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Kapitel 12: Risiko

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Während ich zum Verhör, zur Vernehmung bin, sich das einmal, und sei es aus purer Neugierde, anschauen wollen, was dieser merkwürdige Häftling mit seinen noch nie dagewesenen Sonderkonditionen immer in sein Skizzenbuch reinkritzeln mag, und dann entdecken, daß er gar nicht malt oder zeichnet, daß da in diesem Buch nichts Gezeichnetes zu finden ist, sondern stattdessen Geschriebenes, und dann lesen, lesen, was da geschrieben steht, und danach dann natürlich sofort eilfertig Meldung erstatten. Und danach dann im Auftrag der interessierten Obrigkeit, des Beamten, der meine Untersuchung führt, die Untersuchung gegen mich, hier jeden Tag während meiner Zeit beim Verhör, bei der Vernehmung sozusagen aktuell mitlesen, was hier neu von mir zwischenzeitlich reingeschrieben wurde, und davon dann immer Bericht erstatten – nichts leichter als das für einen neugierigen Wärter, der sich bei seinen Vorgesetzten einkratzen will, und deshalb ist das natürlich der reinste Wahnsinn, was ich hier treibe, das mit diesem Buch hier, und daß ich hier schreibe, statt ordentlich wie ein Maler zu malen, zu zeichnen – schon um nicht meiner Extrawurst verlustig zu gehen, denn auch wenn ich hier im Knast nicht zeichnen, malen will, sondern schreiben, wäre malen und zeichnen zu können schon ein unglaubliches, wahrscheinlich lebensrettendes Privileg. Aber es ist ja nicht nur der Fakt, daß ich schreibe, statt hier ein paar Bildchen reinzuzaubern in dieses dafür vorgesehene Skizzenbuch, es ist ja viel mehr noch, was ich schreibe, das mich in die höchste Gefahr bringt, und ich weiß es, kann aber davon nicht lassen, und manchmal, wenn ich vom Verhör, von der Vernehmung zurückkomme, erfaßt mich Panik, daß in der Zwischenzeit mein Geheimnis entdeckt worden sein könnte, entdeckt worden sein müsse, und ich bin für einen Moment ganz dessen sicher, erwarte die Katastrophe, deren Ausbleiben mich doch wieder völlig leichtfertig fortfahren läßt und weitermachen. Als wünschte ich mir das insgeheim, hier aber richtig in Schwierigkeiten zu kommen, als reichten mir die nicht, in denen ich stecke – ich werde doch nicht etwa von der Sorge angetrieben sein, hier einfach mir nichts, dir nichts eines Tages entlassen zu werden, und das war’s dann, und ich komme um meinen großen Abgang herum, als tragischer Held, als Opfer des Nationalsozialismus. Will ich das denn wirklich provozieren, daß sie mit der richtig großen Keule zuschlagen, die Barbaren? Und das Verrückte ist: diese Fragen, sie nützen nichts, weder werde ich sie mir beantworten, noch würde ich mich davon beeindrucken lassen und aufhalten, fände ich heraus, daß ich hier mit meinem Leben spiele, und statt mich selber umzubringen, nur den andern den Schwarzen Peter zuschieben will, den rohen Gesellen, denen das nichts weiter ausmacht, daß sie mich wie einen Wurm zertreten und auslöschen ein für allemal. Ich bin schwach, sie haben Kraft, sie sind stark, weil mit der nötigen Dummheit gesegnet. Ich bin schwach, weil unnationalsozialistisch in meiner Lebensweise, sie sind stark, weil Nazis, und einige von ihnen, die Besten, die Elite, sie tragen den nationalsozialistischen Totenkopf am Revers – Chapeau, meine Herren, alle Achtung!

Speedy – Skizzen

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