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Die Weltrevolution, mit der Lenin seine Entscheidung rechtfertigte, Rußland auf den Sozialismus zu verpflichten, fand nicht statt. Damit war Sowjetrußland für eine Generation in die Verarmung, Rückständigkeit und Isolation getrieben. Die Optionen für seine Zukunft schienen festgeschrieben oder zumindest eingeschränkt (siehe Dreizehntes und Sechzehntes Kapitel). Und doch schwappte in den ersten beiden Jahren nach dem Oktober die Revolution über die ganze Welt und schien zu beweisen, daß die Hoffnungen der sich rüstenden Bolschewiken nicht unrealistisch waren. »Völker hört die Signale«, so beginnt der Refrain der Internationale in Deutsch. Und diese Signale kamen laut und klar aus Petrograd und aus Moskau, nachdem die Hauptstadt 1918 an einen sichereren Ort verlegt worden war.7 Sie wurden überall dort gehört, wo Arbeiterorganisationen und sozialistische Bewegungen, gleich welcher Ideologie, operierten. Die Tabakarbeiter Kubas, von denen nur wenige überhaupt wußten, wo Rußland lag, gründeten »Räte«; in Spanien werden die Jahre 1917–19 noch heute das »Bolschewistische Duo« genannt, obwohl die regionale Linke dort leidenschaftlich anarchistisch war, politisch also dem entgegengesetzten Lager von Lenin angehörte; revolutionäre Studentenbewegungen entstanden 1919 in Peking (Beijing) und 1918 in Córdoba (Argentinien), von wo aus sie sich bald über Lateinamerika ausbreiten und regionale Revolutionsführer und Parteien hervorbringen sollten. Der militante indische Nationalist M. N. Roy war, nachdem in Mexiko die landesweite Revolution 1917 in ihre radikalste Phase eingetreten war, sofort von Rußland begeistert. Natürlich entdeckte man schnell ihre Affinität zum revolutionären Rußland: Marx und Lenin, gemeinsam mit Montezuma, Emiliano Zapata und Indios aus der arbeitenden Klasse, wurden zu ihren Ikonen, die man noch heute in den großen Wandgemälden der Landeskünstler bewundern kann. Innerhalb von nur wenigen Monaten war Roy in Moskau, wo er eine wichtige Rolle bei der Formulierung der Kolonialbefreiungspolitik der neuen Kommunistischen Internationale spielen sollte. Die Oktoberrevolution prägte, zum Teil gefordert von holländischen Sozialisten wie etwa Henk Sneevliet, auch die größte Massenorganisation Indonesiens, die Nationale Befreiungsbewegung »Sarekat Islam«. »Diese Aktion des russischen Volkes«, schrieb eine türkische Provinzzeitung, »wird eines schönen Tages zur Sonne werden und die ganze Menschheit erleuchten.« Im fernen Innern von Australien feierten hartgesottene (und hauptsächlich irisch-katholische) Schafscherer, die ansonsten kein erkennbares Interesse an politischer Theorie zeigten, den Arbeiterstaat der Sowjets. In den USA konvertierten die Finnen, lange Zeit die gläubigsten Sozialisten unter den Immigrantengemeinschaften, massenweise zum Kommunismus und füllten die öden Bergbausiedlungen von Minnesota mit Veranstaltungen, »wo bei der Erwähnung von Lenins Namen das Herz raste … und wir in mystischem Schweigen, in beinahe religiöser Ekstase, alles bewunderten, was aus Rußland kam« (Koivisto, 1983). Kurz gesagt, die Oktoberrevolution wurde überall als welterschütterndes Ereignis empfunden.

