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Teil 1

Mai 2015

Langsam ließ er das Fernglas sinken, mit dem er die Küche des gegenüberliegenden Wohnhauses inspiziert hatte. Nur schmutziges Geschirr in der Spüle und Reste vom vorherigen Abend auf dem Tisch zeigten, dass die Wohnung bewohnt war.

Seine Hoffnung, sie noch zu sehen ehe er sich auf den Weg machen musste, hatte sich soeben in Luft aufgelöst. Nicht dass er nicht gewusst hätte, was er sehen würde, trotzdem begann sein Tag mit einem Gefühl der Vertrautheit, wenn er sie, wenn auch meist noch verschlafen zu sehen bekam.

Er genoss es, ihre noch ungelenken aber trotzdem lasziven Bewegungen zu beobachten, wenn sie mit noch halb geschlossenen Augen begann, ihr Frühstück zuzubereiten. Das Gefühl, ihre schlanken nackten Beine unter dem zu großen T-Shirt zu beobachten, wenn sie barfuß durch die Küche ging. Zu sehen, wie sie sich reckte um den Kaffee von dem obersten Regal zu nehmen und dabei ihren Po entblößte, der durch den kleinen Slip nur unzureichend bedeckt wurde.

Es war ein Gefühl von Macht, wenn er sie in dem Wissen beobachtete, dass sie nichts von seiner Existenz wusste. Auch wenn seine Freude seit geraumer Zeit dadurch getrübt wurde, dass an den Wochenenden häufig ein Mann mit ihr frühstückte. Während früher ab und zu ein anderer Mann bei ihr war, hatte seit fast acht Wochen immer derselbe Mann mit am Frühstückstisch gesessen.

War es zuerst nur das Fernglas, welches er gekauft hatte, um sie besser beobachten zu können, hatte er in den letzten vier Wochen drastisch aufgerüstet. In dem Bestreben mehr aus ihrem Leben zu erfahren suchte er nach Möglichkeiten, wie er sie nicht mehr nur sehen, sondern auch hören konnte.

Es wurde zu Obsession, sodass er seine Arbeiten an seiner Masterarbeit ruhen ließ, um sich das Wissen anzueignen, dass er für erforderlich hielt. Der Abschluss seines Informatik-Studiums lag nur noch in der Abgabe seiner Arbeit und da er sich einen zeitlichen Vorsprung erarbeitet hatte, war er überzeugt, die Zeit dafür aufwenden zu können.

Professionelles Richtmikrofon für Detektive und Privatermittler stand in der Beschreibung für das Lasermikrofon. Zusammen mit einem Parabolspiegel und einem Empfängermodul fühlte er sich so gut gerüstet, dass er sich kurzfristig zum Kauf entschloss. Es bedurfte noch einiger Anstrengung, aber das Ergebnis konnte sich sehen, das heißt hören lassen.

Die Übertragung der Gespräche in der Küche erzeugte synchron eine Vibration der Fensterscheibe, die durch den Laserstrahl in seinem Empfangsgerät in ein hörbares Signal umgewandelt wurde. Für ihn war es kein Hindernis ein kleines Programm zu schreiben, das den Aufnahmerekorder in seinem Rechner auslöste, sobald der Pegel des Anzeigeinstruments ausschlug und auf tonale Geräusche hinwies.

Dass er damit auch die Gespräche ihrer Mitbewohnerinnen aufzeichnete, sobald die Aufnahme automatisch erfolgte, ließ sich ohne größeren Aufwand nicht vermeiden und so musste er oft nachts die Aufnahmen bearbeiten bzw. löschen, was nicht zu ihr gehörte. Erst dann archivierte er die Stimmdatei, auf der ausschließlich sie zu hören war, um sie zu einem späteren Zeitpunkt erneut anzuhören.

Ein Geräusch ließ ihn erneut zu dem Fernglas greifen aber es ist nur eine der Mitbewohnerinnen, die die Küche betritt. Laura, die etwas übergewichtige Studentin der Pharmazie, die zugleich die Älteste der drei Bewohnerinnen war. Das zerknautschte trägerlose Shirt, mit dem sie offensichtlich geschlafen hatte, bedeckte nur Teile ihrer großen Brüste, die seitlich hervorquollen.

Die wirr in die Gegend stehenden halblangen dunkelblonden Haare wiesen darauf hin, dass der Gang ins Bad noch bevorstand, die zu groß wirkenden Shorts ließen auf eine Zeit schließen, in der diese Größe benötigt wurde oder sie hatte in weiser Voraussicht diese zu erwartende Größe gekauft.

Aus den Gesprächen der Drei hatte er entnommen, dass Laura in Vorbereitung auf das Pharmazie-Studium bereits eine Berufsausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin abgeschlossen hatte. Diese Lebenserfahrungen hörte man auch, wenn man in die Diskussionen und Gespräche genauer hinein hörte.

