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Der schaurige Besucher

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Wieder pochte es, diesmal lauter, und ein grässliches Husten war vor der Tür zu hören.

»Das ist Malediktus, der Haushofmeister«, erklärte Xenia mit leiser Stimme und sah sich um. »Die Truhe! Wir müssen Goldauge in die Truhe stecken!«

Meister Goldauge war so verdattert von diesem Vorschlag, dass er gar nicht wusste, was er sagen sollte. Er blickte nur immerzu von dem Mädchen zu dem Jungen und zurück, als wären die beiden völlig übergeschnappt, und versuchte es mit »Ah ... äh ...«. Doch noch ehe er sich versah, hatte Xenia den Deckel der Truhe aufgerissen und Marius ihn hineinverfrachtet. »Bitte!«, redete er noch leise auf ihn ein, während er sich zu ihm hinunterbeugte. »Bitte, Goldauge, vertrau mir. Bleib hier drin und sei ganz leise.« Und mit diesen Worten zog er auch schon seinen Kopf wieder heraus – und sowie die Truhe sich schloss, öffnete sich die Türe und ein nicht allzu großer, aber ziemlich dicker Mann betrat den Raum, um zuerst einmal – »haaaachkchkchkch!« – zu husten, dass Marius der Magen grummelte.

»So, so«, sagte er dann überraschend leise und mit überaus freundlicher Stimme. »Wen haben wir denn da?«

»Das ist Marius«, erklärte Xenia an Marius’ Stelle. »Der Sturm hat ihn hierher verschlagen. Er war unterwegs nach Westen zu den Hafenstädten. Aber dann ist er vom Weg abgekommen und glücklich hier bei uns gelandet.«

»Hm, hm. Glücklich hier bei uns gelandet. So, so.« Und dann hustete er, dass Marius die Knochen klapperten. »Merkwürdig. Ich habe gar nicht gehört, dass das Burgtor in der Nacht noch einmal geöffnet worden wäre.«

»Und weil wir doch einen sehr gastfreundlichen Herzog haben«, fuhr Xenia fort, »dachte ich mir, es wäre ganz richtig, wenn wir ihm ein Dach über dem Kopf böten, bis sich der Sturm gelegt hat.«

»Ei, ei – haaaachkchkchkch! – und das ist ja nun der – haaaachkchkchkch! – Fall, nicht wahr?«

»Ja, wirklich!«, stimmte Xenia zu. »Aber wie es sich ergeben hat, sind wir noch ein wenig ins Plaudern gekommen und da bot er mir Hilfe in der Küche an.«

»Ach, ach, dann ist er wohl ein Küchenjunge?« Malediktus musterte Marius mit scharfem Blick und schritt um ihn herum. Marius schluckte und wollte antworten, doch erneut ergriff Xenia das Wort: »Nicht wirklich, Male ... – Herr Haushofmeister. Eigentlich ist er ...« Sie zögerte einen winzigen Augenblick. Von Ferne erklang irgendwo ein Glöckchen. »Eigentlich ist er ein Gaukler auf Reisen.« Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Wenn Malediktus ihr das glaubte, dann musste sie nicht erklären, woher er kam, wohin er zu reisen gedachte und was ihn auf den Weg gebracht hatte.

»Haaaachkchkchkch!!!«, hustete der Haushofmeister und schüttelte seinen mächtigen Leib. »Haaaachkchkchkch!!!« Meister Goldauge in seiner Truhe, der nur ab und zu ein Wort aufschnappte, flatterte bei jedem Husten in seinem finsteren Versteck auf. »Haaaachkchkchkch!!!« Goldauges Federn waren schon ganz zerzaust. Marius aber stand da und hatte das Gefühl, gleich würde ihm die Hose herunterfallen. Nicht nur weil er noch nie jemanden so markerschütternd husten gehört hatte, sondern auch weil seine Beine schlotterten wie zwei Fische an der Angel. Wie konnte Xenia nur so lügen! Das war ja alles das reinste Märchen!

