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Kapitel 7: Augen

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Und dabei sitze ich doch eigentlich wegen ihr, wegen ihrer schönen Augen, wegen des Eindrucks, den meine Frau auf Männer macht und, weil sie den auch machen will, diesen starken Eindruck auf die Männer, die ihr reihenweise verfallen. Aber ich sitze natürlich nur uneigentlich wegen Speedy hier in der U-Haft, weil das ja mein Fall ist, daß ich sie diesen Eindruck auf Männer hab machen lassen, weil ich als mit ihr verheirateter Mann nicht tapfer wie ein deutscher Recke eingeschritten bin, mich nicht wenigstens hab scheiden lassen von dieser schweizerischen Schlampe, denn da kommt sie doch her, aus der Schweiz, aus Genf ganz genau, und eine Schlampe ist sie, meine Frau – wenn auch eine mit Klasse, mit Niveau, und das ist in Deutschland nicht mehr nur ein Skandal unter Nachbarn oder eine Sache familiären Naserümpfens, nach bürgerlichen Moralbegriffen eine anrüchige Geschichte, das ist etwas für die Polizei, und das Delikt, das hier offensichtlich vorliegt, das nennt sich unnationalsozialistische Lebensweise – ein Zungenbrecher, wie unnationalsozialistisch, wo sie doch die klaren Worte so lieben, die Abkürzungen, aber mir bricht’s vielleicht auch so das Genick. Ich wußte gar nicht, daß es so einen Paragraphen überhaupt gibt der unnationalsozialistischen Lebensweise. War mir nicht bekannt, aber Unkenntnis schützt ja bekanntlich vor Strafe nicht. Und mich hat’s also erwischt. Mal sehen, ob das Schicksal noch irgendwie abzuwenden ist, das grausliche. Ich muß mich auf alles gefaßt machen – gibt es denn in Deutschland eigentlich noch unabhängige Anwälte? Oder ist hier der Rechtsanwalt kein Verteidiger mehr, sondern nur noch Organ der Rechtspflege und damit selber ein verkappter Herr Staatsanwalt, ein Helfershelfer der Anklage? Aber ich habe das Geld nicht, mir einen Anwalt zu nehmen und das herauszufinden, ich muß sehen, wie ich allein durchkomme. Muß mir eine Strategie zurechtlegen, wie ich das drehe, damit diese Vorwürfe gegen mich ins Leere laufen. Jedenfalls habe ich erst mal von den Untermietern gesprochen, die wir bei meinen prekären Einkommensverhältnissen als Künstler in diesen schwierigen Zeiten bräuchten, um das überhaupt finanziell durchzustehen, und in dieser Beziehung ist es gar nicht mal schlecht, daß wir gleich zwei von denen haben beziehungsweise hatten, denn natürlich haben die beiden feinen, feigen Herren Studiosi nach meiner Verhaftung sofort das Weite gesucht, hat mir Speedy erzählt – wie mutig, aber ich hätte wohl an ihrer Stelle das gleiche gemacht. Doch meine Maßstäbe gelten nicht, denn ich wäre ja auch nicht so mutig gewesen, mal eben für ein halbes Jahr die Frau eines anderen zu beschlafen, und das noch zu zweit und während der Ehemann mit im Hause ist und vielleicht eines Tages mit dem Revolver Genugtuung fordert. Aber wir sind ja keine Ehrenmänner mehr, wir alle nicht. Daß die beiden Herren Untermieter dann ausgerechnet noch von der theologischen Fakultät waren, das hört sich für den stinknormalen Normalbürger vielleicht harmloser an, nicht aber für den nationalsozialistischen Staat mit seinem mal offenen, mal mehr verdeckten Kirchenkampf, und das kann ich ja unmöglich so hinstellen, als hätte es Speedy mittels einer mehr lockeren Sexualmoral darauf angelegt, der katholischen Kirche zwei ihrer zukünftigen Diener abspenstig zu machen – damit hätt ich’s ja zugegeben, was das für Untermieter waren, und Speedy, die gute Katholikin Speedy, sie würde mir meine Maleraugen auskratzen bei einer solchen gottlosen Verteidigungslinie, und meine Augen, die brauche ich doch noch, ich will ja irgendwann wieder malen – nur jetzt nicht. Und hier nicht. Im Gefängnis nicht.

Speedy – Skizzen

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