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Don Basilico, Emerald und eine
große Überraschung

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Am Küchentisch saß mit aufgeknöpftem Wams und wirrem Haar vor einem nackten Brötchen niemand anderes als der verloren geglaubte Bote.

»Marius!«, krächzte Meister Goldauge. »Marius! Wie kommst du denn hierher?« Und bei diesen Worten flatterte er aus seinem Stoffbündel und mit einem großen Satz hinüber auf den Tisch.

»Moooment!«, schaltete sich da der Koch ein, der eines nicht leiden konnte: Tiere auf seinem Küchentisch, sofern es nicht gebratene, gebackene, geräucherte oder marinierte waren. »Hast du die Absicht, die Küche als Rabe im Salzteig zu verlassen?« Schon zückte er sein Hackebeil und hieb mit langem Arm um Haaresbreite neben Meister Goldauges Schwanzfedern, worauf dieser mit lautem Kreischen aufflog und erschrocken in der Küche herumflatterte.

»Aber Don Basilico!«, rief Xenia und stemmte die Arme in die Seiten. »Wie geht Ihr mit meinen Gästen um?«

Da senkte der Koch den Kopf und schaute verlegen zu Boden. »Entschuldigen Sie, Fräulein Xenia«, nuschelte er. »Aber Sie wissen doch ...« Er räusperte sich. »Sie kennen doch meine Vorliebe für Geflügel.«

»Ha!«, mischte Florine sich nun ein und flatterte mit ihren schillernd-bunten Flügeln. »Ist das ein Grund, gleich jedem gefiederten Wesen, das sich der Küche nähert, den Garaus zu machen?« Dabei drückte sie sich sicherheitshalber ganz nah an Xenias Seite, weil man ja nie wissen konnte, wie der Koch das sah. Don Basilico aber murmelte nur mit finsterem Blick: »Dieses Geflügel wird hier auf der Burg sowieso nicht alt.« Und er steckte sein Beil weg, nicht ohne noch einmal prüfend mit dem Daumen über die Klinge zu streichen und dabei zu Meister Goldauge hinüberzuschauen.

Das Mädchen besah sich nun den Fremden, der kauend mit dem Brötchen im Mund die Szene verfolgte. »Und du bist also Marius?«

Marius nickte und versuchte krampfhaft, das Brötchen in einem Stück herunterzuwürgen. Doch dabei verschluckte er sich und konnte erst einmal vor lauter Husten nichts antworten. Der Koch gab unterdessen dem Küchenjungen Emerald, der sich in den Hintergrund verzogen hatte, einen Wink, worauf dieser rasch nach einem Krug Wein griff und ihn Marius vors Gesicht hielt, damit dieser das Brötchen hinunterspülen konnte. Doch Wein war Marius nicht gewöhnt und also verschluckte er sich erst recht und musste noch viel mehr husten. Und so kam es, dass schließlich alle ganz nah um den Tisch herumstanden und warteten, bis Marius sich erholt hatte und endlich bereit war zu erzählen. Das Mädchen, die Papageiendame, der Rabe, der Koch und der Küchenjunge lauschten dem Gast:

»Ich hatte meinen Freund Goldauge vorausgeschickt, um das Licht zu erkunden, das ich gesehen hatte. Doch Goldauge kam nicht zurück. Und der Sturm tobte so, dass ich kaum mehr etwas erkennen konnte. Schließlich entschloss ich mich, an dem Ort stehen zu bleiben, an dem ich war, weil ich dachte, dann würde mich Goldauge leichter wiederfinden, wenn er zurückkehrte. Ich schlug aus meinem Mantel ein Zelt auf und verkroch mich darunter. Doch der Wind riss es fort und ich stand plötzlich nur noch in meinem dünnen Hemd und dem Wams da und überlegte mir schon, ob ich jetzt erfrieren müsste, als ein Wagen unten am Weg entlangkam. Den konnte ich gerade so erkennen. Ich rief, um den Kutscher auf mich aufmerksam zu machen. Aber der hatte auch nur Augen und Ohren für den Sturm. Also lief ich hin. Doch der Wind war so stark, dass die Kutsche schon vorbei war, als ich endlich den Weg erreichte. Na ja, ich konnte mich gerade noch hinten dranhängen. Und dann hielt ich mich einfach fest und ließ mich mitziehen. Es war so dunkel, dass ich gar nicht merkte, dass wir in einen Wald fuhren und durch ein Burgtor. Irgendwann blieb der Wagen stehen und ich ließ los und wurde wohl ohnmächtig. Und dann kann ich mich an nichts mehr erinnern.«

