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KINO INTERNATIONAL

In Berlin z. B. gaben wir mal ein Konzert im Kino „International“ in der Karl – Marx – Allee. Einer unserer Songs – „bye, bye Lübben City“ (Text übrigens von Lello) handelt davon, wie Leute ihrer Musik bzw. ihren Lieblingsbands jedes Wochenende hinterher trampen.

BYE BYE LÜBBEN CITY

er heißt Andreas, Micha oder Frank

und kommt aus Lübben, Frankfurt oder anderswo

in der Woche ist er Koch oder Schlosser oder Stift

bei Meister sowieso

er steht auf Karussell, auf Kerth und auf Monokel

und auf singende Abgeordnete ach-i-wo

am Wochenende steht er wieder an der Piste

und zeigt seinen Daumen vor

die Musik, die da gespielt wird, wo er hin will

hat er lange schon im Ohr

bye bye Lübben city

the sun is gonna shining anymore


Fieto, Wille, Gala, Kuhle, Speiche. Vor dem Pissoir Senefelder Platz

Nun ergab es sich, dass in der DDR irgend so’n Typ einen Inlandsflug gebucht hatte und das Flugzeug doch tatsächlich entführte, um auf diesem Wege in den Westen zu kommen. Ein Fan von MONOKEL jedenfalls nahm auch mal einen Inlandsflug von Erfurt nach ich – weiß – nicht - wo, um zu einem unserer Konzerte zu kommen. Ich also nicht blöd und um keinen Gag verlegen werde daraus natürlich die Ansage zu „bye, bye Lübben City“ machen: “Also, wir wissen ja, dass viele von Euch viele, viele Kilometer trampen und viele, viele Strapazen auf sich nehmen, nur um Eure Lieblingsbands zu sehen. Einer ist sogar von Erfurt aus geflogen – DER WIRD WOHL GEHOFFT HABEN, DASS DAS FLUGZEUG ENTFÜHRT WIRD!“ Helle Freude im Publikum, super Stimmung! Nicht so nach dem Konzert in der Garderobe: vollkommen vergessend, dass wenn MONOKEL spielte auch immer mit der Anwesenheit staatlicher Gralswächter, sprich Stasischergen, zu rechnen war, hab ich mich laut Kalles nicht gerade leise vorgetragener Meinung viel zu weit aus dem Fenster gelehnt. Irgend so’n paar Sicherheitsnadeln haben den armen Kerl nämlich noch während des Konzerts mächtig wegen des kleinen Spruchs bearbeitet. Ja, ja, so’n Managör hat’s ganz schön schwör!

Ende vom Lied war, dass wir in Berlin - Mitte ein halbes Jahr nicht auftreten durften, was unserer Popularität wieder mal sehr auf die Sprünge half.

Letztendlich kann man anhand dieses Beispiels genau erkennen, wie leicht es war, in der DDR mit irgendwelchen Verboten belegt zu werden.

Jahre später bei N.O.55 – wenn ich mal kurz vorgreifen darf - hatten wir z.B. einen Song: „Schlüsselkind“. In diesem Lied ging es ganz einfach darum, dass Kinder, deren Eltern den ganzen Tag arbeiten müssen oder wollen, mehr oder weniger auf sich gestellt sind und eben mit einem Schlüssel um den Hals durch die Landschaft ziehen. So weit, so gut, meiner Meinung nach nicht sooo ein wildes Thema, war schließlich auch ich so ein Schlüsselkind. Zu diesem Titel wurde ein Videoclip gedreht, und das Machwerk wurde in der Sendung „STOP ROCK“ beim Fernsehen der DDR vorgestellt. Relativ zeitgleich kamen wir mit jener Nummer noch bei dieser teilweise ungelenk anmutenden Jugendsendung des DDR-Fernsehens namens „RUND“ über den Äther, und die Welt schien, da der Song auf allgemeine Gegenliebe stieß, in bester Ordnung zu sein.

