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Gänsefett und Hammelbein!

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Sie wurden in der Küche erwartet. »Na endlich!«, rief Don Basilico, als er Xenia mit Marius hereinkommen sah. »Wo hat sich unser Herr frisch ernannter Küchengeselle denn herumgetrieben?« Und er schwang mit drohender Gebärde das große Messer, das er in der Hand hielt.

Don Basilico wusste also schon Bescheid, dass Malediktus, der Haushofmeister, ihn zum Küchenjungen bestellt hatte. »Die Gaukler sind angekommen«, erklärte Xenia und schob Marius vor sich her zu einer Truhe, aus der sie flugs eine Küchenschürze aus grobem Leinen holte, die sie ihm zuwarf.

»So, so«, sagte Don Basilico. »Und da hat der junge Herr wohl ein wenig den Späßen der feinen Wandergesellen zugeschaut. Jetzt ist aber Schluss mit der Belustigung«, rief er aus und stemmte die Hände in die Seiten. »Jetzt wird etwas gearbeitet. Wir haben mehr als genug zu tun!« Und er wies Marius an, sich ans Rübenputzen zu machen, während er Xenia wieder aus der Küche scheuchte. Von der Türe her warf sie Marius noch einen warmherzigen Blick zu – und es schien ihm fast, als hätte sie ihm aufmunternd zugelächelt. Sie mochte ja schnippisch sein. Doch ein bisschen war sie auch nett. Irgendwie. Fand Marius und atmete durch.

Er betrachtete den Rübenkorb, der neben dem großen Tisch stand. So viele Steinrüben hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen – wenn er alle Rüben zusammenzählte, die ihm jemals vor die Augen gekommen waren. Während er sich noch nach einem passenden Messer umsah, knallte ihm Emerald, der Küchenjunge, den er gestern kennen gelernt hatte, zwei gewaltige Töpfe vor die Nase. »Mach die zuerst voll«, raunzte er und war auch schon wieder weg.

Marius begann Rüben zu putzen. Es ging besser, als er dachte. Nach kurzer Zeit hatte er die beiden Töpfe voll. »Wohin damit?«, fragte er Don Basilico, der sich gerade an einigen Ochsenköpfen zu schaffen machte. Marius lief eine Gänsehaut über den Rücken, als er erkannte, was da vor ihm lag. Den Ochsenköpfen hingen die Zungen heraus. Marius’ Magen fühlte sich plötzlich etwas flau an. »Auf den Herd natürlich!«, sagte Don Basilico knapp. »Und in jeden Topf einen Eimer Wasser. Und zwar schnell.«

»Ist das alles, was du bis jetzt geputzt hast?«, fragte im Vorbeigehen Emerald, gerade so laut, dass der Koch es hören musste.

»Ich ...«, versuchte sich Marius zu verteidigen. Doch Emerald war schon wieder weg und Don Basilico sah nicht aus, als würde es ihn interessieren. Stattdessen standen auf dem Tisch, an dem Marius die Rüben abschabte, vier neue Töpfe, größer als die vorigen. Und er begann zu schälen und nachzudenken. Gestern war Emerald ganz nett gewesen. Gut, die Sache mit den Schweinehälften und dass er ihn mit schmerzhaften Folgen in die Küche gepfeffert hatte, das war zwar hart gewesen, aber doch keine Absicht. Heute schien dem Küchenjungen eine Laus über die Leber gelaufen zu sein.

Marius warf nun zwischendurch immer wieder einmal einen Blick auf das Geschehen in der Küche. Es war ein reges Kommen und Gehen. Mägde kamen und holten Teller und Messer, Kelche und allerlei anderes Geschirr, das oben im Festsaal gebraucht wurde. Knechte brachten immer neue Körbe und Säcke mit Gemüse und Getreide. Zwei bärtige Männer, die einander ähnlich sahen wie Spiegelbilder, beide in graue Mäntel gehüllt, trugen auf einer Stange über ihren Schultern Fasane und Rebhühner, sicher zwei oder drei Dutzend, die an den Beinen aufgehängt waren. Der Koch freute sich sichtlich, als er die Lieferung entgegennahm, auch wenn er schimpfte, weil das Geflügel so spät kam. »Küchenjunge!«, rief er zu Marius hin, als die beiden Männer ihre Ware losgeworden waren. »Komm her. Jetzt gibt es Wichtigeres zu tun.«

Aus den Augenwinkeln hatte Marius gesehen, dass auch Emerald sich zu Don Basilico umgedreht hatte, als der »Küchenjunge« rief. Doch sein Ärger war verflogen, als er bemerkt hatte, dass Marius gemeint war. Jedenfalls grinste Emerald, als Marius an ihm vorbeiging.

