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ZWEITES KAPITEL

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Wie nach dem Tode des Feldherrn die Israeliten die väterlichen Gesetze

übertraten und deshalb in großes Unglück gerieten und wie nach einer

Empörung der ganze Stamm Benjamin bis auf sechshundert Mann

zugrunde ging.

1. Nach dem Tode dieser beiden Männer weissagte Phineës nach dem Willen Gottes, bei der Vernichtung des Chananäervolkes solle der Stamm Judas den Oberbefehl erhalten. Denn es lag dem Volke daran, zu erfahren, was Gott für das Beste hielt. Und dieser Stamm nahm noch zu sich den Stamm Simeon unter der Bedingung, dass, nachdem er die tributpflichtigen Feinde aus dem Gebiete des Stammes Judas habe vertilgen helfen, dieser auch dem Stamme Simeon dabei helfen solle.

2. Die Chananäer aber, deren Macht sich damals wieder gehoben hatte, erwarteten mit einem großen Heere die Israeliten bei der Stadt Bezek. Den Oberbefehl führte Adonibezek, König der Bezeker (dieser Name heißt »Herr der Bezeker«, denn Adoni heißt in der hebräischen Sprache »Herr«), und sie hofften die Israeliten umso eher besiegen zu können, weil Jesus gestorben war. Mit ihnen trafen nun die beiden genannten Stämme zusammen und kämpften tapfer, töteten mehr als zehntausend Mann von ihnen, schlugen die anderen in die Flucht, verfolgten sie und nahmen den König Adonibezek gefangen. Als der Letztere von ihnen verstümmelt worden war, sprach er: »Gott lässt nichts unbestraft, denn ich muss jetzt dasselbe erleiden, was ich früher zweiundsiebzig Königen anzutun mich nicht gescheut habe.« Man brachte ihn zwar noch lebend nach Jerusalem, doch erlag er bald seinen Leiden und wurde dort begraben. Darauf durchzogen sie das Land, um die Städte zu erobern. Und nachdem sie viele derselben eingenommen hatten, griffen sie auch Jerusalem an, besetzten den unteren Teil der Stadt und töteten alle, die hier wohnten. Die Eroberung des oberen Teiles dagegen mussten sie seiner starken Mauern und seiner natürlichen Festigkeit wegen aufgeben.

3. Danach brachen sie wieder auf und zogen nach Chebron, nahmen es ein und töteten alle Bewohner. Hier hatte sich noch ein Riesengeschlecht erhalten, das durch Körpergröße und Gestalt von anderen Menschen sich unterschied, von erstaunlichem Aussehen war und eine erschreckliche Stimme besaß. Ihre Gebeine werden noch heute gezeigt und sind so groß, dass es schwer fällt, sie für menschliche Gebeine zu halten. Diese Stadt schenkte man nebst zweitausend Ellen Ackerland als Zeichen besonderen Vorzuges den Leviten, das übrige Land aber erhielt nach dem Befehle des Moyses Chaleb, einer der Kundschafter, die er nach Chananaea geschickt hatte. Auch den Nachkommen des Madianiters Jothor, des Schwiegervaters des Moyses, räumte man ein Land als Wohnsitz ein. Denn sie hatten ihr Vaterland verlassen und waren den Israeliten durch die Wüste gefolgt.

4. Die Stämme Judas und Simeon hatten alle Städte im Gebirgslande Chananaeas genommen, in der Ebene aber und an der Meeresküste nur Askalon und Azot. Gaza dagegen und Akkaron entgingen ihnen, denn da deren Bewohner Wagen in Menge hatten und in der Ebene wohnten, griffen sie die Belagerer an und brachten ihnen empfindliche Verluste bei. Darauf legten diese Stämme, nachdem sie sich durch Beute sehr bereichert hatten, die Waffen nieder.

5. Die Benjamiter begnügten sich damit, den Einwohnern von Jerusalem, das in ihrem Lose lag, Abgaben aufzulegen, und so erfreuten sie sich beide der Ruhe. Die einen wurden von den Kriegsbeschwerden, die anderen aus ihren Gefahren befreit, und beide verlegten sich nun auf den Ackerbau. Dem Beispiele der Benjamiter folgten die übrigen Stämme, begnügten sich mit Tributleistung und ließen die Chananäer in Frieden.