Ja denkste wieder mal! Irgend eine sozialistische Lehrerpersönlichkeit, genau genommen eine Direktorin, hat nach abhören der Nummer bei „RUND“ doch tatsächlich einen geharnischten Brief ans Fernsehen der DDR geschrieben, mit dem bitterbösen Inhalt, dass ja solche „Auswüchse gesellschaftlicher Verwahrlosung“ in unserer sozialistischen Heimat unmöglich stattfinden können - immerhin gibt es ja bei uns ein hervorragendes Schul - und Hortsystem, darüber hinaus die beiden prima Pionierorganisationen, dann noch die FDJ, und zu guter letzt, allerorten Jugend - und Sportclubs mit aufregenden und spannenden Angeboten für unsere Buben und Mädchen, ergo: bei – uns – gibt - es – kei – ne - Schlüss – el – kin – der, basta!

Ob Ihr’s glaubt oder nicht, von diesem Augenblick an wurde dieser Titel von diesen arschlosen, vorauseilend gehorsamen Pennern nie wieder im Fernsehen der DDR aufgeführt. Klar, wir haben den Song live bei jedem Konzert gespielt und ab und an wurde meist zu vorgerückter Stunde von besonders - ich schütt’ mich aus vor lachen – „mutigen“ Redakteuren oder Moderatoren das Werk zum besten gegeben, aber die Chance mit diesem erstklassigem Teil einen Hit zu landen war mit diesem Tage gründlich vertan.

Da ich den Text von Werner Karma damals wie heute zwar sehr schön und treffend fand und finde, aber ehrlich gesagt nix Brisantes oder gar Gesellschaftsfeindliches in ihm zu entdecken vermag, komme ich zu dem unumstößlichen Schluss, dass in diesem miefigen, kleinen Land Verbote in sehr vielen Fällen nicht ausgesprochen wurden, weil das zu Verbietende so intelligent, weitsichtig oder gar revolutionär war, sondern doch ja wohl eher, weil die Verbieter so erbärmlich dumm, kurzsichtig und spießig waren. Leider ergeben sich im Laufe der Geschichte gerade daraus pikante Merkwürdigkeiten: Leute (und bei „Künstlern“ beobachte ich dieses Phänomen ganz oft), die nicht besonders viel zu sagen hatten, aber – weil sie vielleicht in irgend eine Hotelhalle gekackt haben – mit stumpfsinnigen Verboten, welcher Art auch immer, zu kämpfen hatten, spielen sich heute, nach der Wende als Dissidenten und wahre Volkshelden auf. Auch irgendwie eklig! Hier ein Text von dem wunderbaren Werner Karma für einen Song, den ich dann Jahre später bei N.O.55 trällern sollte…

SCHLÜSSELKIND

Ich war so lang ich denken kann ein Schlüsselkind

Und niemand hat mich je gefragt

Wie ich das wohl find

Die Alten hatten wenig Zeit für ihren Sohn

Und kamen sie gestresst nach Haus

Schlief ich meistens schon

Ich war so lang ich denken kann auf mich gestellt

So war die Welt in die ich kam

keine heile Welt

So kommt es dass ich heute noch

An Ecken Stoss`

Und alle Leute wundern sich

– Woran liegt das bloß?

Die Schlüssel hängen mir am Hals

Wie ein Gewicht

Doch Mutters oder Vaters Herz

Öffnen sie mir nicht

Ich weiß ich hab sie mal gefragt

Ob in jener Nacht

Liebe zwischen ihnen war

Als sie mich gemacht

Ich war so lang ich denken kann ein Schlüsselkind

Und jetzt such ich bis ich irgendwann

Meinen eignen Schlüssel find

An diesem Tag befrei ich mich aus meiner Haut

Und alle Wünsche werden war,

Die sich angestaut

Die Schlüssel hängen mir am Hals

Wie ein Gewicht

Doch Mutters oder Vaters Herz

Öffnen sie mir nicht

Ich weiß Ich hab sie mal gefragt

Ob in jener Nacht

Liebe zwischen ihnen war

Als sie mich gemacht

Das Leben ist ´ne Session

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