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Die Adresse von Sarah Winkler - Ayla wollte nicht mehr nur an »die Tote« denken und sie so weiter zu entmenschlichen - führte sie zu einem Einfamilienhaus in einen Randbezirk. Eine Frau, mit halblangen braunen Haaren und einem leicht geröteten Gesicht öffnete die Tür. Sie war nicht viel älter als sie selbst, vielleicht Mitte vierzig und wirkte, als hätte die Klingel sie bei etwas gestört.

»Ja bitte, was kann ich für Sie tun«, fragte sie höflich aber leicht verstimmt.

»Mein Name ist Ayla Aydin und das ist mein Kollege Sven Nagel, wir sind von der Polizei.« Sie sagte absichtlich Polizei und nicht Mordkommission. Diesen Fehler hatte in ihrer Anfangszeit bei der Mordkommission ein älterer Kollege gemacht und damit einen Nervenzusammenbruch provoziert, noch ehe er der Frau sagen konnte, dass er nur etwas fragen wollte. Sie sollte nur als Zeugin befragt werden, ob sie einen bestimmten Vorgang beobachtet hatte.

»Es geht um ihre Tochter, aber ich würde gern im Haus darüber reden.«

»Was ist mit meiner Tochter, ist ihr etwas passiert. Liegt sie im Krankenhaus. Warum hat man uns nicht verständigt, in welchem Krankenhaus liegt sie. Bitte, Sie müssen mir das Sagen.«

Die Fragen die wie Kanonenschüsse abgefeuert wurden, zeigten jetzt das andere Gesicht der Frau. Zeigte die Angst, die man als Mutter hat, wenn Kinder flügge werden und ihre eigenen Wege gehen.

»Bitte Sie müssen es mir sagen« nun klang ihre verzweifelte Stimme erstickt, so als würde sie jeden Augenblick in Tränen ausbrechen.

»Bitte lassen Sie uns reingehen, wir werden Sie über alles Informieren, was wir Ihnen sagen können.«

Der Vater ein bereits ergrauter leicht übergewichtiger Endvierziger stand im Wohnzimmer und wartete neugierig, was die aufgeregten Stimmen zu bedeuten hatten.

Es war unmöglich, Eltern den Tod des eigenen Kindes schonend mitzuteilen, man konnte es nur so zurückhaltend wie möglich sagen. Ayla verzichtete auf Details, diese würden sie zwar zu einem späteren Zeitpunkt sowieso erfahren, aber dann hoffentlich besser verkraften.

Die Mutter weinte still vor sich hin, der Vater saß mit leerem Blick in dem braunen Ledersessel, auf den er kraftlos gefallen war, und bewegte den Mund, ohne dass ein Ton zu hören war. Die Hilfe eines Polizeipsychologen lehnte sie ab, sie fragte nur verzweifelt, wie sie es ihrer zweiten Tochter Sophie sagen solle, die bald nach Hause käme.

Sie schwiegen, waren in Gedanken, jeder dachte auf seine Weise an Sarah Winkler und daran wie sehr die Familie, die in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr existierte, damit umgehen soll. Würde sie daran zerbrechen, würden sie ihre Liebe und Zuneigung auf die jüngere Tochter projizieren?

Die Angst auch dieses Kind zu verlieren konnte dazu führen, dass sie diese immer mehr einengten, bis sie glaubte, nicht mehr atmen zu können. Es war eine schwierige Situation und nur die wenigsten Familien konnten ohne Hilfe aus diesem Chaos herausfinden, ohne größeren Schaden zu nehmen.

Ayla dachte an ihre vierzehnjährige Tochter, die jetzt bei ihrem Vater sein sollte. Plötzlich fiel ihr die Doppeldeutigkeit dieser Annahme auf, Marie sollte natürlich bei ihrem Vater und nicht bei ihrem Erzeuger sein. Schon der Name ihrer Tochter sorgte damals für Streit in der Familie ihres Ex-Mannes, denn natürlich sollte sie einen rechtgläubigen türkischen Vornamen erhalten. So die Ansicht ihrer Ex-Schwiegermutter, die ihr unmissverständlich klar machte, wer künftig in der Familie das Sagen hatte.

Nach außen die liebende Ehefrau und fürsorgliche Mutter darstellend führte sie, wie ihr Vater einmal treffend feststellte, ein Terrorregime, dem sich alle unterzuordnen haben. Der Streit hätte beinahe dazu geführt, dass sie, obwohl bereits schwanger, die Hochzeit abgesagt hätte. Ihrem künftigen Ehemann hatte sie erklärt, weshalb sie den nach seiner Mutter ungläubigen Namen gewählt hatte.

Marie ist auch ein aramäischer Name und bedeutet »die Gesegnete«, und auch wenn Aramäer in der Türkei eine Minderheit wären, so sind sie doch Türken. Das beruhigte zwar ihren Ex-Mann nicht jedoch ihre Ex-Schwiegermutter, die es jedoch, in der Annahme später ihren Einfluss geltend zu machen, vorerst hinnahm.

»Lass uns zur Gerichtsmedizin fahren, Sarah Winkler sollte inzwischen auch da sein«, unterbrach sie das Schweigen und riss ihren Kollegen aus seinen Gedanken.

»Du glaubst doch nicht, dass heute am Samstag noch jemand da ist, um die Untersuchung zu machen«, wandte er zweifelnd ein.

»Die werden natürlich eine Voruntersuchung vornehmen, dann am Montag kann niemand mehr nachweisen, ob sich in ihrem Blut Benzodiazepine befunden haben oder nicht.«

Mit einem Lächeln fuhr sie fort »vielleicht ist Dr. No da und wartet bereits auf uns.« Das verzogene Gesicht, das aussah, als hätte er in eine besonders saure Zitrone gebissen, sagte ihr genug, auch Sven war kein besonderer Freund von Dr. No.

Es geschah aus Liebe

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