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Galileis Fernrohr

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Als Galilei sein Fernrohr auf den Mond richtete, sah er nicht nur die dunklen und ziemlich ausgedehnten Flecken, die für jedermann und in jedem Zeitalter offenkundig waren, sondern er entdeckte noch andere Flecken, die in der Ausdehnung kleiner, aber infolge ihrer Menge so dicht beieinander gelegen sind, dass die ganze Mondoberfläche, besonders jedoch der hellere Teil, mit ihnen übersät ist. Diese sind von niemandem vor ihm beobachtet worden. Durch häufig wiederholte Untersuchungen dieser Flecken ist Galilei dann zu der sicheren Erkenntnis gekommen, dass „die Oberfläche des Mondes nicht glatt, regelmäßig und von vollkommener Kugelgestalt ist, wie es eine große Schar von Philosophen vom Mond selbst und von den übrigen Himmelskörpern geglaubt hat, sondern dass sie im Gegenteil uneben, rau und ganz mit Vertiefungen und Schwellungen bedeckt ist, nicht anders als das Antlitz der durch Bergketten und tiefe Täler unterschiedlich gestalteten Erde“ (Galilei 1810, Vol. IV, S. 309). Zu dieser Überzeugung ist Galilei vor allem dadurch gekommen, dass am vierten oder fünften Tag nach Neumond, wenn der Mond als Sichel erscheint, die Grenze, die den dunklen vom leuchtenden Teil scheidet, nicht mehr gleichmäßig auf einer ovalen Linie verläuft, wie sie es auf einem vollkommen runden Körper tun würde, sondern eine ungleichmäßige Linie mit vielen Ausbuchtungen beschreibt (vgl. Abb.2).


Abb.2: Der Mond als zweite Erde (aus Galilei 1610)

Einerseits dehnen sich mehrere leuchtende Auswüchse über die Grenze zwischen Licht und Finsternis in den dunklen Teil hinein und andererseits dringen finstere Teile in die beleuchtete Mondoberfläche vor. Eine große Menge kleiner schwarzer Flecken, die gänzlich vom finsteren Teil getrennt sind, übersät sogar überall fast die ganze Zone, die schon vom Sonnenlicht überflutet ist, ausgenommen nur der Teil, der die großen und altbekannten Flecken aufweist. Damit kommt aber Galilei ganz zwanglos zu einem Vergleich mit irdischen Verhältnissen: „Einen ganz ähnlichen Anblick haben wir auf der Erde um die Zeit des Sonnenaufgangs, wenn wir sehen, wie die Täler noch nicht vom Licht durchflutet sind, die Berge aber, die sie umgeben, bereits voll erglänzen. Und wie auf der Erde die Schatten der Vertiefungen kleiner werden, wenn die Sonne höher steigt, so verlieren auch diese Mondflecken ihre Finsterheit, wenn der leuchtende Teil wächst“ (Galilei 1810, Vol. IV, S. 310 f.). In noch größeres Erstaunen versetzt jedoch Galilei die Beobachtung, dass „sehr viele leuchtende Spitzen innerhalb des finsteren Mondteiles erscheinen, die völlig von der erleuchteten Zone getrennt und losgerissen und über einen nicht geringen Abstand von ihr entfernt sind. Sie nehmen, wenn man einige Zeit wartet, allmählich an Größe und Leuchtkraft zu, und nach zwei oder drei Stunden vereinigen sie sich mit dem übrigen leuchtenden und jetzt größer gewordenen Teil. Inzwischen entzünden sich jedoch innerhalb des finsteren Teils immer neue Spitzen, allerorts gleichsam hervorsprießend, wachsen und vereinigen sich schließlich mit derselben leuchtenden Fläche, die sich noch weiter ausgedehnt hat.“ Auch für diese Beobachtung findet Galilei durch Vergleich mit irdischen Verhältnissen eine plausible Erklärung: „Werden nun nicht auf der Erde vor Sonnenaufgang, wenn der Schatten noch die Ebene bedeckt, die Gipfel der höchsten Berge von den Sonnenstrahlen erleuchtet? Breitet sich nicht nach einer kleinen Weile das Licht aus, bis die mittleren und breiteren Teile dieser Berge beschienen werden? Und vereinigt sich nicht schließlich nach Sonnenaufgang der Sonnenschein auf den Ebenen mit dem auf den Hügeln?“ (Galilei 1810, Vol. IV, S. 311). Während die kleinen Flecken, die Galilei als Erster beobachten konnte, über die ganze Mondoberfläche verstreut sind, erscheinen dagegen die großen Flecken des Mondes keineswegs in ähnlicher Weise unterbrochen und voll von Senken und Erhebungen, sondern sie sind gleichmäßiger und gleichförmiger. „Will man“, sagt Galilei, „die alte Meinung der Pythagoreer wieder auffrischen, dass nämlich der Mond gleichsam eine zweite Erde sei, dann stellt sein leuchtenderer Teil die Landoberfläche, der dunklere die Wasseroberfläche sehr angemessen dar.“ Er selbst habe jedenfalls nie bezweifelt, dass „wenn die Erdkugel aus großer Entfernung betrachtet wird und von den Sonnenstrahlen beschienen wird, die Landoberfläche heller, die Wasseroberfläche dagegen dunkler aussehen wird“ (Galilei 1810, Vol. IV, S. 313). Dass der Mond nicht nur Meere hat, sondern auch eine Atmosphäre, versucht Galilei durch folgende Überlegung zu beweisen: Da nach seiner Auffassung die Höhenunterschiede der Erhebungen und Senkungen auf dem Mond bei weitem die Unebenheit der Erde übertreffen, müsste der äußere Umriss des Mondes unregelmäßig und zackig erscheinen. Doch seine Beobachtungen ergaben, dass der ganze Saum des Mondes, der doch durchgehend aus der helleren Mondsubstanz, die überall aus Buckeln und Löchern besteht, vollkommen rund und abgezirkelt und von keinerlei Schwellungen oder Senkungen angenagt ist. Diese Beobachtung ist für Galilei der Beweis dafür, dass den Mondkörper – ebenso wie die Erde – eine Hülle umgibt, die imstande ist, die Sonnenstrahlen aufzufangen und zu reflektieren, wenn sie auch nicht so undurchsichtig ist, dass sie ein Hindurchdringen des Blicks auf die Mondoberfläche verhindern könnte.