»Haaaachkchkchkch!«, donnerte es erneut, ehe sich Malediktus räusperte und abermals mit feiner Stimme und ganz aufgeräumt meinte: »Ein seltsamer Gaukler, der kein Wort spricht.« Marius’ Mund klappte schon auf und Malediktus guckte etwas verwirrt, als dennoch Xenias Stimme ertönte: »Er spricht unsere Sprache nicht.«

»Ja?« Malediktus bohrte seinen Blick förmlich in Marius hinein. »Ein seltsamer Gaukler, der unsere Sprache nicht spricht.« Er griff sich an die Brust und holte tief Luft. Es würde ein grässliches Husten werden. Immer mehr blähte sich des Haushofmeisters Leib auf. Marius wusste nicht, ob er sich jetzt besser die Ohren zu- oder die Hosen festhalten sollte, er starrte auf den weit geöffneten Mund des Mannes. Man konnte schon das Zäpfchen im Rachen sehen, gleich, gleich würde er loshusten und keuchen, dass die Mauern nur so bebten. »Nein!«, rief Marius aus.

Da stockte dem riesigen Kerl der Atem und er ließ die Luft ganz sacht herausgleiten und fragte mit liebenswürdiger Stimme: »Nein?«

»Äh ...«

Und zu Xenia: »Ich dachte, er spricht unsere Sprache nicht.« »Gut«, stotterte das Mädchen. »Er spricht sie nicht – gut.«

»Äh, ja«, sprang ihr Marius bei. »Ix nix sprexen gut ihrere Spraxe.«

Der Haushofmeister war so verblüfft, dass er ganz vergaß zu husten. »Das klingt doch ganz passabel«, sagte er und zog eine Augenbraue hoch.

»Dankexehr, der Herrn Verblindixten Danx!«, entgegnete Marius. »Ix sehr freilich, dax sie Hauhofmeixer findein so gute Wolke für mix.«

»Äh, ja«, sagte Malediktus und schüttelte den Kopf, als wollte er einen bösen Traum verscheuchen. »Ähm, sehr passabel, hm, ähm, sehr passabel.«

»Wollen der Herr Sauhofmeixer ein kleine Lieblein von mir höhlen? Ix kann sinken von schöne Milchmägdehen und böse Zauderer. Oder von einen tapferen Rinter auf seinem stolxen Pferd!«

»Später, ähm, später«, sagte Malediktus mit erschrockener Miene, wedelte nervös mit der Hand und stolperte rückwärts zur Türe. Und zu Xenia: »Vielleicht ist es doch gut, er hilft zuerst einmal in der Küche mit. Man wird sehen, man wird sehen. Wir sprechen nach dem Fest darüber, was mit ihm zu tun ist.« Mit diesen Worten drückte er sich durch die halb geöffnete Tür und ließ sich – das konnte man von innen gut hören – von draußen dagegen plumpsen. »Haaaachkchkehkeh!«, ließ er noch einmal vernehmen, als schickte er es dem Gespräch hinterher. »Haaaachkchkchkch!! Haaaachkchkchkch!!!« – Worauf Marius rief: »Oder meine Lieblinxlied von den Schlox mit tauxen Zinnen und den fünschteren Kerkerer!«

Da entfernten sich die schweren Schritte des Haushofmeisters eilig und Xenia und Marius lachten laut los, bis Meister Goldauge in seiner Truhe so heftig mit dem Schnabel gegen den Deckel hämmerte, dass sie sich seiner erinnerten und ihn endlich wieder herausließen.

»Meixer Goldhaube. Verzeih er mir, dass wir ihn ganx vergexen haben!«, alberte Marius weiter, doch Xenia gab ihm einen Stoß in die Seite.

»Entschuldigt bitte, Meister Goldauge. Aber es war wirklich wichtig, dass Euch der Haushofmeister nicht zu sehen bekommt.«

»Das wird ja immer geheimnisvoller hier auf der Burg«, nörgelte Goldauge.

»Ja«, sagte Xenia. »Ich denke, es wäre wichtig, dass ihr beide euch jetzt doch besprecht. Jedenfalls wird es nun nichts mehr mit einer schnellen Abreise. Das wäre sehr verdächtig. Vielleicht würde euch Malediktus suchen lassen. Und wenn er dann entdeckte, dass ... Na, du weißt schon, Marius.« Sie ging ebenfalls zur Tür. Als sie schon fast draußen war, fiel ihr noch etwas ein: »Ach Marius«, fragte sie. »Was bist du denn eigentlich in Wirklichkeit?«

»Das errätst du nie!«, grinste Marius und schwieg.

Das Geheimnis der Gaukler

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