Nun räusperte sich Don Basilico, der Koch, und hob wichtig eine Augenbraue. »Wenn Sie erlauben, Fräulein Xenia, will ich berichten, was noch fehlt.« Und er strich sich über den Bart, räusperte sich erneut und erzählte: »Der Wagen hatte aus dem Umland Schweinehälften gebracht, die wir für das große Fest braten sollen. Ja, und der Knabe, nachdem er da so lange am Wagen gehangen und sich durch den Morast hatte schleifen lassen, sah wirklich wie ein Schwein aus – wenn mir dieser Ausdruck erlaubt ist.« Er musterte Marius. »Na ja, für ein Schwein ist er ja wohl ein bisschen zu dünn. Aber als Schweinehälfte mag er durchgehen. Und wie der Lieferant so um seinen Wagen geht und abladen will, denkt er, da ist ihm ja ein schöner Brocken von der Ladefläche gefallen, und er pfeift meinen Küchenjungen heran und sagt ihm, er solle die Sau in die Küche bringen.«

An dieser Stelle guckte Marius nun doch mehr als verlegen.

»Und, auch wenn man es nicht glaubt, wenn man ihn so sieht, Emerald, mein Küchenjunge, ist ein ziemlich kräftiger Bursche. Er schnappt sich also die falsche Schweinehälfte, schwingt sie sich über die Schulter und trägt sie zu mir herab.« Mit weiter Geste wies Don Basilico auf eine Stelle etwas weiter hinten, wo allerlei Fässer und Säcke lagerten. »Und dann hat er ihn dorthin geworfen. Mit Schwung und einem netten Liedchen auf den Lippen.«

»Eigentlich war’s mehr ein Schrei, Meister«, stellte Emerald richtig.

»Ja, gut, erst war’s ein Lied, dann war’s ein Schrei«, bestätigte der Koch und erklärte: »Und zwar weil der Kerl in dem Moment aufwachte, erschrak und wie ein Spanferkel schrie. Da hat sich mein Lehrling natürlich auch fürchterlich erschreckt und gleichfalls einen Schrei ausgestoßen. Ich meine, hat man denn schon mal eine Schweinehälfte schreien hören?« »Das war nicht der Schreck, das war der Schmerz«, maulte Marius, schielte zu dem Mädchen hinüber und zeigte wie zum Beweis auf eine mächtige Beule an seinem Hinterkopf.

Und der Küchenjunge schaute ebenfalls etwas reserviert drein und meinte: »Das war nicht der Schrei, das war der Lärm.« Und er steckte sich zum Beweis den kleinen Finger ins Ohr, während auch er zu dem Mädchen hinüberäugte.

Xenia aber blickte auf Meister Goldauge hinab und lächelte. »Das kommt mir irgendwie bekannt vor«, sagte sie. »Und dann?«

»Und dann bin ich wieder in Ohnmacht gefallen«, sagte Marius und tippte behutsam auf seine Beule, die aussah wie eine behaarte Apfelhälfte.

»Das kommt mir auch bekannt vor«, murmelte Xenia lächelnd, zwinkerte Meister Goldauge zu und trat hinter Marius, um das Prachtstück von einer Beule näher zu betrachten.

Das Geheimnis der Gaukler

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