»Rupfen«, sagte Don Basilico nur und wandte sich wieder den beiden Männern zu, die Marius mit scharfen Augen beobachteten. »Kann man Euch noch etwas Gutes tun, werte Herren? Einen Becher Wein vielleicht oder ein Stück kalter Braten?« Doch die beiden winkten ab. »Wir werden erwartet«, sagte der eine, während der andere nach oben zeigte.

»Aber ja!«, sagte Don Basilico. »Gewiss. So lasst Euch nicht aufhalten. Und Ihr wisst, wann immer Ihr etwas braucht« – leiser fügte er hinzu: »oder der Freiherr« – auch Don Basilico zeigte bei diesen Worten nach oben, so dass Marius unwillkürlich den Kopf hob, als könnte besagter Freiherr an der Decke kleben – »so schickt nach mir.«

»Aber ja, Gevatter«, sagte einer der beiden, klopfte dem Koch gnädig auf die massige Schulter und wandte sich zum Gehen. Kurz darauf waren die beiden grauen Männer verschwunden, und Don Basilico widmete sich wieder seinen Würsten, die er aus einer dunkelbraunen Masse machte, indem er mannslange Därme damit voll stopfte und immer wieder wie ein Springseil drehte.

»Rupfen?«, fragte Marius etwas ratlos.

»Klar!«, hörte er Emeralds Stimme hinter sich. »Weg mit den Federn!«

Marius schluckte. Erst die Ochsenköpfe und jetzt die Fasane und Rebhühner. Küchenarbeit hatte er sich schöner vorgestellt. Zögerlich nahm er einen der Vögel in die Hand und schnitt die Schnur durch, mit der er an der Stange festgebunden war. Er musste an Meister Goldauge denken und fühlte sich gleich noch schlechter. Er sah sich um. In einer Ecke etwas abseits stand ein Schemel. Es war ein dunkles Eckchen in der ansonsten durch die vielen Feuer erleuchteten Küche. Dorthin verzog er sich mit dem Rebhuhn und begann zaghaft, es zu rupfen. Dabei versuchte er, an alles Mögliche zu denken – nur nicht an Meister Goldauge. Der Sturm ging ihm wieder durch den Kopf. Er fragte sich, wo um alles in der Welt er falsch gegangen war. Wie war er hierher gekommen? Der Weg musste richtig gewesen sein. Und doch: Er war nicht auf der Rabenburg gelandet, sondern hier. Gewiss, es war finster gewesen, es hatte geregnet. Da konnte es vorkommen, dass man den Weg nicht richtig sah. Vielleicht war auch ein Schild vom Sturm weggefegt worden oder ein anderer Reisender hatte sich einen schlechten Scherz erlaubt und es entfernt. Vielleicht gab es auch gar keine Schilder auf diesem Weg. Das kam häufig vor. Doch eigentlich hätte Marius kein Schild gebraucht. Er wusste genau, wie er gehen musste. Er konnte sich genau an die Wegbeschreibung erinnern: »Wenn du einen Tagesmarsch am Meer entlanggewandert bist, kommst du an ein altes Hünengrab, über dem sich eine mächtige Eiche erhebt. Steig auf den Baum und blicke nach Osten. Dann wirst du einige Hügel entdecken, zwischen denen in der Mitte ein Pfad hindurchführt. Geh diesen Pfad und du kommst an eine Weggabelung. Du nimmst den linken Weg, nicht den rechten. Auf diesem Weg gelangst du zurück zur Küste. Hinter den Höhlen bei der Nebelkuppe erstreckt sich die Ebene, an deren Ende du in den Rabenwald gelangst ...«

Die Höhlen bei der Nebelkuppe, das war es! Marius hatte die Ebene erkannt und war auf diesem Weg zwei Tage lang gelaufen, ehe der Sturm losgegangen war. Doch er hatte nicht darauf geachtet, dass er vorher die Höhlen sehen musste. Er hatte sie nicht gesehen. Doch er hätte sie sehen sollen. Er war zu früh auf die Ebene hinausgegangen. Er hätte noch einige Zeit auf dem Pfad entlanggehen müssen!

