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ACHTES KAPITEL

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Von Samsons Tapferkeit, und welches Leid er den Palästinern zufügte.

1. Nach Abdons Tod besiegten die Palästiner die Israeliten und erhoben vierzig Jahre lang Tribut von ihnen. Aus dieser harten Bedrängnis wurden sie folgendermaßen befreit.

2. Ein gewisser Manoch, ein vornehmer Daniter und ohne Frage der Bedeutendste in seinem Vaterlande, besaß ein außerordentlich schönes Weib, die alle ihre Altersgenossinnen an Statur übertraf. Er hatte jedoch von ihr keine Kinder, worüber er sich sehr grämte, weshalb er oft mit ihr aus der Stadt hinausging und Gott bat, er möge ihnen doch eheliche Kinder bescheren. Da er nun in seine Frau sterblich verliebt war, wurde er auch von heftiger Eifersucht geplagt. Als die Frau einst allein zu Hause war, erschien ihr ein Engel Gottes in Gestalt eines schlanken und schönen Jünglings und brachte ihr die frohe Nachricht, sie werde durch Gottes Fürsorge einen schönen und starken Sohn gebären, der, sobald er seine Manneskraft erlangt habe, die Palästiner niederwerfen werde. Zugleich ermahnte er sie, dem Knaben nicht das Haar zu schneiden und ihn an kein anderes Getränk als Wasser zu gewöhnen, da Gott es so wolle. Nach diesen Worten verschwand er, wie er nach Gottes Willen gekommen war.

3. Als ihr Mann zurückkehrte, erzählte sie ihm, was sie von dem Engel vernommen hatte, auch beschrieb sie ihm seine Schönheit und seinen schlanken Wuchs, sodass er ob dieser Lobrede eifersüchtig wurde und Verdacht gegen sie zu schöpfen begann. Da sie nun ihren Mann von diesem widersinnigen Kummer befreien wollte, bat sie Gott flehentlich, er möge doch den Engel noch einmal senden, damit auch ihr Mann ihn sehen könne. Gott gewährte die Bitte gnädig, und so erschien ihnen der Engel, als sie vor der Stadt sich ergingen; doch kam er gerade, als ihr Mann sie eben etwas verlassen hatte. Sie bat ihn nun, er möge doch ein wenig verweilen, bis sie ihren Mann herbeigeholt habe. Und da er zusagte, rief sie den Manoch herbei. Als dieser den Engel erblickt hatte, konnte er immer noch seinen Verdacht nicht loswerden; deshalb bat er ihn, er möge auch ihm das mitteilen, was er seiner Frau verkündigt habe. Und da der Engel ihm entgegnete, es müsse ihm genügen, dass er es seiner Gattin allein verkündet habe, wünschte Manoch zu wissen, wer er sei, damit er nach der Geburt des Sohnes ihm seinen Dank abstatten und ihm etwas zum Geschenk machen könne. Der Engel aber antwortete, er bedürfe nichts dergleichen, und er habe ihm auch die frohe Botschaft von der Geburt eines Sohnes nicht etwa deshalb gebracht, um von ihm beschenkt zu werden. Nun beschwor ihn Manoch, er möge doch noch etwas verweilen, damit er ihn bewirten könne. Auch das schlug der Engel zuerst ab, gab aber dann nach und blieb. Manoch schlachtete darauf sogleich einen Bock und befahl seiner Gattin, ihn gehörig zuzubereiten. Als nun alles fertig war, hieß der Engel ihn das Brot und Fleisch ohne die Gefäße auf einen Fels setzen, und nachdem das geschehen, berührte er mit einem Stabe, den er bei sich trug, das Fleisch. Und sogleich brach Feuer aus und verzehrte das Fleisch samt dem Brote; der Engel aber fuhr auf dem Rauche wie auf einem Wagen vor ihren Augen gen Himmel. Da erschrak Manoch gewaltig und befürchtete Gefahr, weil sie Gott gesehen hätten. Das Weib aber hieß ihn sich ermannen: denn dass sie Gott geschaut, werde ihnen nur zum Segen gereichen.