6. Der Stamm Ephraïm hatte ein Heer gegen Bethel geschickt, richtete aber trotz langwieriger und mühevoller Belagerung nichts aus. Obgleich sie nun über die Verzögerung sich sehr ärgerten, ließen sie doch von der Belagerung nicht ab. Endlich ergriffen sie einen Bürger, der der Stadt Proviant zuführte; diesem versprachen sie, sie wollten ihn nebst den Seinigen nach Einnahme der Stadt verschonen, wenn er ihnen dieselbe verriete. Hierauf ging der Mann ein und schwor ihnen eidlich, er werde ihnen Bethel überliefern. So wurde die Stadt verraten und eingenommen, und alle ihre Bewohner wurden getötet, der Verräter dagegen mit den Seinen am Leben gelassen.

7. Hierauf standen die Israeliten vom Kriege ab oder befassten sich wenigstens nicht viel mit ihm; dagegen verlegten sie sich eifrig auf Ackerbau und Viehwirtschaft. Und da sie hieraus reichen Gewinn zogen, lebten sie in Schwelgerei und Wollust, verachteten Zucht und Ehrbarkeit und übertraten Gesetze wie Verfassungsbestimmungen. Hierüber erzürnte Gott und tadelte sie zuerst in einem Orakelspruch, dass sie gegen seinen Willen die Chananäer verschont hätten; denn diese würden ihnen zu gelegener Zeit ihre Milde nur mit Grausamkeit vergelten. Diese Ermahnung Gottes aber nahmen die Israeliten nicht nur mit Widerwillen auf, sondern waren auch dem Kriege gänzlich abgeneigt, einmal weil sie von den Chananäern viele Vorteile hatten, dann aber auch, weil sie infolge ihres weichlichen Lebens zur Kriegführung zu träge geworden waren. Auch die Vornehmen fingen an, verderbt zu werden, und es wurden weder Älteste erwählt noch andere obrigkeitliche Personen, wie das Gesetz es vorschrieb. Man beschäftigte sich lediglich mit Ackerbau und jagte nur noch nach Gewinn. Bei dieser Ungebundenheit und Leichtfertigkeit der Lebensweise entstand eine schwere Zerrüttung, und es kam endlich sogar zum Bürgerkriege aus folgender näheren Veranlassung.