Enttäuscht ließ er das Fernglas sinken, es war die falsche Bewohnerin, die in der Küche hantierte. Ein Blick zur Uhr zeigte ihm, dass er nur noch wenig Zeit hatte, wenn er pünktlich zu seiner wöchentlichen Verabredung eintreffen wollte. Das zu erwartende Wetter verschaffte ihm jedoch weitere zehn Minuten, wenn er mit dem in der Vorwoche aus dem Winterschlaf erweckten Motorrad fuhr.

Anna, die andere Mitbewohnerin war das genaue Gegenteil von Laura und hätte einem Roman der Mythologie entsprungen sein können, wenn man ausschließlich die Äußerlichkeiten berücksichtigte. Neben den schwarzen fransigen Haaren, die sie sehr kurz trug, zeigte ihr ebenmäßiges Gesicht eine Wandlungsfähigkeit, die sie gezielt einsetzte, wenn sie ein bestimmtes Ziel erreichen wollte.

Entweder schlief sie noch oder verbrachte das Wochenende bei ihrem derzeitigen FO, wie sie voller Stolz und Ironie die häufig wechselnden Fickopfer nannte. Sie empfand es als ausgleichende Gerechtigkeit, wenn sie, wie sie es Männern unterstellte, ihre Lust an Kerlen befriedigte, die sie wechselte, wie sie es wollte.

Die Frau, die er seit Wochen beobachtete und die seither seine Träume beherrschte, schien ebenfalls noch zu schlafen. Er wusste, dass seine Hoffnung, sie würde allein in dem Bett liegen wenig mit der Realität zu tun hatte. Aber er wusste auch, dass in nicht zu ferner Zukunft er dieser Mann sein würde der neben ihr liegen und sie in ihrer Nacktheit bewundern würde. Obwohl er den diversen Gesprächen entnommen hatte, dass sie seit mehr als vier Monaten in ihren derzeitigen Freund regelrecht vernarrt war.

Dieser Mann konnte nur eine vorübergehende Episode sein, er war nur eine Laune der Natur, in die sie sich verirrt hatte. Sehr bald würde sie erkennen, dass es nur einen Mann gab, der an ihre Seite gehörte. Dass dieser Mann nur er sein konnte, daran hatte er nie gezweifelt, denn kein anderer Mann liebte sie mit so viel Leidenschaft und Hingabe, wie er es tat.

Wenn er jedoch ehrlich zu sich war, dann musste er sich eingestehen, dass es durchaus sein konnte, dass sie ihn bisher noch nicht einmal wahrgenommen hatte. Erst einmal waren sie sich so nah gekommen, dass er eine Berührung möglich gewesen wäre, wenn er es denn gewagt hätte. Die Röte stieg ihm noch heute ins Gesicht, wenn er an den damaligen Zwischenfall dachte.

War es ein glücklicher Zufall oder war es das Schicksal, das ihm einen Streich spielen wollte, als er sie auf dem Weg zur Mensa von Weitem sah. Fröhlich lachend unterhielt sie sich mit mehreren Kommilitoninnen, wobei sie in eine ihm bekannte Richtung strebten. Sie wollten offensichtlich gemeinsam die Mensa aufzusuchen.

Es war die Gelegenheit, auf die er gewartet hatte, also beeilte er sich, vor der Gruppe sein Essen in Empfang zu nehmen. Mit dem Tablet in der Hand suchte er den Raum ab, wo noch ausreichend Platz für eine größere Gruppe sein würde. Dort wollte er, bereits unauffällig sitzend, auf sie warten, um ihr nahe sein zu können.

Auf den von ihm gewählten Platz als auch auf sie fixiert übersah er ein vorstehendes Stuhlbein, welches Auslöser für seinen blamablen Auftritt werden sollte. Ein kurzer Blick über die Schulter, nur um sich zu vergewissern, an welcher Stelle der Schlange sie sich befand, das Einfädeln seines rechten Fußes in das vorstehende Stuhlbein und der Sturz erfolgten so schnell, dass ein Sturz unvermeidlich wurde.

Noch ehe er begriff wie ihm geschah, saß mitten in dem auf dem Fußboden verteilten Eintopf, als die gesamte Gruppe lachend an ihm vorbei ging. Den Kopf gesenkt saß er mit rotem Gesicht und wartete, bis alle vorsichtig um ihn herum gingen. Als besonders demütigend empfand er, dass sie genau zu dem Tisch gingen, den er als den Wahrscheinlichsten ausgesucht hatte. Natürlich wusste er nicht, ob ihr Lachen ihm galt und sein Malheur betraf, aber er hielt es für mehr als wahrscheinlich.

Seit jenem Tag mied er die Mensa und versuchte möglichst an Orten zu sein, die sie in der Regel nicht aufsuchte. Da nur noch die Abgabe seiner Masterarbeit zum Studienabschluss fehlte, konnte er große Teile der Arbeit zu Hause in seiner Wohnung fertigstellen.

Der Blick zur Uhr ließ ihn erstarren, verdammt jetzt hatte er es tatsächlich geschafft, er würde wieder einmal zu spät kommen. Schnell griff er seine Sporttasche und seinen Motorradhelm und rannte los, er würde sie vielleicht später am Tag noch zu sehen bekommen.

Es geschah aus Liebe

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