Marius erinnerte sich an den einsamen Wanderer, der ihn nach dem Weg gefragt und ihn ein Stück begleitet hatte. Wenn er so darüber nachdachte, dann war ihm beinahe, als habe der ansonsten schweigsame Reisende gerade zu der Zeit sehr viel und blumig erzählt, als Marius eigentlich besonders auf den Weg hätte achten sollen. Und dann, als sie die Abzweigung schon verpasst haben mussten, war der Fremde plötzlich verschwunden, war hinter eine Kuppe gegangen, Marius dachte, er musste mal, aber er war nicht wieder aufgetaucht.

Marius überlegte fieberhaft, wie er den Weg zurückgehen konnte. Er musste noch einmal durch die Ebene, hin zu diesem Pfad und dann entlang, bis er an die Höhlen von Golwain kam. Dann würde er es noch einmal über die Ebene versuchen und zweifellos auf dem richtigen Weg sein. Denn dass die Wegbeschreibung stimmte, daran zweifelte er keinen Augenblick. Verstohlen fasste er unter sein Wams, erschrak kurz, weil er den Brief nicht spürte – und erinnerte sich erleichtert, dass der Brief ja wohlverwahrt in der Kammer lag in einer fein verdeckten Nische im dicken Mauerwerk dieser mächtigen Burg. Durch das Hemd spürte er das Amulett auf der Brust, ein kleines, rechteckiges Goldplättchen, das an drei Rändern, oben, unten und rechts, verziert war, und er dachte an den Spruch, der darauf eingraviert war und der ihm so rätselhaft blieb: VRIS EST. Marius blickte auf das Rebhuhn in seiner Hand. Es war völlig kahl gerupft. Er hatte, ohne darauf zu achten, vor sich hin gezupft, und während er seinen Gedanken nachhing, war es zack, zack, zack gegangen. Er legte das Huhn zur Seite und nahm sich ein zweites, mit dem er ebenso verfuhr.

Während ein Knecht, der einen Sack Hafer gebracht hatte, die Küche verließ, trat lautlos und geduckt eine Frau ein, deren Gesicht von einem weiten Kopftuch halb verdeckt war. Ihre zahlreichen Armreifen klirrten leise, als sie ihren Korb ganz in der Nähe von Marius auf einen Stuhl stellte und zu Don Basilico hinüberging. Der ließ sogleich alles stehen und liegen und eilte mit ihr zu dem Korb, dessen Inhalt mit einem Tuch bedeckt war, das die Frau jetzt sacht anhob. Don Basilico blickte mit sichtlicher Freude auf die Kräuter, die darunter zum Vorschein kamen – und es war Marius, als würde die ohnehin mächtige Nase des Kochs noch ein bisschen größer werden, als er zu den Pflanzen hin schnupperte, die in feine Bündel geschnürt, frisch oder getrocknet, in dem Korb lagen. »Da habt Ihr aber gute Beute gemacht, Weib«, sagte Don Basilico und griff nach einem Sträußchen, das von winzigen violetten Blüten bekrönt war.

»Ach, es ist immer mühsam und schwer, einige wenige Zweige zu finden. Schließlich kann ich Meistern wie Euch nicht mit Allerweltsware unter die Augen treten.«

»Na, na, na«, sagte der Koch, aber Marius konnte von seinem schattigen Winkel aus gut erkennen, dass ihm die Worte der Frau schmeichelten. Er versuchte, so unauffällig wie möglich zu sein. Dafür gab es eigentlich keinen Grund. Und doch: Ihm war, als sollte er dieses Gespräch lieber nicht hören. Gebannt lauschte er also der Unterhaltung:

»Unsere Gäste werden Anregendes sehr schätzen ...« »Gewiss, gewiss, da kann ich Euch nur zu diesem Farnkraut raten. Eine winzige Prise der getrockneten und zerriebenen Blätter auf einen großen Kessel und Ihr beschert Eurem Mahl die Fähigkeit, die Speisenden glücklich zu machen.«

»Sehr gut, sehr gut. Und dieses hier ist wohl gegen Beschwerden der Gedärme ...«

»Wie Recht Ihr habt, Don Basilico. Ich gab es Euch bei meinem letzten Besuch. Dass Ihr Euch erinnert, zeigt mir, dass Ihr wohl Erfolg damit hattet ...«