Selbst von jenen, die die Revolution als Kriegsgefangene aus der Nähe miterlebt hatten und daher weniger zur religiösen Ekstase neigten, kehrten viele als überzeugte Bolschewiken und künftige kommunistische Führer in ihre Länder zurück. Der kroatische Mechaniker Josip Broz (Tito) zum Beispiel oder Journalisten, die zur Berichterstattung dabeigewesen waren, wie Arthur Ransome vom Manchester Guardian, der allerdings nicht zu einer besonders bemerkenswerten politischen Figur, sondern vor allem dadurch bekannt werden sollte, daß er seine Passion fürs Segeln in heiteren Kinderbüchern verarbeitete. Eine noch unbedeutendere bolschewistische Rolle spielte der tschechische Schriftsteller Jaroslav Hašek – später schrieb er das meisterhafte Buch Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk –, der sich zum erstenmal in seinem Leben als militanter Vertreter einer Sache erleben sollte und, wie kolportiert wird, das erstaunlicherweise sogar nüchtern. Er hatte als Kommissar der Roten Armee am Bürgerkrieg teilgenommen und war danach mit der Begründung, daß das postrevolutionäre Sowjetrußland nicht seine Sache sei, wieder in seine vertrautere Rolle als Prager Anarchobohemien und Trunkenbold zurückgekehrt. Aber die Revolution war sehr wohl seine Sache gewesen.

Die Ereignisse in Rußland animierten jedoch nicht nur Revolutionäre, sondern vor allem auch Revolutionen. Im Januar 1918, nur wenige Wochen nach der Stürmung des Winterpalasts und noch während die Bolschewiken verzweifelt versuchten, unter allen Umständen einen Frieden mit den vorrückenden deutschen Streitkräften auszuhandeln, schwappte eine Woge von politischen Massenstreiks und Antikriegsdemonstrationen durch Mitteleuropa. Sie begann in Wien, breitete sich über Budapest, Böhmen und Mähren nach Deutschland aus und gipfelte in der Meuterei der österreichisch-ungarischen Matrosen in der Adria. Als auch die letzten Zweifel an der Niederlage der Mittelmächte schwanden, mußten sich deren Armeen endgültig geschlagen geben. Im September machten sich die bulgarischen Bauernsoldaten auf den Heimweg, riefen die Republik aus und marschierten gen Sofia, obwohl sie noch immer mit deutscher Hilfe entwaffnet wurden. Im Oktober, nach den letzten verlorenen Schlachten an der italienischen Front, fiel auch die Habsburgermonarchie auseinander. Neue Nationalstaaten wurden in der (berechtigten) Hoffnung der siegreichen Alliierten gegründet, daß sie den Gefahren der bolschewistischen Revolution vorzuziehen seien. Und die erste westliche Reaktion auf den bolschewistischen Friedensappell an die Völker – vor allem nachdem die Bolschewiken die Geheimverträge veröffentlicht hatten, mit denen die Alliierten Europa unter sich aufteilen wollten – war Präsident Wilsons Vierzehn-Punkte-Plan, der die nationalistische Karte gegen Lenins internationalen Appell ausspielte. Eine Zone kleiner Nationalstaaten sollte dem roten Virus eine Art Quarantänegürtel in den Weg legen. Anfang November trugen meuternde Matrosen und Soldaten die deutsche Revolution vom Marinestützpunkt Kiel über das ganze Land. Eine Republik wurde ausgerufen, und der Kaiser zog sich in die Niederlande zurück, um von einem sozialdemokratischen ehemaligen Sattler als Staatsoberhaupt abgelöst zu werden.