4. Das Weib aber wurde schwanger und beobachtete alles, was ihr vorgeschrieben worden war. Und der Knabe, den sie gebar, wurde Samson genannt, das heißt »der Tapfere.« Er wuchs schnell heran, und da er mäßig lebte und das Haar nicht scheren ließ, schien er ein Prophet werden zu sollen.

5. Als nun Samson einst mit seinen Eltern nach Thamna, einer Stadt der Palästiner, zu einem Feste ging, wurde er dort von Liebe zu einer Jungfrau des Landes ergriffen und bat seine Eltern, ihm das Mädchen zur Ehe zu geben. Diese schlugen ihm zunächst seine Bitte ab, weil das Mädchen nicht aus ihrem Geschlechte stammte; da aber Gott zum Nutzen der Hebräer diese Heirat ersonnen hatte, erreichte Samson endlich die Erfüllung seines Wunsches. Da er nun öfters die Eltern des Mädchens besuchte, geschah es, dass er einst unterwegs einem Löwen begegnete, und obwohl er waffenlos war, nahm er es doch mit ihm auf, erdrosselte ihn mit bloßen Händen und warf ihn neben dem Wege in eine Schlucht

6. Ein anderes Mal, als er zu dem Mädchen ging, traf er einen Bienenschwarm, der in dem Brustkasten des Löwen Zellen gebaut hatte. Davon nahm er drei Scheiben Honig und schenkte sie nebst anderen Gegenständen, die er bei sich trug, dem Mädchen. Als er nun Hochzeit feierte, gaben ihm die Thamniter, die er alle zum Mahle geladen hatte, dreißig kräftige Jünglinge bei, dem Scheine nach als Zechgenossen, in Wirklichkeit aber, um ihn zu bewachen, dass er keine Tollkühnheit begehe. Da sie nun stark gezecht hatten und anfingen, lustig zu werden, wie das bei solchen Festlichkeiten üblich ist, sprach Samson: »Wohlan, wenn ihr mir das Rätsel, das ich euch jetzt gebe, in sieben Tagen löst, so sollt ihr als Belohnung jeder ein Stück Leinen und ein Kleid von mir erhalten.« Die Jünglinge, die gleichzeitig gern sich witzig gezeigt hätten und auch nach dem Preise lüstern waren, forderten ihn auf, das Rätsel kundzugeben. Das tat er mit diesen Worten: »Etwas, das alles verschlingt, gibt liebliche Speise von sich, wenn es auch selbst nichts weniger als lieblich ist.« Drei Tage lang dachten sie über das Rätsel nach, konnten aber seine Lösung nicht finden und baten deshalb die Braut, sie solle von Samson die Bedeutung zu erforschen suchen; ja sie drohten ihr, sie würden sie ins Feuer werfen, wenn sie es nicht täte. Als nun die Braut den Samson bat, ihr die Lösung mitzuteilen, wollte dieser anfangs nicht; da sie aber heftiger in ihn drang und unter Tränen ihm vorwarf, jetzt habe sie den Beweis, dass er sie nicht liebe, weil er ihr die Lösung vorenthalte, erklärte er ihr, wie er den Löwen erwürgt, die Bienen in seiner Brust gefunden und ihr drei Honigscheiben davon mitgebracht habe. So offenbarte er ihr die Lösung, ohne etwas dabei zu argwöhnen; sie aber verriet dieselbe sogleich den Jünglingen. Als diese nun am siebenten Tage, an dem sie die Lösung haben mussten, vor Sonnenuntergang zusammenkamen, sagten sie zu Samson: »Es gibt nichts, das weniger lieblich wäre als ein Löwe, und nichts Lieblicheres als Honig.« Samson aber fügte hinzu: »Und nichts Hinterlistigeres als ein Weib, das euch meine Worte hinterbracht hat.« Doch gab er ihnen, was er versprochen hatte, denn er hatte einige Askaloniter, die auch zu den Palästinern gehören, auf dem Wege ausgeraubt. Dann ging er von der Hochzeit weg. Die Jungfrau aber, die ihn wegen seines Zornes verächtlich behandelte, heiratete einen seiner Freunde, welcher der Vermittler der ersten Verbindung gewesen war.

