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Das Licht
ОглавлениеEtwa im Jahre 1905 hat Albert Einstein eine Arbeit über das Licht geschrieben. Er hat in diesem Aufsatz nachgewiesen, dass das Licht nicht so verstanden werden kann, wie man es seit über 100 Jahren getan hatte, nämlich als eine Welle. Die Physiker waren seit Beginn des 19. Jahrhunderts sicher, dass Licht eine Wellenbewegung ist. Sie haben sogar die Details dieser Wellenbewegung berechnen können. Man spricht von einer elektromagnetischen Welle. Das ist ein Wechselspiel zwischen magnetischen Feldern, das dazu führt, dass eine Fortbewegung mit Lichtgeschwindigkeit stattfindet.
Das war das eigentliche Verständnis von Licht. Licht war eine Welle, eine elektromagnetische Welle. Das war klar und sicher. Das war die Lösung.
Aber jetzt kommt Einstein und macht ein paar statistische und ein paar energetische Überlegungen und zeigt, - als ganz junger Mann übrigens, angestellt an einem Patentamt - dass der Wellencharakter des Lichts nicht ausreicht, um alle seine Qualitäten zu beschreiben. Sondern, sagt er, man muss auch davon ausgehen, dass das Licht partikulären Charakter hat. Es gibt also Lichtwellen und Lichtatome. Seitdem steht in den Büchern, dass das Licht einen dualen Charakter, einen doppelten Charakter hat. Man spricht manchmal auch von der Komplimentarität des Lichtes. Einmal zeigt es sich als Welle, einmal zeigt es sich als Teilchen.
Dann ist man damit beruhigt und geht weiter und versucht das nächste Problem zu lösen. Einstein hat aber schon weiter gedacht und darauf hingewiesen, wenn das der Fall ist, wenn Licht also Welle und Teilchen ist, dann weiß ich eins nicht mehr, nämlich, was Licht ist. Denn wie soll ich sagen, was das ist, wenn es Welle und Teilchen ist. Dann weiß ich alles Mögliche über das Licht. Ich weiß seine Wellenlänge, seine Energielänge, seinen Impuls, seine Ausbreitungsgeschwindigkeit, seine Polarität.
Ich kann das messen. Ich kann ganze Tage, ganze Wochen, ganze Monate messen, was Licht für Eigenschaften hat. Ich kann nur nicht mehr sagen, was es ist. Mit anderen Worten, Licht ist ein Geheimnis.
Und es könnte sein, dass es das schönste ist, was passieren kann. Denn das erklärt wahrscheinlich, warum wir trotz aller Kenntnisse aus der Physik immer noch vom Licht angezogen sind.
Wir haben Lust auf das Licht. Es reizt uns immer noch wenn es funkelt, glitzert, leuchtet, strahlt und uns wärmt. Dann haben wir das Gefühl, da ist etwas, was wir verstehen, aber was trotzdem sein Geheimnis behält.
Ich kann die Wahrheit über das Licht formulieren, aber nur so, dass die Wahrheit geheimnisvoll bleibt und mit ihr das Licht.
Das ist eigentlich eine poetische Aussage. Das ist etwas für ein Gespräch. Denn jetzt kann ich mich fragen, was für mich wichtig ist dabei. Bei dem Gespräch kann ich dann meine Einschätzung, meine Bildung des Lichts betreiben.
Diese Idee des Geheimnisses ist das eigentlich spannende in der Wissenschaft.
Wenn schon die Frage, was ist Licht, geheimnisvoll bleibt, trotz der Details die man kennt, dann wird die Frage, was ist ein Atom, nicht leichter zu beantworten sein. Oder: Was ist das Leben? Was ist ein Gen?
Ich behaupte, das ist das Geheimnisvolle und die Fragen danach werden geheimnisvoll bleiben.
Sie können sehr viel über Gene sagen, sehr viel über das Leben, sehr viel über Atome, aber es bleibt immer etwas offen, es bleibt immer etwas, über das man sich noch weiter unterhalten kann. Es bleibt geheimnisvoll und dadurch attraktiv und schön.
Das ist das, wonach Menschen streben. Insofern ist die Physik durch die Entdeckung, dass das Licht geheimnisvoll ist, eigentlich etwas für gebildete Menschen geworden.