Die Revolution, die schließlich alle Regime von Wladiwostok bis zum Rhein hinwegfegte, war ein Aufstand gegen den Krieg. Doch die Tatsache, daß Frieden geschaffen wurde, konnte ihre Explosionskraft abschwächen. Auch ihre sozialen Anteile waren nur vage erkennbar, außer bei den Bauernsoldaten aus den Imperien der Habsburger, Romanows, Osmanen und den weniger bedeutenden Staaten Südosteuropas und deren Familien, wo sie vor allem von solchen Themen geprägt waren wie Landbesitz, Mißtrauen gegenüber Städten, Fremden (vor allem Juden) und Regierungen. Und genau diese Themen sollten dann in großen Teilen Mittel- und Osteuropas aus Bauern zwar Revolutionäre, aber nicht zugleich auch Bolschewiken machen – abgesehen von Deutschland (vor allem von einigen Regionen Bayerns), Österreich und Teilen von Polen. Selbst in konservativen, ja konterrevolutionären Ländern, wie Rumänien und Finnland, mußten die Bauern mit Landreformen großen Ausmaßes beruhigt werden. Andererseits waren sie überall dort, wo sie die Mehrheit der Bevölkerung bildeten, praktisch schon eine Garantie dafür, daß Sozialisten keine demokratischen Wahlen gewinnen konnten – geschweige denn die Bolschewiken. Das bedeutete aber noch nicht notwendigerweise, daß Bauern immer und überall Bastionen des politischen Konservatismus bildeten. Nur, fatalerweise konnten sie die demokratischen Sozialisten daran hindern und in Sowjetrußland sogar dazu nötigen, die Wahldemokratie abzuschaffen. Aus diesem Grund haben die Bolschewiken, nachdem sie selbst eine verfassunggebende Versammlung gefordert hatten (eine Revolutionstradition seit 1789), diese auch sofort wieder aufgelöst, als sie ein paar Wochen nach dem Oktober zum erstenmal zusammentrat. Auch die Gründung neuer kleiner Nationalstaaten entlang den Wilson-Grenzen verringerte den Wirkungskreis der bolschewistischen Revolution, wenn auch keinesfalls die Nationalitätenkonflikte in den Zonen der Revolution. Und genau das war auch die Intention der alliierten Friedensmacher gewesen.

Dennoch hatte die Russische Revolution einen derart offenkundigen Einfluß auf die europäischen Aufstände der Jahre 1918–19, daß Moskau kaum mehr fürchten mußte, die Aussichten für eine Ausbreitung der Revolution des Weltproletariats stünden schlecht. Für den Historiker – wie sogar für einige der damaligen Revolutionäre – schien das deutsche Kaiserreich ein Staat mit beträchtlicher sozialer und politischer Stabilität und einer starken, aber moderaten Arbeiterbewegung gewesen zu sein, der mit Sicherheit nichts Derartiges wie eine bewaffnete Revolution hervorgebracht hätte, wenn da nicht der Krieg gewesen wäre. Im Gegensatz zum zaristischen Rußland oder dem hinfälligen Österreich-Ungarn, im Gegensatz auch zum sprichwörtlich »kranken Mann von Europa«, dem Osmanischen Reich, oder zu den waffenstarrenden Bewohnern der südöstlichen Berge des Kontinents, die zu allem fähig waren, war dies kein Land, in dem ein Aufstand zu erwarten war. Und tatsächlich blieb ein Großteil der Revolutionssoldaten, Matrosen und Arbeiter – verglichen mit den wirklichen Revolutionsbedingungen im besiegten Rußland und in Österreich-Ungarn – genauso moderat und gesetzestreu, wie es ihnen die russischen Revolutionäre in ihren Witzen schon immer unterstellt hatten. (»Wo es Schilder gibt, die der Öffentlichkeit verbieten, den Rasen zu betreten, werden natürlich auch deutsche Revolutionäre nur auf geebneten Wegen gehen.«)

Und doch war dies ein Land, durch das die Revolutionsmatrosen das Rätebanner trugen; wo die Exekutive eines Berliner Arbeiter- und Soldatenrats eine sozialistische Regierung ernannte; und wo Februar und Oktober auf den gleichen Monat zu fallen schienen, da die effektive Macht in der Hauptstadt schon in den Händen der radikalen Sozialisten gewesen zu sein schien, als der Kaiser abgedankt hatte. Doch das Ganze war nur eine Illusion, die sich ausschließlich der totalen (wenn auch nur zeitweiligen) Lähmung der alten Armee, des Staates und seiner Machtstrukturen und dem zweifachen Schock von totaler Niederlage und Revolution verdankte. Nach wenigen Tagen saß das republikanisierte alte Regime wieder im Sattel und konnte von den Sozialisten, die bei den ersten freien Wahlen nicht einmal mehr eine Mehrheit erringen konnten (obwohl sie nur wenige Wochen nach der Revolution stattfanden), nie mehr ernsthaft gefährdet werden.8 Aber auch die Sozialisten selbst waren von der erst jüngst aus dem Stegreif gegründeten Kommunistischen Partei nicht gefährdet, deren Führer Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg schon bald von Freikorpsoffizieren ermordet werden sollten.

