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(1) Kirchlicher Dienst als Erfüllung des Sendungsauftrags

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Die gemeinschaftliche Ausübung des Sendungs- und Verkündigungsauftrag der Kirche bildet die fundamentale theologische Grundlage des Leitbilds der Dienstgemeinschaft.420 Die davon ausstrahlende religiöse Dimension bildet den Kern des kirchlichen Dienstes.421 Darin findet der kirchliche Dienst seine Finalität; jegliches von ihm ausgehende Wirken ist an dieser religiösen Dimension zu messen und hat sich nach ihm auszurichten. Ohne diesen transzendenten Ursprung würde der kirchliche Dienst nicht existieren, da die Kirche andernfalls ihrer Sendung nicht gerecht werden würde.422

Inhalt des kirchlichen Sendungsauftrags ist die Verkündigung des Evangeliums, die Feier der Sakramente und der Dienst am Menschen.423 Dem liegt zum einen der Öffentlichkeitsauftrag der Christenheit nach dem Missionsbefehl im Matthäusevangelium zugrunde:

„Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe“.424

Zum anderen wird das soziale Handeln gegenüber den Mitmenschen im neuen Testament zu einem zentralen Gebot erhoben, woraus der diakonische Auftrag folgt. So heißt es bei Matthäus – stellvertretend für ähnliche Aussagen in den anderen Evangelien:

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und erste Gebot. Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“425

Die Kirche ist auf Anweisung Jesu Christi dazu berufen, diesen religiösen Auftrag in der Welt zu erfüllen. Daraus folgt zugleich, dass der entscheidende Dienstherr und Dienstgeber letztlich Jesus Christus als moralisch-ideeller Dienstgeber neben dem arbeitsrechtlichen Dienstgeber der kirchlichen Einrichtung ist.426 Dieser Gedanke kommt auch in der Enzyklika „Laborem Exercens“ von Papst Johannes Paul II. zum Ausdruck, in der von einem indirekten und einem direkten Arbeitgeber die Rede ist.427 Bezogen auf die Dienstgemeinschaft ist der indirekte Dienstgeber die Gesamtheit aller religiös-theologischen und moralisch-ideellen Faktoren, welche die Grundlage des kirchlichen Dienstes bilden.

Im Ausgangspunkt ist die Kirche in ihrer Gesamtheit die Adressatin zur Erfüllung des Sendungsauftrags. Dazu überträgt sie diesen Auftrag auf ihre Glieder, zu denen auch ihre einzelnen Einrichtungen gehören.428 Folge dieser Übertragung ist, dass die gesamte kirchliche Einrichtung einschließlich sämtlicher ihrer Funktionen durch die religiöse Dimension des Sendungsauftrags bestimmt ist.429 Jeder Einzelne in der kirchlichen Einrichtung, der an der Erfüllung des Auftrags verantwortlich mitarbeitet – unabhängig vom Umfang seiner Verantwortung – bleibt Jesus Christus voll verantwortlich.430 Dies bedeutet, dass sämtliche in der jeweiligen Einrichtung tätigen Mitarbeiter dem Sendungsauftrag der Kirche dienen und damit als Ganzes zu einer Gemeinschaft in Ausübung des kirchlichen Dienstes – einer Dienstgemeinschaft – werden. Der kirchliche Sendungsauftrag konstituiert mithin durch seine einende Wirkung zugleich das Gemeinschaftselement der Dienstgemeinschaft.431

Die Verschiedenheit der einzelnen in der kirchlichen Einrichtung ausgeübten Dienste konterkariert die alles verbindende Einheit der Sendung nicht.432 Es liegt in der Natur einer arbeitsteiligen Organisation – der sich selbstredend auch die kirchlichen Einrichtung bedienen –, dass der Sendungsauftrag von verschiedenen Diensten wahrgenommen wird. Doch jeder einzelne Dienst bzw. jede einzelne Funktion repräsentiert auf jeweils eigene Weise den Dienst Christi. Die einzelnen Dienste sind aufeinander angewiesen und müssen sich zu einem organischen Ganzen zusammenfügen.433 Alles Institutionelle der Kirche muss der Glaubwürdigkeit ihres Evangeliums dienen.434

Dieses Ideal einer Verbindung vieler zum gemeinsamen Wirken in einer Gemeinschaft findet sich auch in der Bibel wieder. Im Brief von Paulus an die Römer heißt es:

„Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, so sind wir, die vielen ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des andern Glied. Wir haben mancherlei Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist.“435

Im kirchlichen Arbeitsrecht wird die theologische Dimension sämtlicher Tätigkeiten durch die Bezeichnung der kirchlichen Arbeitgeber als „Dienstgeber“ und ihrer Arbeitnehmer als „Dienstnehmer“ akzentuiert.436

Kirchliches Arbeitsrecht in Europa

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