und Kepler hinweisen, welche die Planeten mit Bewohnern ausgestattet haben (Huygens 1698, S. 3). Und er weist auch darauf hin, dass Cusanus und Bruno sogar die Sonne und die Fixsterne als bewohnt angesehen haben. Außerdem kennt er auch Plutarchs Abhandlung über das Mondgesicht, der nach seiner Meinung schon die richtige Vorstellung von der Gravitation hatte (Huygens 1698, S. 158). Auch erwähnt Huygens den „geistreichen französischen Autor des Dialoges über die Mehrheit der Welten“, der jedoch nach seiner Meinung diese Angelegenheit nicht weitergebracht hat (Huygens 1698, S. 3).
Nach seiner eigenen Vorstellung sind alle Planeten solide Körper, auf denen wie auf der Erde die Schwerkraft wirkt (Huygens 1698, S. 19). Und in der Frage nach der Bewohnbarkeit anderer Welten geht er von dem Grundsatz aus, dass es auf ihnen, wie auf unserer Erde, Wasser geben müsse. Das glaubt er vor allem für Jupiter auf Grund der Beobachtungen von Cassini feststellen zu können, der auf diesen Planeten nicht nur Wolken und dunkle Flecken, sondern auch die Reflexionen des Schnees auf den Gipfeln der Berge bemerkt hat. Wenn aber die Erde und Jupiter Wasser und Wolken haben, gibt es keinen Grund, warum die anderen Planeten dies nicht haben sollten. Doch Huygens behauptet nicht, dass dieses Wasser genau von derselben Art ist wie unser Wasser auf der Erde. Denn unser Wasser würde auf dem Jupiter oder Saturn wegen der dort durch den großen Abstand von der Sonne vorhandenen Kälte sofort gefrieren. Jeder Planet muss daher eine besondere Art von Wasser mit einer Temperatur haben, die seiner Wärme angepasst ist. So muss auch das Wasser auf Jupiter und Saturn so sein, dass es nicht in Gefahr ist, zu gefrieren, und auf der Venus und dem Merkur muss es so sein, dass es nicht leicht durch die Hitze der Sonnenglut zu Dampf wird (Huygens 1698, S. 27). Das Vorhandensein von Wasser welcher Art und Temperatur auch immer war jedenfalls für Huygens ein Grund für die Annahme, dass auch auf allen anderen Planeten des Sonnensystems Pflanzen und Tiere vorhanden sind und sich vervielfältigen wie auf der Erde. Und er war auch der Meinung, dass die Tiere der Planeten von derselben Art, ja sogar von der gleichen Gestalt wie die Tiere der Erde sind. Auch den intelligenten Bewohnern der Planeten schreibt er einen dem unseren ähnlichen Wuchs und Körperbau zu. Denn er kann sich „nicht ohne Horror und Ungeduld einen anderen Wohnort einer vernunftbegabten Seele“ (Huygens 1698, S. 77) vorstellen als den menschlichen Körper. Alle Planetenbewohner haben Augen und ein aufwärts gerichtetes Gesicht, um auf diese Weise leichter und bequemer die Sterne beobachten zu können (Huygens 1698, S. 74). Sie müssen auch Hände haben und keine Hufe wie Pferde oder Rüssel wie Elefanten (Huygens 1698, S. 71 f.), um im Stande zu sein, Häuser nach Art der unseren zu errichten und ihre mathematischen Instrumente und ihre Gegenstände der Industrie verfertigen zu können. Auch müssen sie eine ähnliche Größe wie wir Menschen auf der Erde haben. Denn wenn wir sie zu „kleinen Burschen von der Größe wie Ratten oder Mäusen“ (Huygens 1698, S. 78) machen, könnten sie derartige Beobachtungen mit astronomischen Instrumenten nicht zu Stande bringen. Auch müssen sie der Schrift mächtig sein, um diese Beobachtungen aufzeichnen zu können. Huygens glaubt auch, dass sie wie wir die sicheren Regeln der Geometrie und die Lehrsätze der Mathematik kennen, ebenso wie die Gesetze der Musik. Auch verstehen sie nach seiner Meinung das Seewesen und treiben Schifffahrt – kurz, sie sind die getreue Nachbildung der Menschheit der Erde (vgl. Flammarion 1865, S. 187 f.).
