Читать книгу Es geschah aus Liebe - Ernst Meder - Страница 22
ОглавлениеOhne zu zögern hatte sie das Foto geöffnet und während sich im Hintergrund eine Datei einrichtete und ihre unverdächtige Arbeit aufnahm, betrachtete sie andächtig die ausgestreckte Hand, die auf die bunten Ringe am Himmel zeigte. Er hatte ihr einen Regenbogen geschenkt, hatte ihn nur für sie an das Firmament gezaubert. Ihr war dieses Phänomen am Himmel entgangen, und wenn Ken es nicht für sie festgehalten hätte, wäre ihr dieses Zeichen seiner Liebe verborgen geblieben.
Auch wenn der Regenbogen von vielen nur als atmosphärisch-optisches Phänomen, das als kreisbogenförmiges farbiges Lichtband in einer von der Sonne beschienenen Regenwand wahrgenommen wird, war es für sie der bunte Ring der Liebe.
Liebe das war für sie ein Gefühl mit unterschiedlich intensiven Gefühlen und dieser Regenbogen, der mit zarten Farben am Himmel stand, zeigte die Intensität ihrer Liebe. Aber auch wenn ihre Liebe noch zart und zerbrechlich wie dieser Regenbogen war, so wuchs sie jeden Tag mehr, wie dieses Bild eindrucksvoll bewies.
Erst sehr viel später fragte sie sich, wer dieses Foto machte, während er darauf zeigte. Das Foto war für sie so wichtig geworden, dass sie sich nicht mit solchen Banalitäten auseinandersetzen wollte.
Es hatte funktioniert und auch die einfache Aussage zu dem Bild »Für Dich« verfehlte nicht ihre Wirkung. Sie achtete weder auf den Absender - die Nummer war unterdrückt - noch wie das Bild zustande gekommen war.
Das mit dem Öffnen der Bilddatei sich der Trojaner installierte war zwar seine Absicht aber das Gefühl, ihr damit zu nahe getreten zu sein wollte nicht weichen. Was geschieht, wenn sie erfährt, dass er hinter diesem fragwürdigen Lauschangriff steckt, wird sie ihn für immer aus ihrem Leben verbannen?
Seine Reaktion auf sein heimliches Zuhören überraschte ihn, schließlich geschah es in der Absicht, sie zu schützen. Den Beweis, dass sie Schutz benötigte, hatte er auf seiner Speicherkarte und zu gegebener Zeit würde er ihr diese Fotos auch zu Verfügung stellen.
Das Zurückhalten der verräterischen Fotos erwies sich als richtige Strategie, denn als sie eine halbe Stunde später einer Kommilitonin von ihren Gefühlen erzählte, trübte nichts ihr Verhältnis zu Ken bzw. Kevin. Nun erwies der Trojaner seine Wirksamkeit denn die übermittelten Daten und der Eintrag in der Kontaktliste wies auf eine Maja Hohenstein.
War sie die Vertrauensperson, mit der sie intime Geheimnisse teilte, und war sie eine jener Frauen aus der Gruppe, die ihn bei seinem Malheur in der Mensa ausgelacht hatte. Noch immer stieg ihm die Röte ins Gesicht, wenn er an diesen Tag zurückdachte.
Eigentlich begleiteten ihn diese Unglücksfälle sein ganzes Leben auf jeden Fall an die Zeit, an die er sich erinnerte. Da wurden bereits die Grundlagen für seine Unsicherheit gelegt, die ihm sein gesamtes Leben nicht mehr aus seinen Fängen ließ.
Bereits in der Schule wurde er belächelt, als seine Schüchternheit immer wieder zu bizarren Situationen führte. Wurde er von einem Lehrer aufgerufen, stand er meist mit rotem Kopf in der Klasse und stotterte. In jenen Situationen lernte er die Grausamkeit von Kindern kennen und zog weitere Hänseleien auf sich.
Ein weiteres Handicap war, dass er als einer der kleinsten Jungen in der Klasse für die größeren Jungs zum Spielball wurde, die ihn für ihre nicht immer lustigen Streiche auswählten. Nach drei Jahren der Demütigungen zeigte sein Großvater ihm, wie er sich gegen größere Widersacher zur Wehr setzen konnte.
Was er in seiner Verzweiflung auch eines Tages einsetzte, als er wieder einmal von einem größeren Jungen als Opfer für seine Späße auserkoren wurde. Erst später sollte er lernen, dass dessen Unsicherheit der Anlass dafür war. Dieser wollte immer im Vordergrund stehen, wollte den anderen zeigen, wozu er in der Lage war.
Das Ergebnis war eine gebrochene Nase und eine kurzzeitige Ohnmacht, als Lukas sich zur Wehr setzte. Die kurzzeitige Anerkennung seiner Klassenkameraden kehrte sich ins Gegenteil, als ihn die Freundin des Verletzten als »Freak« bezeichnete. Fortan brauchte er sich gegen Übergriffe nicht mehr zu wehren, wurde als Freak aber zum Ausgestoßenen.
Diese Stigmatisierung klebte an ihm wie ein Kaugummi, den er nicht mehr loswurde. Und es hatte dazu geführt, dass er sich immer mehr seiner Umgebung entzog und seine Unsicherheit wuchs. Auch wenn ihm später unaufhörlich erklärt wurde, dass er sich von diesem Klischee lösen soll, so hatte er nie das Gefühl, das es wirklich zu Ende war. Auch der Vorfall in der Mensa war letztendlich auf seine Unsicherheit zurückzuführen.
Er hatte dies vor langer Zeit erkannt und versucht zu bekämpfen. Dass es nicht die Regel in seinem Leben war, erlebte er jeden Samstag, wenn er im Dojo in seiner eigenen Welt verschmolz. Dort gab es keine Unsicherheit, dort konnte er sein wahres Ich zeigen.