8. Ein Mann aus dem Stande der Leviten, der im Stamme Ephraïm wohnte, hatte ein Weib aus Bethlehem, das zum Stamme Judas gehörte, geheiratet. Da dieser seine Gattin um ihrer Schönheit willen heftig liebte, sie ihm aber nicht die gleiche Zuneigung entgegenbrachte, vielmehr sich ihm von Tag zu Tag desto mehr entfremdete, je größer seine Liebe zu ihr wurde, kam es schließlich zu täglichen Streitigkeiten zwischen ihnen, infolge deren das Weib im vierten Monat von ihrem Manne sich trennte und zu ihren Eltern zurückkehrte. Das ertrug der Mann in seiner großen Liebe nicht und folgte ihr zu seinen Schwiegereltern nach, die die Streitigkeiten schlichteten und eine Versöhnung zwischen den Ehegatten zustande brachten. Vier Tage hatte der Mann sich dort aufgehalten und freundlichste Aufnahme bei seinen Schwiegereltern gefunden. Am fünften Tage aber wollte er nach Hause zurückkehren und begab sich gegen Mittag weg; die Eltern jedoch ließen die Tochter ungern ziehen und hielten sie daher bis gegen Abend hin. Auf der Reise begleitete sie ein einziger Diener, und das Weib ritt auf einem Esel. Als sie nun dreißig Stadien zurückgelegt hatten und in die Nähe Jerusalems gekommen waren, riet der Diener zur Einkehr, damit sie nicht in der Nacht gefahrvollen Zufällen ausgesetzt seien, zumal da sich Feinde in der Nähe aufhielten, und die Nacht selbst eine friedliche Gegend unsicher und verdächtig mache. Dem Levit aber missfiel dieser Vorschlag, weil er in fremdem Lande nicht gern einkehrte (in Jerusalem wohnten Chananäer). Er hielt es vielmehr für besser, noch zwanzig Stadien weiter zu reisen, da sie dann zu einer israelitischen Stadt kommen würden. Und da diese Meinung Beifall fand, zogen sie weiter und gelangten nach Gaba im Stamme Benjamin, als die Sonne bereits untergegangen war. Zu dieser späten Stunde befand sich aber niemand mehr auf dem Markte, der ihnen ein Nachtlager angeboten hätte. Zuletzt begegnete ihnen jedoch ein alter Mann vom Stamme Ephraïm, aber wohnhaft zu Gaba, der eben vom Felde heimkehrte. Dieser fragte ihn, wer er sei, woher er komme und weshalb er noch so spät ein Nachtmahl suche. Und da der Levit ihm entgegnete, er führe sein Weib wieder nach Hause, die ihre Eltern besucht habe, und er wohne im Stamme Ephraïm, bat sie der Greis, weil auch er in demselben Stamme gewohnt habe und ihnen so zufällig als Verwandter begegnet sei, sie möchten bei ihm einkehren. Einige Gabaënerjünglinge aber, die das Weib auf dem Markte gesehen und seine Schönheit bewundert hatten, hatten kaum bemerkt, dass sie bei dem Greise eingekehrt sei, als sie ohne Scheu vor das Haus zogen. Der Greis bat sie, sie möchten doch weggehen und keine Gewalttat verüben; doch sie verlangten, er solle ihnen nur das fremde Weib ausliefern, dann hätten sie mit ihm nichts mehr zu schaffen. Und da er ihnen vorstellte, sie sei seine Verwandte und eine Levitin, und sie möchten doch keine solche Schandtat begehen und aus Wollust die Gesetze verletzen, schlugen sie Recht und Gerechtigkeit in den Wind und verhöhnten ihn noch dazu; ja sie drohten ihm mit dem Tode, wenn er ihrer Lust noch weiter Hindernisse bereite. Nun geriet der Greis in große Not, und da er seinen Gästen eine solche Schmach nicht antun lassen wollte, bot er ihnen an, ihnen seine eigene Tochter preiszugeben; denn ihre Sünde würde geringer sein, wenn sie an dieser ihre Lust ausließen, als wenn sie das Gastrecht also verletzten. So glaubte er seinerseits alles getan zu haben, um von seinen Gästen die Beleidigung abzuwehren. Als sie aber von ihrem Verlangen nicht abließen, vielmehr noch heftiger und ungestümer die Auslieferung begehrten, bat er sie kniefällig, doch von ihrem ungerechten Vorhaben abzustehen. Sie aber, wahnsinnig vor Wollust, wandten Gewalt an und schleppten das Weib mit sich nach Hause, schändeten sie und trieben die ganze Nacht ihre Kurzweil mit ihr, und erst gegen Morgen ließen sie sie weg. Das Weib kehrte, schwer betrübt über die ihr widerfahrene Unbill, wieder nach der Herberge zurück; aber vor Schmerz und Scham wagte sie nicht, ihrem Manne unter die Augen zu treten, denn sie wusste, wie schwer er unter dem Geschehenen leiden würde. Plötzlich fiel sie zur Erde und gab ihren Geist auf. Ihr Gatte aber dachte, sie sei nur in tiefen Schlaf gefallen, und wollte sie, da er nichts Schlimmes argwöhnte, aufwecken und sie trösten, weil er wusste, dass sie sich den schändlichen Menschen nicht freiwillig hingegeben habe, vielmehr von ihnen mit Gewalt entführt worden sei. Als er aber merkte, dass sie tot sei, fasste er sich, soweit ihm dies die Entsetzlichkeit des Unglückes gestattete, lud sein totes Weib auf den Esel und nahm es mit sich nach Hause. Dort zerschnitt er sie in zwölf Stücke und schickte jedem Stamme eins davon zu, wobei er zugleich die Ursache ihres Todes und die unerhörte Gewalttat, die man an ihr verübt, mitteilen ließ.

9. Diese aber wurden durch den grässlichen Anblick der Körperteile und durch die Nachricht von der Schandtat gewaltig erschüttert, da sie dergleichen nie gehört hatten, und von gerechtem Zorn getrieben, kamen sie bei Silo vor der Hütte zusammen, wo sie sogleich zu den Waffen zu greifen und die Gabaoniter mit Krieg zu überziehen beschlossen. Dem widersetzten sich jedoch die Ältesten und erklärten es für unzulässig, so ohne weiteres die Stammesgenossen zu bekriegen, bevor man den Streit mit Worten zu schlichten versucht habe. Das Gesetz gestatte ja noch nicht einmal, gegen Fremde wegen begangenen Unrechtes in den Krieg zu ziehen, bevor man eine Gesandtschaft zu ihnen geschickt und versucht habe, sie auf andere Weise zur Besinnung zu bringen. Es sei daher billig, dass man nach Vorschrift des Gesetzes Gesandte an die Gabaëner schicke, die die Bestrafung der Frevler zu verlangen hätten. Wenn man ihnen dann die Täter ausliefere, so solle man mit deren Bestrafung zufrieden sein; stießen sie aber auf Widerstand, so müsse man sie bekriegen. Demgemäß schickte man Gesandte zu den Gabaënern, ließ die Jünglinge wegen der an dem Weibe begangenen Freveltat anklagen und die Forderung stellen, dass sie für ihre scheußliche Tat mit dem Tode bestraft werden müssten. Die Gabaëner aber wollten die Jünglinge nicht ausliefern und glaubten, es sei schmachvoll für sie, aus Furcht vor Krieg fremdem Befehl zu gehorchen, da sie keinem Volke weder an Rüstung noch an Truppenzahl noch an Tapferkeit nachständen. Und wirklich rüsteten sie sich mit anderen Stammesgenossen eifrig zum Kriege, denn diese trugen denselben Übermut zur Schau und gedachten ihre Angreifer empfindlich zu schlagen.

