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(1) Begriffshistorie

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Zuweilen wird die Legitimität des Leitbildes der Dienstgemeinschaft unter Anführung dessen begrifflicher Genese in Zweifel gezogen.399 Untersuchungen aus der jüngeren Vergangenheit haben ergeben, dass der Begriff vor 1930 im kirchlichen Kontext nicht verwendet wurde.400 Erstmalig fand er im Jahr 1936 in der „Tarifordnung für die dem Deutschen Caritasverband angeschlossenen Anstalten der Gesundheitsfürsorge“ Erwähnung.401

Die Kritiker sehen eine „problematische Begriffsgeschichte“402 in dem Umstand begründet, dass die Kirchen den Begriff aus dem „Gesetz zur Ordnung der Arbeit in öffentlichen Verwaltungen und Betrieben“ (AOG) aus dem Jahr 1934 übernahmen. Zur Abkehr vom Klassenkampf und zur Etablierung eines betrieblichen Gemeinschaftsgedankens hatten die Nationalsozialisten mit diesem Gesetz das Konzept der Betriebsgemeinschaft403 in ihr Rechtssystem integriert. § 2 Abs. 2 AOG lautete:

„Der Führer sorgt für das Wohl der Beschäftigten. Diese haben die ihm in der Dienstgemeinschaft begründete Treue zu halten und eingedenk ihrer Stellung im öffentlichen Dienst in ihrer Diensterfüllung allen Volksgenossen Vorbild zu sein.“404

Es wäre aber verfehlt, allein aufgrund dieser begrifflichen Parallele das Konzept der kirchlichen Dienstgemeinschaft zu diskreditieren. Denn soweit die Kirchen eine Gemeinschaft des Dienstes zur Verwirklichung ihres Sendungsund Verkündigungsauftrags begründen, ist die Unterstellung einer dadurch begründeten Nähe zu nationalsozialistischer Ideologie absurd. Aus der übereinstimmenden Terminologie erwächst nicht zugleich inhaltliche Nähe.405 Dementsprechend wird von der herrschenden Lehre die zutreffende Auffassung vertreten, dass die kirchliche Dienstgemeinschaft keine inhaltliche Übereinstimmung mit der nationalsozialistischen Betriebsgemeinschaft aufweist.406

Kirchliches Arbeitsrecht in Europa

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