Читать книгу Speedy – Skizzen - Florian Havemann - Страница 15

Kapitel 11: Imago

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Ich habe mein Skizzenbuch hier nur unter der Auflage ausgehändigt bekommen, daß ich in ihm nichts aus dem Gefängnisleben festhalten dürfe – absurd, ich hätte also, genaugenommen, noch nicht einmal den Schemel abzeichnen dürfen, das Folterinstrument der ersten Woche hier, und diese Auflage war es, die mich sofort daran hat denken lassen, schon in dem Moment, wo er mir das gnädigerweise überreichte, mein Vernehmer, in dieses Skizzenbuch nichts hineinmalen, hineinzeichnen zu wollen, sondern es lediglich als ein Schreibheft zu nutzen. In irgendwelche Erinnerungsbilder flüchten, die märkischen Seen noch einmal heraufzubeschwören, die Kiefern, das wollte ich nicht, und weiter zurückzugehen in meinem optischen Gedächtnis, in die Zeit davor zurück, als der Nazi nur am Rande meines Blickfeldes rumtobte, und all die Szenen noch mal durchzugehen, mein altes Repertoire an Bildthemen, die Nutten, die dunklen Kaschemmen, die Proleten, den Glitzer, den Glanz, das ganze Talmi und das Elend, das wäre mir doch zu blöd vorgekommen, denn das hatte ich doch alles in Grünheide bei Erkner hinter mir lassen wollen. Und Speedy aus dem Gedächtnis zeichnen – nein, das wäre mir zu schmerzlich gewesen. Nur irgendwelche Pornobilder wären da dann noch eine Alternative gewesen, das festzuhalten, was so in meiner schmutzigen Phantasie aufsteigt, die ja nicht untätig ist und in der grauen Zelle nur angeregt wird. Direkt erotisches Zeugs aber, das war natürlich von vornherein ausgeschlossen, das würde doch als Beweismaterial gegen mich verwendet werden können, wo ich doch wegen erotischen Zeugs hier einsitze und auf meine unnationalsozialistische Lebensweise hin untersucht werde. Meine Entscheidung aber, zu schreiben statt zu malen und zu zeichnen, sie hat sicher einen tiefer reichenden Hintergrund, muß ich’s doch für möglich halten, daß ich meinen letzten Pinselstrich, Pinselschlag schon getan habe, daß ich nie wieder in meinem Leben werde malen können – außer ich bekomme noch mal die zweifelhafte Ehre, meinen zukünftigen KZ-Kommandanten als dicken, fetten Ölschinken malen zu dürfen, malen zu müssen. Und das will ich nicht, da säße mir die Angst viel zu sehr im Nacken, daß ich bei meinem Realismus die Eitelkeit eines solchen hohen Herrn verletzen könnte. Und mit harmlosen Bildchen aber will ich mich auch nicht als Maler, als Künstler verabschieden. Das ist für mich eine Sache der Ehre, des bißchens an Ehre, das mir nun übriggeblieben ist. Deshalb der Wechsel zum Schreiben, der Wechsel zu einem neuen künstlerischen Medium, zu einem Medium aber, bei dem ich an mich selbst keine künstlerischen Ansprüche stelle. Das Schreiben, das ist doch was Neues für mich und deshalb wohl auch etwas, das ich immer wieder reflektieren, worüber ich mir klar werden muß – im Unterschied zu meinem bildnerischen Schaffen, wo ich das alles schon x-mal durchgekaut habe, worauf es mir dabei ankommt. Nur weiß ich eben als Maler nicht mehr weiter, sehe ich mich als Maler als gescheitert an. Die Produktion der letzten Jahre: alles vollkommen misslungen, würde ich sagen, und auch deshalb wohl schreibe ich. Die Flucht weg von der Malerei, das wird der noch tiefer liegende Grund für diesen Wechsel zum Schreiben sein.

Speedy – Skizzen

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