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Kapitel 16: Der wahre Glauben

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Interessant in diesen theologischen Debatten war, daß mich die beiden Studierten darauf aufmerksam machten, ich sei, ob ich’s nun wisse oder nicht, ein Anhänger von einem gewissen Marcion Ardoni – nie gehört, ich wußte es also nicht. Aber warum nicht, ich habe doch nichts dagegen, Anhänger eines Glaubens zu sein, den ich gar nicht kenne, der dann also ebenso gut auch auf meinem eigenen Mist gewachsen sein könnte. Wir wissen nichts von diesem vergessenen heiligen Mann, denn sie haben ihn, der wohl mal eine wirkliche Gefahr darstellte, ja auch mächtig bekämpft von der Kirche, seine sehr viel logischere Theologie als Irrglauben verketzert, verteufelt – es wird ihn nicht groß gewundert haben, sah er doch in der Welt ein Werk des Teufels, den er den Demiurgen nannte, und also auch die ganze schöne katholische und apostolische Kirche als Blendwerk ebendieses Teufels. Sein Grundgedanke ist eigentlich ganz einfach und für jeden nachzuvollziehen: Da die Welt, wie wir alle wissen, so schlecht ist, wie sie nun mal ist, und voller Bosheit, kann sie nicht von jenem Gott geschaffen worden sein, der uns seinen Sohnimatz geschickt und damit geopfert hat, denn so ein gutes Kerlchen muß natürlich hier auf Erden und unter Menschen unter die Räder kommen oder, behalten wir diese Erhöhung bei, ans Kreuz geschlagen werden. Das war ja wohl klar und muß auch seinem Vati klar gewesen sein. Nennen wir es so eine Art Propaganda der Tat, als ob er uns hätte mitteilen wollen: Ich bin auch noch da, und bei den anarchistischen, terroristischen Bombenwerfern ist das nicht anders, daß zu der Tat die Bereitschaft gehört, selber dabei draufzugehen, sich mit von der Höllenmaschine zerfetzen zu lassen, die einem anderen gilt, dem Feind, dem persönlich haftenden. Wenn aber der herzensgute Gottvater von diesem Christus-Sohn die Welt nicht gemacht hat, dann muß sie ein anderer gemacht haben, und da sie schlecht ist, muß sie ein Schlechter gemacht haben – irgendein Vorfahr von mir, ein entfernter Verwandter. Ergo der Teufel. Der Demiurg, der Macher, und den beten wir im Alten Testament an, das nun aber auch nichts und gar nichts mit dem Neuen zu tun hat – die unvereinbaren Unterschiede und Widersprüche zwischen beiden Teilen des Buches der Bücher dürften ja wohl jedem, der lesen kann und liest und nicht nur bei der Predigt zuhört, aufgefallen sein: Auge um Auge, Zahn um Zahn, das ist ja wohl etwas fundamental anderes, als seinen Feind zu lieben und auch noch die andere Backe hinzuhalten, wenn du auf die eine schon eine schallende Backpfeife bekommen hast – ich meine: wer macht das schon, wer ist dazu fähig? Wir doch nicht, denn wir sind ja auch des Teufels Kreaturen, und damit wir nicht auf falsche Gedanken kommen der Liebe, der Nachsicht, des großen Verzeihens, der noch größeren Vergebung, hat er sich dann seines Werkzeuges Paulus bedient, des ehemaligen Verfolgers der wenigen Christen, und hat da eine Kirche auf ihn gebaut, eine Institution und damit dann das Gesetz, die Inquisition und das Segnen der Waffen – nun gut, ob das jetzt noch dieser Marcion ist oder schon meine eigene Sekte, ich weiß es nicht.

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