Читать книгу Speedy – Skizzen - Florian Havemann - Страница 10

Kapitel 6: Rom und nochmals Rom

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Sie wird ihn sich genau angesehen haben durch das kleine Loch, die Römerin, sie wird die Verzweiflung im Blick ihres Mannes gesehen und dann gewußt haben, was sie zu tun hat, die stolze Flavia. Sie wird also um ein Gespräch beim grausamen Direktor dieses schrecklichen Gefängnisses nachgesucht haben, für ihren armen Mann irgendeine Hafterleichterung zu erwirken, und sie wird zu dem Direktor vorgelassen worden sein – vorgelassen, weil sie mit ihren knapp dreißig Jahren immer noch jung, immer noch schön aussieht. Und mit ihrem Stolz in der aufrechten Haltung, der für einen ausgemachten Bösewicht Anreiz genug sein dürfte, denn Stolz, Stolz kann ja gebrochen werden und eine stolze Frau erniedrigt, und etwas anderes kennen sie doch nicht, diese Männer, die die Macht haben, und sei es nur einen Zipfel davon, und das ist dann sofort auch etwas, das mich angeht, denn auch ich habe Hafterleichterung bekommen. Ich schreibe, weil ich Hafterleichterung bekommen habe, die Liegeerlaubnis für meinen gepeinigten Rücken, die Schreiberlaubnis, die mich überhaupt nur schreiben läßt, und ich weiß doch, wem ich beides verdanke – nicht diesem kleinen Kriminalbeamten, der meine Untersuchung führt, der mich jeden Tag verhört. Der hat sie zwar dankenswerterweise verfügt, diese Hafterleichterungen, aber von sich aus wäre der doch niemals auf den Gedanken gekommen, mir etwas Gutes zu tun, etwas, das mir die Lage ein bißchen erleichtert, und ich, hätte ich danach gefragt, darum gebeten, da mache ich mir nichts vor, ich hätte nur eine donnernde Ablehnung bekommen. Speedy war das, meine Frau war das, sie hat mit ihm gesprochen, von ihr kommt ja das Skizzenbuch, in das ich schreibe anstatt, wie es sich für einen Maler gehören würde, zu zeichnen. Ich weiß auch, was für ein Argument sie vorgebracht haben wird, damit ich das Skizzenbuch bekomme: daß ein Künstler jeden Tag seine Kunst üben müsse, um seine Fingerfertigkeit zu behalten, wie ein Klavierspieler doch auch – das Argument, das stammt ja von mir, und Speedy hat es so geärgert, als ich ihr das sagte, als sie vor langer, langer Zeit mal meinte, mit mir Urlaub machen zu wollen, und mit mir ist kein Urlaub zu machen, ich bin Künstler und also immer im Dienst. Sie wird sich das sicher gemerkt haben, und ich bin mir da so sicher, weil der subalterne Beamte das ja nahezu wortwörtlich wiederholte, als er mir dieses Skizzenbuch hier und einen Packen Bleistifte dazu aushändigte. Aber dieses Argument wird es nicht gewesen sein, was seine positive Entscheidung dann bewirkte, Speedy hat ganz andere Argumente, sehr viel wirksamere, bei Männern wirkende, und auch dieser Beamte ist ein Mann. Sie hat die schönen Augen, und sie kann einem Mann auch schöne Augen machen, wenn’s drauf ankommt, und sie hat diesen Körper, diesen verlockenden, mit dem sie locken kann, und sie weiß sich anzuziehen und auch auszuziehen bei passender Gelegenheit, und ich frage mich, wie weit sie wohl gegangen sein wird, ihrem Mann ein paar schäbige Hafterleichterungen zu verschaffen, die ich abzulehnen nicht die Ehre besitze. Die nicht. Wenn überhaupt eine.

Speedy – Skizzen

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