Trotzdem: Die deutsche Revolution von 1918 nährte die Hoffnungen der russischen Bolschewiken; und das um so mehr, als in Bayern 1918 tatsächlich eine kurzlebige sozialistische Republik und, im Frühling 1919, nach der Ermordung ihres Führers für kurze Zeit eine Räterepublik in München – Hauptstadt der deutschen Kunst, der intellektuellen Gegenkultur und, weniger politisch subversiv, des Biers – ausgerufen wurde. Sie überlappte sich mit einem anderen und schwerer wiegenden Versuch, den Bolschewismus im Westen zu etablieren: mit der ungarischen Räterepublik vom März bis Juli 1919.9 Beide wurden natürlich mit zu erwartender Brutalität niedergeschlagen. Hinzu kam, daß sich die deutschen Arbeiter aus Enttäuschung über die Sozialdemokraten schnell radikalisierten und in großer Zahl den Unabhängigen Sozialisten und nach 1920 auch der Kommunistischen Partei zuwandten, welche daraufhin zur stärksten Partei ihrer Art außerhalb von Sowjetrußland wurde. Wäre daher nicht auch eine deutsche Oktoberrevolution denkbar gewesen? Obwohl das Jahr 1919, Gipfel der sozialen Unruhen im Westen, die einzigen Versuche zu Fall gebracht hatte, die bolschewistische Revolution auszuweiten, und obwohl die Revolutionswelle 1920 schnell und deutlich abflaute, gab die bolschewistische Führung in Moskau ihre Hoffnung auf eine deutsche Revolution bis spät ins Jahr 1923 nicht auf.

Ganz im Gegenteil. Es war 1920, als die Bolschewisten, so scheint es in der Rückschau, einen schweren Irrtum begingen: Sie sorgten für eine permanente Spaltung der internationalen Arbeiterbewegung, indem sie ihre neue internationale kommunistische Bewegung nach den Mustern der leninistischen Vorhutpartei strukturierten, als einer Elite von hauptamtlichen »Berufsrevolutionären«. Der Oktoberrevolution galten, wie wir wissen, große Sympathien unter den internationalen sozialistischen Bewegungen, die alle radikalisiert und enorm gestärkt aus dem Weltkrieg hervorgegangen waren. Mit nur wenigen Ausnahmen gab es in den sozialistischen Parteien und Arbeiterorganisationen viele, die wünschten, der neuen beziehungsweise Dritten Kommunistischen Internationale beizutreten, die von den Bolschewiken als Ersatz für die Zweite Internationale (1889–1914) ins Leben gerufen worden war, weil diese dem Weltkrieg keinen Widerstand entgegengestellt hatte und nun diskreditiert und gespalten war.10 In der Tat stimmten denn auch viele Parteien für den Beitritt (unter anderem die sozialistischen Parteien von Frankreich, Italien, Österreich und Norwegen und die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands) und verwiesen die noch nicht wieder reorganisierten Gegner des Bolschewismus damit in den Rang einer Minderheit. Doch Lenin und die Bolschewiken wollten keine internationale Bewegung sozialistischer Sympathisanten der Oktoberrevolution, sondern ein Korps absolut engagierter und disziplinierter Aktivisten, eine Art globale Eingreiftruppe für die Eroberungszüge der Revolution. Parteien, die nicht willens waren, die leninistische Struktur zu übernehmen, wurde die Aufnahme in die neue Internationale verweigert, oder sie wurden als Mitglieder ausgeschlossen. Derartige fünfte Kolonnen des Opportunismus und Reformismus, ganz zu schweigen von den Vertretern des »parlamentarischen Schwachsinns«, wie Marx es einmal genannt hatte, würden die Internationale nur schwächen. Im unmittelbar bevorstehenden Kampf gab es nur Platz für Soldaten.