7. Samson, den diese Schmach sehr kränkte, beschloss, sich an dem Weibe und allen Palästinern zu rächen Und da gerade Sommer war und die Früchte der Ernte entgegenreiften, fing er dreihundert Füchse, band brennende Fackeln an ihre Schwänze, jagte sie in die Äcker der Palästiner und verdarb so deren ganze Ernte. Als diese erfuhren, dass Samson der Anstifter des Streiches sei, schickten sie, da sie wussten, was ihn dazu bewogen hatte, einige Vornehme nach Thamna und ließen sein früheres Weib und deren Angehörige als Urheber des Unglückes verbrennen.

8. Nachdem nun Samson viele Palästiner in der Ebene umgebracht hatte, hauste er auf dem Aeta, einem im Stamme Judas gelegenen starken Felsen. Die Palästiner aber zogen deshalb mit einem Heere gegen den Stamm. Und als die Stammesgenossen geltend machten, dass sie unverdient für Samsons Frevel mitbüßen müssten, zumal sie doch ihren Tribut pünktlich entrichtet hätten, erhielten sie zur Antwort: wenn sie für unschuldig gelten wollten, sollten sie den Samson ausliefern. Um nun von Weiterungen verschont zu sein, zogen sie mit dreitausend Bewaffneten zu dem Felsen, beklagten sich bei Samson wegen der Frevel, welche er gegen die Palästiner verübt, die hierfür das ganze Hebräervolk vernichten könnten, und erklärten ihm, sie seien gekommen, um ihn festzunehmen und den Palästinern auszuliefern; er solle sich also dem gutwillig unterziehen. Er ließ sie darauf schwören, dass sie weiter nichts gegen ihn im Schilde führten, als ihn auszuliefern; dann stieg er vom Felsen herab und gab sich in die Hände seiner Stammesgenossen, die ihn mit zwei Stricken banden und ihn den Palästinern zuführten. Als sie nun an einen Ort gekommen waren, der noch heute von der herrlichen Tat, die Samson dort vollbrachte, »Kinnlade« genannt wird, damals aber keinen besonderen Namen hatte, kamen ihnen die Palästiner, die nicht weit davon ihr Lager hatten, mit fröhlichem Jubel entgegen, als wenn nun ihre Wünsche ganz erfüllt wären. Samson aber zerriss die Stricke, ergriff die Kinnlade eines Esels, die gerade zu seinen Füßen lag, stürzte sich auf die Feinde und schlug mit der Kinnlade ungefähr tausend von ihnen tot; die anderen wandten sich entsetzt zur Flucht.

9. Samson aber wurde durch diese Tat übermütiger als billig und schrieb dieselbe nicht der Hilfe Gottes, sondern seiner eigenen Kraft zu. Auch rühmte er sich, dass er die Feinde zum Teil erschlagen, zum Teil in die Flucht getrieben habe. Als er aber darauf von heftigem Durst geplagt wurde, erkannte er, dass alle menschliche Kraft schwach sei und Gott allein alles vermöge, und bat ihn flehentlich, er möge ihm wegen seiner Reden nicht zürnen und ihn nicht in die Gewalt seiner Feinde geben, vielmehr ihn aus der gegenwärtigen Not befreien. Gott erhörte sein Gebet und ließ eine süße und wasserreiche Quelle aus einem Felsen entspringen. Samson nannte diesen Ort »Kinnlade«, und so heißt er noch heute.

10. Nach diesem Kampfe verachtete Samson die Palästiner, ging nach Gaza und kehrte dort in einer Herberge ein. Als das die Vornehmen der Gazäer erfuhren, besetzten sie den Platz vor dem Tore mit Wachen, damit er ihnen nicht entwischen könne. Samson aber, der ihre Absicht wohl gemerkt hatte, stürzte sich wütend auf das Tor, hob es samt Pfosten, Querbalken und dem ganzen hölzernen Zubehör auf und trug es auf seinen Schultern nach einem Berge, der in der Nähe von Chebron liegt.

