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1.5 Ödipuskomplex, Latenzphase und Adoleszenzkrise

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Während die Theorie über die präödipale Zeit einer erheblichen Revision unterliegt, bleiben die Erkenntnisse über den Ödipuskomplex weitgehend erhalten. Im vierten und fünften Jahr erreicht das Kind die Dreierbeziehung und den Ödipuskonflikt. Hatte der Vater während der Individuationsphase bereits als drittes Objekt die Funktion der Triangulierung, d. h. der Unterstützung des kindlichen Loslöseprozesses aus der Dualunion mit der Mutter, so tritt das Kind nun in die Dreierbeziehung Vater – Mutter – Kind ein. Es ist inzwischen hinlänglich bekannt, dass der ödipale Konflikt aus dem Begehren des gegengeschlechtlichen Elternteils besteht, der Aufgabe desselben und der Identifikation mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil. Der Ödipuskonflikt hat zwei wesentliche Aufgaben: Die Geschlechtsidentität zu ermöglichen und die Aufrichtung der Generationenschranke durch das Inzesttabu (die Gesetze der Realität). In diesem Sinne ist der Ödipuskomplex ein universeller Komplex, es gibt aber durchaus andere kulturelle Ausgestaltungen des Konfliktes und dessen Lösung (vgl. Heinemann 1995; 1998). Störungen können auftreten, wenn das Kind an einen Elternteil gebunden ist, es nicht attraktiv ist, sich mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil zu identifizieren, wenn Ambivalenz nicht zugunsten der Liebesstrebungen gelöst werden kann, d. h. der Hass auf den Vater beispielsweise zu groß ist, als dass der Knabe sich mit ihm identifizieren kann. Dies gelingt nur, wenn neben der Rivalität, die ein wichtiges Stadium für das Erleben von Konkurrenz und Selbstentwicklung darstellt, auch Gefühle von Zuneigung und der Wunsch, so werden zu wollen wie der gleichgeschlechtliche Elternteil, vorhanden sind. Nicht der ödipale Wunsch, sondern das Tabu stehen im Vordergrund der psychischen Verarbeitung. Freud (1924d) sah in der Kastrationsangst des männlichen Kindes ein stärkeres Motiv, den ödipalen Wunsch aufzugeben und das Über-Ich zu etablieren. Mit der Aufgabe der Theorie des phallischen Monismus hat das Mädchen das gleiche Motiv, den Ödipuskonflikt aufzugeben, nämlich die Genitalbeschädigungsangst, und damit keine vom männlichen Geschlecht verschiedene Über-Ich-Bildung ( Kap. I.3.). Mit der Aufgabe des Ödipuskomplexes kommt es zur entscheidenden Verinnerlichung von Verboten und Geboten, vermittelt durch die Eltern, und der Bildung der eigenen Instanz im Ich, dem Über-Ich. Das Über-Ich ist ein Spezialfall der Verinnerlichung.

Die Latenzphase ist eine Zeit der Konsolidierung zwischen dem abgeschlossenen Ödipuskomplex und der Pubertät. Sie dient der Bewältigung von Realität und dem Ich-Wachstum. Die Pubertät leitet die sogenannte Adoleszenzkrise ein, in der es im Sinne einer sekundären Individuation zur Wiederbelebung der Loslösungs- und Individuationsproblematik kommt. So wie sich das kleine Kind von der Mutter mit Hilfe des triangulierenden Vaters trennt, trennt sich der Jugendliche mit Hilfe der Peergroup von den Eltern und verinnerlicht die Normen und Werte seiner Generation, das sogenannte Generationen-Über-Ich, das dem elterlichen in vielen Aspekten entgegenwirkt. Neben der Wiederbelebung der Loslöse- und Individuationskrise kommt es durch den Triebschub zur Reaktivierung der ödipalen Konflikte, die mit der Partnerfindung schließlich verarbeitet werden.

Psychische Störungen in Kindheit und Jugend

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