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Bildung ist dialogisch
ОглавлениеWas ist Bildung?
Bildung ist ein komplizierter Begriff, der auf verschiedene Weise definiert werden kann.
Es gibt ganze Bibliotheken, die erläutern, was ein gebildeter Mensch ist. Und es ist einer der schlimmsten Vorwürfe, zu sagen, „ du bist aber ungebildet.“
Wir sind zwar alle nicht gebildet, aber wir möchten auf keinen Fall ungebildet sein.
Wie also kann man Bildung definieren?
Bei so bedeutungsschweren Begriffen, die natürlich in der deutschen Sprachtradition eine große Rolle gespielt haben und spielen, empfiehlt es sich immer, erst einmal zu sehen, wie dieses Wort früher definiert wurde.
Eine Definition in einem Konversationslexikon aus dem Jahr 1903 lautet, ich zitiere:
„Gebildet ist, wer nicht mit der Hand arbeitet, sich richtig anzuziehen und zu benehmen weiß und bei allen Dingen, von denen in Gesellschaft die Rede ist, mitreden kann.“ Das klingt so, als ob ein Talkmaster der Protagonist eines gebildeten Menschen ist. Er redet bei allen Dingen mit – und ist meist gut angezogen.
Aber Scherz bei Seite, nicht der Talkmaster ist entscheidend, sondern wichtig ist für mich an dieser Definition, dass Bildung etwas mit reden zu tun hat.
Das heißt, nicht der einzelne Mensch, der irgendwo sitzt und das Wissen sammelt, ohne es von sich zu geben, ist gebildet, sondern der, der aufgrund seines Wissens Kontakt mit andern aufnimmt, der mit anderen in Verbindung tritt.
Ich denke, Bildung ist etwas, das im Dialog zwischen Menschen passiert. Diese führen dann ein gebildetes Gespräch, wenn sie sich unterhalten, ohne über ihre unmittelbaren Notwendigkeiten des Einkaufens, des Steuerbezahlens oder anderer, aktueller Dinge des Tages zu sprechen.
Wenn Sie sich über eine Oper unterhalten, ein Theaterstück, oder eine wissenschaftliche Entdeckung dann führen Sie ein gebildetes Gespräch.
Grundidee der Bildung ist, dass sie etwas ist, das Menschen im Gespräch miteinander verbindet und die Fähigkeit zur Kommunikation verleiht. Bildung ist dialogisch. Bildung findet im Dialog statt.
Der Einzelne kann nicht für sich gebildet sein. Er muss sich mit jemandem austauschen.
Ich glaube, dass nicht unbedingt sehr viel Wissen dazu gehört, um sich an einem gebildeten Gespräch zu beteiligen. Aber es gehört der Wunsch dazu, etwas Wissen zu wollen. Wenn Sie einfach nur neugierig sind und dann Fragen an jemanden stellen, der das Glück hatte, als Professor, zum Beispiel, viel lernen zu dürfen, dann hat das Bildungsgespräch begonnen.
Das Dialogische, das Hin und Her, das Wechselspiel zwischen den Partner, halte ich im Zusammenhang mit Bildung für wichtig und entscheidend.