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Kapitel 4: Die Achse
ОглавлениеDiese Verbindungslinie haben sie ja selbst gezogen in der offiziellen Politik, die zwischen Rom und Berlin, also kann ich das auf meine Weise auch machen – nur daß mein Rom hier das alte sei, das der Antike, das des römischen Imperiums und nicht das des italienischen Nachahmers, Nachäffers von heutzutage, und auch mein Berlin ist mehr ein Bei-Berlin, ein Vorort-Berlin, denn der Moloch selbst, aus dem ich mich vor ein paar Jahren schon zurückgezogen habe, und zwar davor schon, vor der Zeitenwende, durch die wir Deutschen dann bis Drei zählen gelernt haben, bis zum Dritten Reich, aber das nützt mir soviel nicht mehr, wie sich herausgestellt hat, das war vielleicht sogar ein Fehler. Speedy und ich, wir hätten noch weiter weggehen sollen, irgendwohin richtig in die tiefste Provinz uns verziehen, in einem einsamen Haus auf Bergeshöhen uns verstecken, wo niemand uns belästigt und es keine Nachbarn mehr gibt, die einen beobachten können und auf dem Kieker haben. Oder in die Schweiz, wo Speedy herkommt. Aber Speedy haßt die Schweiz, wo sie herkommt, und Amerika, das wär mir ein bißchen weit weg gewesen, und ich bin nicht George, der da, und das sicher auch nicht ohne seine Schwierigkeiten, Fuß fassen konnte. Viele sind weg, ich bin hiergeblieben, und nun komme ich nicht mehr weg, nun stecke ich hier fest, und ich würde doch meinen, daß ich nun genug in den römischen Angelegenheiten geschrieben habe, die mich so sehr nun wahrlich nicht interessieren, und ich nun zu meinen eigenen kommen kann, die dies sehr viel mehr tun, sehr viel mehr auch tun müssen, stecke ich doch ganz schön tief drin in der Bredouille, und wie sehr, das ergibt sich schon daraus, daß ich mir da ein Rom aufbauen muß, um das Eigentliche dahinter verstecken zu können. Aber der Hinweis war ja schon da, das Gefängnis in Rom ein starker Fingerzeig, und er wies ganz brutal auf mich und meine Situation hier in diesem Berliner Vorort-Knast, dem Untersuchungsgefängnis in Erkner, in Erkner bei Berlin, denn da stecke ich drin, seit mehr als einer Woche nun, und weiß nicht, wie lange man mich hier festhalten wird. Mit meiner schnellen Entlassung rechne ich nicht. Ich hoffe natürlich drauf, aber davon gehe ich nicht aus, so dynamisch sich das Regime gibt, die Mühlen der deutschen Justiz, sie mahlen wohl immer noch langsam. So gut das natürlich ist, daß ich hier jetzt schreiben kann, ein Indiz dafür, daß ich rasch wieder rauskommen könnte, ist es sicher nicht, daß ich diese Schreiberlaubnis bekommen habe, dieses seltene Privileg. Und die Liegeerlaubnis dazu wegen meines Rückens, der nach dieser einen Woche ohne die Möglichkeit, sich mal hinlegen zu können über Tage, in Flammen stand vor Schmerzen. Immer nur rumlaufen, hin und her, die sechs Schritt und dann wieder kehrt und auf dem harten Hocker hocken und grad mal den Kopf auf das kleine Tischchen legen dürfen. Ich wäre bereit gewesen, alles zu gestehen, um meinen Aufenthalt hier zu verkürzen. Aber natürlich hätte mir das gar nichts genützt, hätte es ihn nur um Jahre verlängert, diesen Knastaufenthalt – dann aber im regulären Strafvollzug, und daß es dort dann besser zugeht und ein bißchen bequemer sein könnte, das wage ich doch zu bezweifeln, und dann gibt es ja immer noch die andere, die sehr viel schlimmere Variante, an die ich gar nicht denken will. Der neue Staat ist einfallsreich, der neue Staat hat sich da was ausgedacht, wie er mit den feindlichen Elementen, allen auch nur irgendwie Verdächtigen umgehen kann, er lagert sie ganz konzentriert ein und an Orten, die nicht sehr angenehm sein sollen, wenn man den Gerüchten trauen darf, die so kursieren, und in diesem Falle würde ich den Klatschgeschichten glauben und sie eher für verharmlosend halten.