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Macht über die Natur

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Der zweite Grund ist der genau gegenteilige Grund. Der kam erst im 17. Jahrhundert auf. Damals erfinden vier oder fünf europäische Wissenschaftler die Idee der Wissenschaft. Das waren in England Francis Bacon, in Deutschland Johannes Kepler, in Italien Galileo Galilei und in Frankreich René Descartes.

Das tun sie unter der Prämisse, dass das Wissen das sie erwerben wollen, helfen soll, die Existenzbedingungen des Menschen zu erleichtern. Das ist die grundlegende Vorgabe. Sie wird übrigens am schönsten formuliert in dem Brecht Stück „Das Leben des Galilei“.

Da heißt es:

Ich halte dafür, dass das einzige Ziel der Wissenschaft darin besteht, die Bedingungen der menschlichen Existenz zu erleichtern.“

„Das einzige Ziel der Wissenschaft“, sagt Galilei, und das ist natürlich die typische Übertreibung eines Italieners. Aber tatsächlich gibt es mindestens noch einen zweiten Grund für die Wissenschaft, nämlich die von Aristoteles angesprochene Freude an der Wahrnehmung der Welt.

Aber der im 16. /17. Jahrhundert formulierte Grund ist ebenso wichtig. Das heißt, wir treiben Wissenschaft, um Macht über die Natur zu haben, und diese Macht zu nutzen, um den Menschen zu helfen, ihr Leben zu erleichtern und Wohlstand zu schaffen.

Es gibt also zwei große Gründe, warum wir Wissenschaft treiben:

Der erste Grund ist, Freude zu mehren.

Der zweite Grund ist, Leiden zu mindern.

Ich sage das so pointiert, um diese Aussagen über die westliche Vorgabe der Wissenschaft mit folgendem Zitat zu konfrontieren:

„Vom buddhistischen Standpunkt aus betrachtet entspringt das menschliche Bedürfnis nach Wissen und Verständnis der eigenen Existenz, dem profunden Bestreben, Freude zu mehren und Leid zu überwinden.“

So schreibt der Dalai Lama in seinem Buch „Das Universum im einzelnen Atom“ .

Ich sage das nur deswegen, weil manchmal das Gefühl vorherrscht, dass die westliche Wissenschaft keine philosophische Grundlegung hat, sondern nur ein Machtstreben darstellt. Aber der buddhistische Standpunkt ist identisch. Das buddhistische Bemühen, Freude zu mehren und Leid zu mindern ist identisch mit den Ansätzen der westlichen Wissenschaften.

Da ist nur die Frage: Wie macht man das? Wie setzt man dieses Bedürfnis um?

Die Buddhisten machen das mit Sicherheit anders, als die westliche Wissenschaft. Die westliche Wissenschaft entwikkelt sich zu einer Technik. Die buddhistische Wissenschaft zu einer Form des geduldigen, meditativen Umfangs mit der Natur.

Wir können jetzt die Frage stellen, was davon der angemessene, der humanere, der zukunftsträchtigere Weg ist? Hier stellt sich für mich wieder die Frage, welche Naturwissenschaft der gebildete Mensch denn braucht?

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