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1.6 Die narzisstische Entwicklung

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Die Entwicklung des Selbst wird auch als narzisstische Entwicklung bezeichnet. Ursprünglich ging Freud davon aus, dass in den ersten Wochen und Monaten eine Objektliebe zur Mutter vorhanden ist, dann im Stadium des Autoerotismus eine Abwendung von ihr erfolgt, die dann wieder in eine Zuwendung mündet. »Als die anfänglichste Sexualbefriedigung noch mit der Nahrungsaufnahme verbunden war, hatte der Sexualtrieb ein Sexualobjekt außerhalb des eigenen Körpers in der Mutterbrust. Er verlor es nur später … Der Geschlechtstrieb wird dann in der Regel autoerotisch und erst nach der Überwindung der Latenzzeit stellt sich das ursprüngliche Verhältnis wieder her … Die Objektfindung ist eigentlich eine Wiederfindung« (Freud 1905d, S. 123). Als Freud 1914 das Konzept des primären Narzissmus formulierte, nahm er an, dass am Anfang ein subjektiver Zustand der Unabhängigkeit von der Umwelt vorhanden sei. Im Gegensatz dazu hat Balint (1937) die erste Auffassung Freuds aufgegriffen und den primären Zustand als den Zustand der primären Liebe dargestellt. Keiner zweifelt heute an einer intensiven Abhängigkeit und Beziehung zwischen Säugling und Mutter. Wichtiger scheint die Frage, wie Affekte oder Triebe die Besetzung des Selbst und des Objektes gestalten.

Narzisstisch werden all diejenigen Fantasien, Tendenzen oder Befriedigungen genannt, die durch eine Bewegung vom Objekt weg zum Selbst hin charakterisiert werden. In dieser »Entweder-oder-« Form ist Narzissmus ein Schutz und Abwehrvorgang. Mit Narzissmus ist aber auch ein System des Selbst gemeint, das alle Befriedigungen, Affekte und Mechanismen, die der Regulation des Selbstwertgefühls dienen, kennzeichnet. Ereignisse, die das Gegenteil bewirken, werden narzisstische Kränkungen genannt. Bei der Triebentwicklung besteht ein Gegensatz von Befriedigung und Frustration, der Narzissmus entwickelt sich innerhalb der Pole einer positiven narzisstischen Spiegelung und der Kränkung. Das Selbst baut sich auf über Spiegelung, dem sogenannten »Glanz im Auge der Mutter«. Die frühesten positiven Selbstrepräsentanzen sind von positiven Objektrepräsentanzen noch ungetrennt. Die narzisstische Zufuhr ist von äußeren Objekten abhängig. Für die Spiegelung des Selbst braucht es Selbstobjekte, die diese Funktion übernehmen. Auch Erwachsene sind in ihrem Selbsterleben noch von positiver Spiegelung abhängig.

Die narzisstische Homöostase ist durch Kränkungen, Misserfolg, Entzug affektiver Zufuhr gefährdet. Das Ich bevorzugt bestimmte Abwehrvorgänge zur Stabilisierung der narzisstischen Homöostase, zum Beispiel die Regression in den primären Zustand oder die Verleugnung der schmerzlichen Realität mit Hilfe von Größenfantasien. Kohut (1973) beschreibt das Größen-Selbst als eine das Selbst stabilisierende Abwehr von Trennungsangst, die im Kindesalter normal ist. Hinzu kommt im Kindesalter die Idealisierung der Elternimagines. Das Selbst sucht auch eine Rettung des Selbstgefühls durch Identifizierung mit omnipotenten und allwissenden Objekten.

Im Gegensatz zu Triebobjekten braucht das Selbst Selbstobjekte, um gespiegelt zu werden und um Objekte zu idealisieren, damit es sich mit ihnen identifizieren kann. Allmählich wird das Bild der Eltern realistischer. Dieser von Kohut beschriebene Prozess von magisch überhöhter hin zu realistischer Selbst- und Objektwahrnehmung wird in ähnlicher Weise von Winnicott (1971) als Prozess der Desillusionierung von der Fantasie zur Realität beschrieben. Das magische Weltbild (Piaget 1980) ist das frühere, weil es die Angst und Hilflosigkeitsgefühle des kleinen Kindes bewältigen hilft.

Das Ichideal tritt später das Erbe des frühen Narzissmus an. Ein gesundes Ideal-Selbst macht Menschen relativ unabhängig von Lob und Tadel. Es ermöglicht innere Sicherheit, Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen.

Psychische Störungen in Kindheit und Jugend

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