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|45|2. Das Salz

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Salz ist für das Überleben des Menschen unerläßlich. Völlig salzlos kann niemand sich ernähren, auch wenn dies hin und wieder behauptet wird.1 Sogar bei sogenannter „salzloser“ Diät sind in der täglichen Nahrung 2,5–4,5 g von diesem Mineral enthalten.2 Was den Salzbedarf angeht, halten wir uns an mittelalterliche Asketen wie Petrus Damiani oder Bernhard von Clairvaux, die sich in ihrer Bedürfnislosigkeit von keinem Heutigen etwas vormachen lassen. Der Kardinal und der Ordensgründer wußten, worauf nicht zu verzichten war.3 „Für einen, der besonnen und nüchtern lebt, genügt als Gewürz Salz zusammen mit dem Hunger“, so der hl. Bernhard.4 Wer mittelalterlichen Asketen keinen Glauben schenken will, kann sich an das Zeugnis des Extremsportlers Reinhold Messner halten, der die Vision eines autarken Lebens auf seiner Burg im Vintschgau mit der Bemerkung einschränkte, daß er trotz allem auf den Kauf von Salz angewiesen bleibe.5

Das Natrium, das mit 39 % am Molekül NaCl (Natriumchlorid) des Salzes beteiligt ist, findet sich von Natur aus in Milch, Eiern, Fisch und Fleisch.6 Aber das kann, wie schon seit den Anfängen humaner Existenz bekannt war, den menschlichen Bedarf nicht decken. „Ihr seid das Salz der Erde“ – mit diesen Worten ehrt und beauftragt Jesus seine Jünger, und das wurde in früheren Zeiten viel eindrücklicher als Würdigung verstanden als heute; denn einer Welt, die vor allem von vegetabilischer Nahrung lebte, war die existentielle Bedeutung des Salzes bewußt. Getreideprodukte enthalten zu wenig dieses Minerals, als daß sie ein Überleben der Spezies Mensch hätten gewährleisten können. Deswegen waren Brot und Salz nicht Symbole der Gastfreundschaft, sie waren Gastfreundschaft.7

Auf das engste hängen Salzgewinnung und Vergesellschaftung humanen Lebens zusammen. Die Geschichte ist immer auch eine Geschichte dieses Minerals. Wir folgen Justus von Liebig: „Salz ist unter allen Edelsteinen, die uns die Erde schenkte, der kostbarste.“8 Ohne Salz keine menschliche Kultur.9 Von der Ausbeutung chinesischer Salzvorkommen bis zur aztekischen Salzgottheit und den 20 Salzkuchen, die täglich an den Hof des Aztekenherrschers geliefert werden mußten: auf der ganzen Erde erweist sich der tiefe Sinn jener isländischen Sage von der Urkuh Audhumbla, die aus salzigem Eis das erste menschenähnliche Wesen leckte.10

Unversehens deutet sich eine von der Vorgeschichte bis ins Mittelalter reichende Leitlinie der Kulturentwicklung an. Die Geschichte des Salzes verklammert die unterschiedlichsten Zivilisationen und Epochen. Salz ist kostbar. Aus seiner zentralen Bedeutung für die menschliche Existenz erklärt sich, daß es in der Vorzeit ein Geldäquivalent darstellen konnte. Aus dem lateinischen „salarium“, ursprünglich einer Bezahlung |46|mit Salz, entwickelt sich unser Salär. In der mittelalterlichen Urkundensprache bedeutet „salarium“ ganz allgemein die Abgabe.11 Selbst durch die Decke der entwickelten Geldwirtschaft wird noch der enge Zusammenhang von Salz und Bargeld in der Variante durchschimmern, daß bedeutende Salinen wie Marsal12 oder Schwäbisch Hall zugleich Münzstätten sein konnten.13

Wegen seiner Bedeutung für die menschliche Kultur ist das Salz als erstes aller Nahrungsmittel zu behandeln. Zwar erscheinen dabei manche Leitlinien wie die des Verhältnisses von Kapital und Arbeit noch sehr blaß, aber eine Leitlinie tritt doch bereits konturiert hervor: Die Nahrungsdecke war über die Zeiten hinweg einfach zu kurz. Erst in jüngster Zeit konnten Menschen in manchen begünstigten Teilen der Erde vergessen, daß die Geschichte zunächst eine Geschichte der Ernährung ist, wobei dem Salz eine zentrale Bedeutung zukommt. Der heutige jährliche Pro-Kopf-Bedarf an Salz liegt bei 5–6 kg. Ob es in früheren Zeiten einen höheren Bedarf gab, läßt sich nicht ausmachen, weil mit dem neuzeitlichen Wandel der Ernährung schon allein über den gestiegenen Fleischverzehr die nötigen Salzmengen dem Körper zugeführt werden. Am Ende des 18. Jahrhunderts ist für den Kanton Zürich ein jährlicher Pro-Kopf-Verbrauch von etwa 8 kg nachgewiesen.14 Aber solche Zahlen bilden nur ungefähre Anhaltspunkte.

Salz war auch für die Ernährung des Viehs unerläßlich, das einen von Tierart zu Tierart unterschiedlichen Bedarf hat.15 Davon wissen viele Salzsagen zu berichten. In Lüneburg wird im 16. Jahrhundert erzählt, daß eine Sau sich in einer solehaltigen Pfütze gewälzt habe, was zur Entdeckung des unterirdischen Reichtums führte.16 Und sodann weist die Geschichte des Salzes über das Pökeln auf ein Zentralproblem der früheren Nahrungsmittel hin, auf die Haltbarkeit.

Essen und Trinken im Mittelalter

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