10. Sobald den Israeliten gemeldet wurde, was die Gabaëner beabsichtigten, schworen sie, sie würden keinem Benjamiter eine ihrer Töchter zur Ehe geben und sie mit Krieg überziehen; denn sie zürnten ihnen noch heftiger als unsere Vorfahren den Chananäern. Und sogleich zogen sie mit einem Heere von vierhunderttausend Bewaffneten gegen Gaba. Die Benjamiter dagegen zählten fünfundzwanzigtausendsechshundert Mann, darunter fünfhundert Mann, die mit der linken Hand ausgezeichnet schleudern konnten. Bei Gaba kam es zum Treffen, in welchem die Benjamiter die Israeliten in die Flucht schlugen, und zweiundzwanzigtausend Mann von den Letzteren fielen; es wären ihrer vielleicht noch mehr umgekommen, wenn die Nacht nicht dem Kampfe ein Ende gemacht hätte. Darauf zogen die Benjamiter frohlockend in ihre Stadt ein, die Israeliten dagegen waren ihrer Niederlage wegen mutlos und bezogen wieder ihr Lager. Am folgenden Tage wurde wieder gestritten, und die Benjamiter siegten abermals: Von den Israeliten fielen achtzehntausend Mann, die Übrigen aber flohen in feiger Furcht zum Lager. Als sie dann nach der nahe gelegenen Stadt Bethel gekommen waren, fasteten sie am folgenden Tage und ließen durch den Hohepriester Phineës Gott bitten, er möge ihnen nicht weiter zürnen, sich an der zweimaligen Niederlage genügen lassen und ihnen Stärke und Sieg über ihre Feinde verleihen. Gott verhieß ihnen denn auch das Erbetene durch den Phineës.

11. Hierauf teilten sie ihr Heer in zwei Teile, von denen der eine in der Nacht sich in einen Hinterhalt bei der Stadt legte, der andere dagegen mit den Benjamitern anband. Als nun die Benjamiter auf sie eindrangen, zogen sie sich zurück, während die Benjamiter sie verfolgten. Immer weiter wichen die Hebräer und lockten so allmählich alle aus der Stadt heraus, sodass die Jünglinge sowohl wie die wegen ihrer Kampfunfähigkeit in der Stadt zurückgelassenen Greise zusammen hervorstürmten, um den Feind zu erdrücken. Als sie sich nun weit genug von der Stadt entfernt hatten, machten die Hebräer halt, wandten sich und rückten in Schlachtordnung, und zugleich gaben sie den im Hinterhalt Aufgestellten das verabredete Zeichen, worauf diese sofort hervorbrachen und den Feind mit großem Geschrei angriffen. Sobald die Benjamiter merkten, dass sie überlistet seien, waren sie ratlos vor Verwirrung, sodass sie sich in ein tiefes Tal drängen ließen. Hier wurden sie mit Wurfgeschossen überschüttet und kamen alle bis auf sechshundert Mann um, die dicht geschlossen mitten durch den Feind durchbrachen und sich auf den benachbarten Bergen festsetzten, wo sie eine Zeit lang blieben. Alle Übrigen dagegen, gegen fünfundzwanzigtausend Mann, fielen durchs Schwert. Hierauf steckten die Israeliten Gaba in Brand und brachten sogar die Weiber und Knaben um; ebenso verfuhren sie mit den anderen Städten der Benjamiter. Und sie waren dergestalt ergrimmt, dass sie zwölftausend auserlesene Streiter nach Jabison, einer Stadt in Galaditis schickten, weil sie ihnen keine Hilfe gegen die Benjamiter gewährt hatte, und sie von Grund aus zerstören ließen. Zugleich ließen sie die sämtlichen streitbaren Männer nebst den Weibern und Kindern darin umbringen und nur vierhundert Jungfrauen verschonen. So weit aber hatten sie sich in ihrem Zorn hinreißen lassen, weil sie außer der der Frau des Leviten zugefügten Schandtat auch noch den Verlust so vieler Kämpfer zu beklagen hatten.