»Nun, es eignet sich vorzüglich für Bohnengerichte.« Der Koch nahm das ein oder andere Sträußchen aus dem Korb, roch daran, fuhr mit den Fingern durch das Grün, kramte einige kleine Döschen hervor, die unter dem Grünzeug lagen, öffnete sie, schnupperte auch daran, rieb einige getrocknete Beeren zwischen den Fingerspitzen und besah sich überhaupt alles mit großem Interesse. Schließlich räusperte er sich. Dann rückte er seinen Kopf noch ein wenig näher an die Frau heran und raunte: »Habt Ihr denn auch etwas, das den Schlaf befördert?« »Den Schlaf befördert? Aber das wisst Ihr doch, Don Basilico! Letztes Mal gab ich Euch...«

»Nein, nein«, unterbrach der Koch sie. »Letztes Mal gabt Ihr mir ein gutes Mittel für den Fall, dass man nicht schlafen kann, obwohl man es will. Dieses Mal aber möchte ich ein Mittel« – er flüsterte jetzt fast – »ein Mittel, das hilft, dass man schlafen kann, auch wenn man es nicht will.« Und seine Augen blitzten verschwörerisch.

Marius hielt den Atem an. Was wollte der Koch mit einem solchen Mittel? Wollte er einen Schlaftrunk in seine Speisen mischen, damit die Gäste einschliefen? Oder plante er, jemand anderen in ungewollten Schlaf zu versetzen? Und was sollte mit demjenigen oder mit denjenigen geschehen? Verstohlen sah er zu Don Basilico und der Frau hinüber, die nun aus einem Beutel, den sie über der Schulter trug, ein Säckchen holte, kaum größer als eine schöne, prächtige Kastanie und von derselben Farbe. »Nehmt dies«, flüsterte sie und hielt dem Koch das Säckchen hin. »Eine Messerspitze genügt, um auch den stärksten Mann in tiefen Schlaf zu versetzen. Nehmt Ihr aber nur ein wenig zu viel, so wird er nicht wieder aufwachen. Seid also achtsam und lasst das Mittel nicht in falsche Hände gelangen!« Sie sah sich um, und ihr Blick fiel geradewegs auf Marius, der sie aus großen Augen anstarrte und sich noch tiefer in seinen schattigen Winkel drückte, das Rebhuhn so fest am Hals haltend, dass die Knochen knackten. Doch die Frau, deren Augen wie dunkle Kristalle blitzten, schien ihn nicht zu sehen. Jedenfalls fuhr sie unbekümmert fort, mit dem Koch zu plaudern, der sie mit sich fortzog, um ihr aus seiner Münztruhe den Preis für ihre Kräuter und Mittelchen zu zahlen.

Eine Hexe, dachte Marius. Sie muss eine Hexe sein. Niemand sonst hätte Mittel für alles und jedes und wüsste um die Kräfte all der unbekannten Kräuter, die sie in ihrem Korb mitgebracht hatte. Er atmete tief durch und begann wieder, sein Rebhuhn zu rupfen und so zu tun, als habe er von allem nichts mitbekommen. Emerald kam vorbei und warf einen abschätzigen Blick auf die bisherige Ausbeute. War es zunächst schnell gegangen, so brauchte Marius für das zweite Huhn ziemlich lange – während er Don Basilico und die Frau beobachtete, hatte er praktisch nichts getan. Er war einfach zu gefesselt gewesen von dem, was er gehört und gesehen hatte.

Jetzt kamen der Koch und die Frau wieder zurück. Die Frau nahm ihren Korb und Don Basilico verabschiedete sich mit einigen derben Scherzen von ihr. Auch steckte er ihr noch ein gebratenes Huhn zu, das er offenbar vorsorglich zu diesem Zweck auf die Seite gelegt hatte. Ehe sie aber durch die Tür ging, drehte sie sich noch einmal um und blickte zu Marius, der schnell wegsah und so tat, als ginge ihn das alles nichts an – doch er glaubte, ein leises Lächeln auf ihren Lippen gesehen zu haben. Genau in diesem Augenblick begannen seine Augen zu tränen. Sie hat mich verhext, dachte Marius. Sie hat mich verhext!

Das Geheimnis der Gaukler

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