Nachdem Galilei durch seine Fernrohrbeobachtungen auf so überzeugende Weise die Erdähnlichkeit des Mondes nachgewiesen hatte, wurde er gewarnt, dass man sehr bald diese Gegenden mit Menschen bevölkert ansehen werde. Tatsächlich war dieser „märchenhafte, wenn nicht gottlose Gedanke“ auch ein Gegenstand von Galileis „Dialog über die beiden Weltsysteme“. Dort lässt er aber den einen der Gesprächspartner, den Vertreter des neuen kopernikanischen Weltbildes, Salviati, sich nur sehr vorsichtig über die Mondgeschöpfe äußern. Auch ist er nicht mehr völlig davon überzeugt, dass die großen dunklen Flecken, die auf der Oberfläche des Mondes zu sehen sind, Meere sind und die übrigen helleren Partien hingegen Land oder etwas Ähnliches. Denn es gibt ja noch andere Ursachen für diese Farbunterschiede: So könnten die dunkleren Flecken durch feuchte Erde zustande gekommen oder von Wäldern bewachsen sein. Fest steht nur, dass diese dunkleren Teile des Mondes Ebenen sind, während die anderen helleren Partien „mit Felsen, Bergen, kreisförmigen und anders gestalteten Wällen bedeckt sind“ (Galilei 1891, S. 105). Noch viel weniger lässt sich mit Sicherheit etwas über das Vorhandensein von Pflanzen und Tieren oder anderen, den irdischen Dingen ähnliche Dinge sagen. Wenn es dergleichen Dinge dort gibt, würden sie vielmehr völlig von denen auf der Erde verschieden und unserem Vorstellungsvermögen ganz entrückt sein. Diese Unterschiede sind bedingt durch die unterschiedlichen klimatischen Verhältnisse: „Man stelle sich nun vor, welche Folgen es haben würde, wenn die heiße Zone einen halben Monat ohne Unterbrechung von der Sonne beschienen würde; es versteht sich, dass unfehlbar alle Bäume, Kräuter und Tiere vernichtet würden. Wenn also doch auf dem Monde eine Erzeugung von Leben stattfände, so könnte es sich nur um Pflanzen und Tiere von völlig anderer Beschaffenheit handeln“ (Galilei 1891, S. 106).

Die Suche nach der zweiten Erde

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