12. Später jedoch reute es sie sehr, dass sie die Benjamiter so hart mitgenommen hatten, und obgleich sie deren Strafe für wohlverdient ansahen, da sie gegen Gottes heilige Gesetze gefrevelt hätten, fasteten sie und schickten Gesandte ab, um jene sechshundert, die auf einen Felsen in der Wüste mit Namen Rhoa geflohen waren, zurückzurufen, Die Gesandten beklagten nicht nur das traurige Schicksal der Geflohenen, sondern auch ihr eigenes, da sie so viele Blutsverwandten verloren hätten, und redeten ihnen zu, sie möchten ihr Unglück mit Gleichmut ertragen und sich wieder in ihre Heimat begeben, damit nicht, wie es zu befürchten sei, der ganze Stamm Benjamin zugrunde gehe. Sie wollten ihnen auch, sagten sie zu ihrer Beruhigung, das ganze Land ihres Stammes und so viel von der Beute einräumen, als sie fortschaffen könnten. Die Benjamiter, welche einsahen, dass sie für ihre Frevel das Strafgericht Gottes auf sich gezogen hatten, folgten ihnen und kehrten in ihr Heimatland zurück. Die Israeliten aber gaben ihnen die vierhundert jabitischen Jungfrauen zu Weibern und überlegten, wie sie auch den anderen zweihundert Benjamitern Frauen verschaffen könnten behufs Erzielung von Nachkommenschaft. Denn da sie vor dem Beginn des Krieges einen Eid geschworen hatten, keiner solle seine Tochter einem Benjamiter zur Ehe geben, glaubten einige, man brauche diesen Eid nicht zu halten, weil sie ihn im Zorn und nicht mit der nötigen Überlegung geleistet hätten, und man werde Gottes Unwillen gewiss nicht auf sich laden, wenn man den äußerst gefährdeten Stamm vor dem gänzlichen Untergang bewahre; auch sei ein Meineid nur dann schädlich und gefährlich, wenn man ihn böswillig begehe, und nicht, wenn die Not ihn gebieterisch fordere. Die Ältesten dagegen äußerten sich sehr streng über den Meineid und verwarfen ihn unter allen Umständen. Da erklärte jemand, er wisse, wie man die Benjamiter mit Weibern versorgen und dabei doch den Eid halten könne, nämlich folgendermaßen: »Wenn wir dreimal im Jahr bei Silo zusammenkommen, nehmen wir unsere Weiber und Töchter dorthin mit. Nun könnten ja die Benjamiter die Letzteren entführen und zur Ehe nehmen, ohne dass wir sie dazu anreizen noch sie daran verhindern. Wenn dann die Väter der geraubten Töchter sich hierüber beklagen und Strafe dafür verlangen, so könnten wir ihnen ja sagen, sie seien selbst schuld daran, weil sie ihre Töchter nicht besser bewacht hätten, und man dürfe auch jetzt nicht mehr dem Zorn gegen die Benjamiter nachgeben, da man ihn schon früher sattsam an ihnen gekühlt habe.« Dieser Vorschlag ward beifällig aufgenommen, und man beschloss, den Benjamitern Gelegenheit zu geben, sich Weiber rauben zu können. Als daher das Fest bevorstand, lauerten jene zweihundert in Gruppen von zwei und drei Mann den Jungfrauen, die zur Feier kamen, vor der Stadt auf, indem sie sich in Weinbergen und anderen passenden Verstecken aufstellten. Und während nun die Mädchen ahnungslos und ohne besonderen Schutz ihr Spiel trieben, brachen die Männer plötzlich hervor, zerstreuten sie und fingen sie auf. Auf diese Weise kamen sie zu Weibern; sie verlegten sich alsdann auf den Ackerbau und gaben sich Mühe, ihren früheren Wohlstand wiederzuerlangen. So wurde der Stamm Benjamin, der seinem gänzlichen Aussterben nahe war, durch das verständige Benehmen der Israeliten hiervor bewahrt, Und in kurzer Zeit blühte er wieder auf und wuchs rasch an Volkszahl und Reichtum. So endete dieser Krieg.

Jüdische Altertümer

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