Diese Argumentation hätte nur unter einer Bedingung Sinn gemacht: wenn die Weltrevolution noch auf dem Vormarsch gewesen wäre und ihre Schlachten tatsächlich unmittelbar bevorgestanden hätten. Doch obwohl die europäische Lage noch weit von einer Stabilisierung entfernt war, war es 1920 bereits klar, daß eine bolschewistische Revolution nicht auf der Agenda des Westens stand. Aber ebenso klar war, daß sich die Bolschewiken in Rußland auf Dauer etabliert hatten. Als die Internationale zusammentrat, schien es zweifellos noch eine Chance zu geben, daß die Rote Armee – siegreich im Bürgerkrieg und gerade im Ansturm auf Warschau – die Revolution als Nebenprodukt eines kurzen russisch-polnischen Krieges (ausgelöst durch die territorialen Ambitionen Polens, das nach eineinhalb Jahrhunderten der Nichtexistenz wieder zum Staat geworden war und nun die Wiederherstellung seiner Grenzen aus dem 18. Jahrhundert forderte) mit Waffengewalt in den Westen vorantreiben könnte. Der sowjetische Vormarsch (dem von Isaak Babel mit Reiterarmee ein wunderbares literarisches Denkmal gesetzt worden ist) wurde von so ungewöhnlich unterschiedlichen Zeitgenossen begrüßt wie dem österreichischen Schriftsteller Joseph Roth (dem späteren Elegiker der Habsburger) und Mustafa Kemal (dem späteren Führer der modernen Türkei). Doch die polnischen Arbeiter erhoben sich nicht, und die Rote Armee wurde vor den Toren Warschaus zurückgeschlagen. Von da ab war es ruhig an der russischen Westfront, was auch immer der Anschein gewesen sein mag. Das wußte auch die Revolution und wandte ihre revolutionären Perspektiven Asien zu, dem Lenin schon immer besondere Aufmerksamkeit gewidmet hatte. Von 1920 bis 1927 schienen sich denn auch alle weltrevolutionären Hoffnungen auf die chinesische Revolution zu richten, die unter der Kuomintang, damals Nationale Befreiungspartei, auf dem Vormarsch war und deren Führer Sun Yat-sen (1866–1925) sowohl das sowjetische Modell als auch die sowjetische Militärhilfe und die neue Kommunistische Partei Chinas als Teil seiner Bewegung begrüßte. Das Bündnis von Kuomintang und Kommunisten marschierte nach der großen Offensive 1925–27 rasch von seinen Stützpunkten in Südchina nach Norden und konnte zum erstenmal seit dem Sturz des Kaisertums im Jahr 1911 einen Großteil von China wieder unter die Kontrolle einer einzigen Regierung bringen, bevor Tschiang Kai-schek, höchster Kuomintang-General, sich von den Kommunisten abwandte und begann, sie abzuschlachten. Doch bereits vor diesem Beweis, daß selbst der Osten noch nicht für eine Oktoberrevolution reif war, konnten die Versprechungen Asiens nicht über das Versagen der Revolution im Westen hinwegtäuschen.

1921 war es unleugbar geworden. Die Revolution befand sich auf dem Rückzug in Sowjetrußland, obwohl die Macht der Bolschewiken unangefochten war. Sie war aus der Agenda des Westens verschwunden. Die Komintern erkannte dies, wenngleich ohne es recht zuzugeben. Auf ihrem Dritten Kongreß rief sie zu einer »Einheitsfront« mit genau den Sozialisten auf, die sie auf ihrem Zweiten Kongreß aus der Armee des Revolutionsprozesses ausgeschlossen hatte. Dies bedeutete dann effektiv die Spaltung der Revolutionäre für ganze Generationen. Aber es war sowieso schon zu spät gewesen. Die Bewegung war bereits auf Dauer gespalten, und die Mehrheit der linken Sozialisten, Individuen wie Parteien, hatte sich wieder der sozialdemokratischen Bewegung zugewandt, die fast immer von moderaten Antikommunisten geleitet wurde. Die neuen kommunistischen Parteien blieben als Minderheiten der europäischen Linken zurück und sollten auch künftig mehr oder weniger kleine, wenn auch leidenschaftliche Minderheiten bleiben – mit wenigen Ausnahmen, wie in Deutschland, Frankreich oder Finnland. Und diese Situation sollte sich auch bis in die dreißiger Jahre nicht mehr ändern (siehe Fünftes Kapitel).

Das Zeitalter der Extreme

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