11. Später aber fiel er von den Gebräuchen seiner Väter ab, führte ein schlechtes Leben und äffte die Gewohnheiten fremder Völker nach, was gewöhnlich der Anfang alles Übels ist. Er liebte eine Buhldirne namens Dalila und lebte mit ihr. An diese machten sich nun die Vorsteher der Palästiner heran und suchten sie durch große Versprechungen zu beschwatzen, dass sie von Samson erforschen möge, was die Ursache seiner gewaltigen Stärke sei, die ihn unüberwindlich mache. Sie ging darauf ein, und als Samson einst bei ihr zechte und ihren vertrauten Umgang genoss, bewunderte sie seine Heldentaten und suchte zu erfahren, warum er eine so große Stärke besitze. Samson aber, der seines Geistes noch mächtig war, setzte List gegen List und sagte, wenn man ihn mit Rebzweigen binde, die sich noch biegen ließen, so werde er schwächer als alle anderen sein. Mit dieser Antwort war sie zufrieden, und nachdem sie die Vorsteher der Palästiner verständigt hatte, versteckte sie einige Krieger bei sich. Als nun Samson berauscht und in Schlaf gefallen war, band sie ihn mit den Rebzweigen, so fest sie konnte; dann weckte sie ihn und schrie ihm zu, die Feinde bedrohten ihn. Er aber zerriss die Rebzweigenfesseln und rüstete sich zur Wehr, falls man ihn angreifen wolle. Da er nun häufig mit dem Weibe verkehrte, beklagte sie sich einst, dass er so misstrauisch sei und ihr nicht sagen wolle, was sie so gern wissen möchte, gerade als ob sie das nicht geheim zu halten verstehe, dessen Ausplauderung ihm schaden könne. Samson aber täuschte sie wiederum, indem er ihr sagte, wenn er mit sieben Stricken gefesselt werde, so werde seine Kraft von ihm weichen. Als das wieder keinen Erfolg gehabt hatte, erklärte er ihr das dritte Mal, man müsse ihm seine Haare flechten. Und da auch das sich als trügerisch erwies, bestürmte sie ihn noch heftiger mit Bitten, sodass sich Samson endlich (es war ihm nämlich bestimmt, dass er in sein Unglück geraten sollte), um die Gunst der Dalila wiederzuerlangen, bereden ließ und ihr kundtat: »Gott selbst, durch dessen Fürsorge ich geboren bin, hat befohlen, dass mein Haar wachsen gelassen und nicht geschoren werde. So lange solle ich meine Kräfte behalten und sie sogar noch vermehren, als ich meine Haare wachsen lassen und erhalten würde.« Als sie so endlich den wahren Grund erfahren hatte, schnitt sie ihm heimlich das Haar ab und überlieferte ihn seinen Feinden, denen er jetzt ohnmächtig preisgegeben war. Diese blendeten ihn und ließen ihn gefesselt wegführen.

12. Im Laufe der Zeit aber wuchs ihm das Haar wieder, und als die Palästiner einst ein öffentliches Fest begingen, und ihre Vorsteher und Vornehmsten in einem Hause, dessen Dach von zwei Säulen getragen wurde, schmausten, ließen sie den Samson holen, um beim Zechgelage mit ihm ihren Spott zu treiben. Dieser aber, der es für das schlimmste aller Übel hielt, dass er so zum Gespötte dienen musste und sich nicht rächen konnte, sagte dem Knaben, der ihn an der Hand führte, er solle ihn an die Säulen leiten, da er ermüdet sei und etwas ausruhen wolle. Kaum war er dort angelangt, als er sich mit aller Kraft auf die Säulen warf, sie umstürzte und das ganze Haus wanken machte. So fanden dreitausend Menschen, die unter dem einstürzenden Hause begraben wurden, und Samson mit ihnen den Tod. Samson herrschte zwanzig Jahre lang über die Israeliten. Bewundernswert ist er wegen seiner Tapferkeit und Stärke, wegen des Starkmutes, mit dem er den Tod erlitt, und weil er bis zum letzten Atemzuge seine Feinde hasste. Dass er sich von einem Weibe überlisten ließ, ist auf Rechnung der menschlichen Natur zu setzen, die leicht der Sünde unterliegt. Jedenfalls muss man ihm das Zeugnis geben, dass er im Übrigen ein ausgezeichneter und tugendhafter Mann war. Seine Verwandten bestatteten ihn bei den Vorfahren in seiner Vaterstadt Sariasa.

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