Über die Bewohner des der Sonne am nächsten stehenden Planeten Merkur muss sich jedoch Huygens besondere Gedanken machen. Denn diese sind der ungeheuren Lichtquelle dreimal näher als wir. Sie sehen die Sonne daher dreimal größer und fühlen ihre Strahlen neunmal heißer, als wir es tun. Eine derartige Hitze ist für uns unerträglich und auch unsere ausgetrockneten Pflanzen würden dort wie Heu und Stroh in Feuer aufgehen. Daher nimmt Huygens an, dass auf dem Merkur die Tiere selbst eine solche Temperatur haben, dass sie es dort erträglich warm empfinden und dass die Pflanzen so beschaffen sind, dass sie die Hitze überstehen können. Die Merkurbewohner, wenn es sie gibt, müssten die gleiche Vorstellung von uns haben, wie wir sie vom Saturn haben, dass wir unerträglich kalt sein müssen und nur wenig oder gar kein Licht haben, da wir so weit von der Sonne entfernt sind. Huygens zweifelt aber, dass es einen Grund dafür gibt, dass die Merkurbewohner, die doch so viel näher der Sonne, der Quelle des Lebens und der Kraft, viel lebhafter und geistreicher sind als wir. Zu einer derartigen Ansicht fühlt sich Huygens nicht gezwungen, wenn er die Verhältnisse hier auf der Erde betrachtet, wo die Einwohner von Afrika und Brasilien, die doch auf den heißesten Plätzen der Erde beheimatet sind, keineswegs weiser und fleißiger sind als die, welche die kälteren oder gemäßigteren Klimaten haben. Auch ist er nicht willens, die riesige Anzahl der Bewohner der beiden großen Planeten Jupiter und Saturn als „stumpfsinnige Holzköpfe“ anzusehen, ohne so viel Verstand wie wir, nur weil sie so viel mehr von der Sonne entfernt sind (Huygens 1698, S. 106 f.).
Während er als der eigentliche Entdecker des Saturnringes, von dem er auch eine getreue Abbildung liefert (vgl. Abb. 6), eine besondere Vorliebe für die Bewohner dieser Riesenplaneten hat, will er jedoch von Keplers Vorstellung, dass unser Mond von intelligenten Lebewesen bewohnt sei, weil er die Ringgebirge wegen ihrer exakten Rundung als ihre künstlichen Bauwerke angesehen hat, nichts wissen. Für Huygens sind diese Ringgebirge vielmehr wegen ihrer unglaublichen Größe nur durch natürliche Ursachen zu Stande gekommen. Auch findet er, dass die gewöhnlich als Meere bezeichneten großen dunklen Flecken am Mond diesen Namen nicht verdienen. Denn mit einen guten Teleskop erkennt man, dass sie voll von kleinen runden Höhlungen sind, deren Schatten auf ihre Oberfläche fallen. Er kann auch keinen Dunst und keine Wolken auf dem Mond erkennen. Daher gibt es auch keine Atmosphäre und folglich auch keine Flüsse und Seen. Somit sind aber auch alle Vermutungen, dass es dort Pflanzen oder Tiere geben könne, äußerst zweifelhaft, von intelligenten Bewohnern des Mondes ganz zu schweigen. Das Gleiche gilt dann auch für die übrigen Monde des Sonnensystems. Wenn aber Huygens trotzdem von ihren Bewohnern spricht, dann nur deswegen, weil er ähnlich wie Kepler darstellen will, welch großartige Aussicht von einem Himmelskörper sein kann, die nicht durch eine Atmosphäre mit ihrem Dunst und ihren Wolken behindert ist.
Abb.6 Der Planet Saturn mit seinem Ring (aus Huygens 1698)
Wenn man aber nun annimmt, dass die Planeten von intelligenten Lebewesen bewohnt sind, dann erhebt sich die Frage, ob sie unter „Vernunft“ dasselbe verstehen wie wir. Bei uns liegt ja schließlich die Vernunft all unseren Vorstellungen von Gerechtigkeit, Aufrichtigkeit, Sittlichkeit, Güte und Dankbarkeit zugrunde. Der Verstand ermöglicht uns die Unterscheidung zwischen Gut und Böse, ohne ihn gäbe es keine Erziehung und Ausbildung, kein Wissen und keine Erfindungen. Huygens glaubt nun nicht, dass es eine andersartige Vernunft als die unsere geben kann und dass das, was wir für gerecht und richtig ansehen, etwa auf dem Mars oder Jupiter als ungerecht und verbrecherisch gelten könnte. Die Bewohner jener Planeten mögen sich von uns in ihren Vorstellungen von Freundschaft und Zorn, von Hass und Ehrbarkeit, von Scham und Wohlbefinden bis zu einem gewissen Grade unterscheiden, aber man darf wohl nicht daran zweifeln, dass sie ganz wie wir von dem glühenden Wunsch durchdrungen sind, die Wahrheit zu finden. Was bei uns wahr ist, ist daher auch für die Bewohner auf den anderen Planeten wahr, mögen diese auch in mehr oder minder großem Ausmaß als wir mit Vernunft und Verstand begabt sein.
Mit der durch die Weiterentwicklung der Fernrohrtechnik sich verbessernden Kenntnis der Größe und Zustände der übrigen Planeten des Sonnensystems kam es auch zu einer Abwandlung in der Vorstellung von ihren Bewohnern. Sie wurden zwar noch immer als menschenähnlich angesehen, doch in ihrer Größe vermutete man beträchtliche Variationen entsprechend den unterschiedlichen Lebensverhältnissen auf den jeweiligen Planeten. Dass es nicht nur Abstufungen der Größe der Planetenbewohner entsprechend ihrer Entfernung von der Sonne geben muss, sondern auch in ihrer Wesensart und in ihren geistigen Fähigkeiten Unterschiede bestehen müssen, hat unter allen Philosophen der Neuzeit besonders Kant hervorgehoben.